Der jüngste Brief des Gasversorgers Gravag an die Kundschaft kann aufschrecken. Gegenüber dem Vorjahr habe sich der Gasbeschaffungspreis um 350 Prozent verteuert. Auf die Gasrechnung hat dies massgeblichen Einfluss. Allerdings steigt der zu bezahlende Betrag natürlich nicht plötzlich um 350 Prozent. Der Rechnungsbetrag, den der Kunde bezahlt, setzt sich aus mehreren Komponenten (Energiepreis, Transportkosten, CO2-Abgabe) zusammen. Ausserdem kann die Gravag einen Teil der Marktentwicklung abfedern, weil die Gasbeschaffung durch das St. Margrether Unternehmen strukturiert erfolgt.Mehrere hundert Franken mehr bezahlenFür den Gaskunden steigt der Preis ab 1. Oktober (inkl. Mehrwertsteuer) von 10.02 auf 13.14 Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Dadurch dürfte sich der Rechnungsbetrag für den Eigentümer eines durchschnittlichen Einfamilienhauses (mit Gas für Heizung und Warmwasser) um rund 700 Franken erhöhen. Konkretes Beispiel: Wer für den Gasbezug im zurückliegenden Jahr 2400 Franken bezahlte, erhält für das Folgejahr eine Rechnung, die sich auf ungefähr 3100 Franken beläuft.Auf der Gravag-Website ist von «regelrechten Preisexzessen bei Gas, Strom und Kohle sowie, in geringerem Mass, auch beim Erdöl» die Rede. Die Gründe dafür werden ausführlich dargelegt. In den Vordergrund stellt das St. Margrether Unternehmen die Tatsache, dass die globale Wirtschaft sich von Corona rasch erholt habe und die Nachfrage nach Industriegütern gross sei. Ausserdem sei der Himmel diesen Sommer in Europa oft bewölkt und der Wind eher schwach gewesen, was eine geringere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (Sonne, Wind) bedeutet habe. Eine Rolle spiele auch die neue Pipeline «Nord Stream 2». Wegen Bedenken zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme bestehe eine entsprechende Planungsunsicherheit im europäischen Gasbeschaffungsmarkt.Per 1. Januar steigt die CO2-AbgabeSo viel wie heute war für Gas noch nie zu bezahlen. Der gegenwärtig weit über dem einstigen Höchstwert liegende Rekordpreis hat aber auch damit zu tun, dass Mehrwertsteuer und CO2-Abgabe in der Vergangenheit stiegen. Klammert man diese Abgaben aus und betrachtet man nur den Erdgaspreis, lag jener vom Herbst 2008 nicht sehr viel tiefer als der neue Preis ab 1. Oktober. Für die Kilowattstunde waren damals 9,6 Rappen zu bezahlen, nun sind es 10.45. Heutzutage wird aber eine CO2-Abgabe von 1,75 Rappen draufgeschlagen (statt 0,2 wie im Jahr 2008) sowie eine Mehrwertsteuer von 0,94 Rappen (statt 0,75).Kommt hinzu, dass die CO2-Abgabe nochmals steigt, laut bestehendem Gesetz per 1. Januar 2021. Der Gaspreis wird sodann mit weiteren 0,5 Rappen pro kWh belastet sein. Diese Zusatzbelastung dürfte für ein durchschnittliches Einfamilienhaus weitere 120 Franken ausmachen. Wer mit Öl heizt, ist von der CO2-Abgabe in ähnlichem Umfang betroffen.Beim Öl ist die Tiefpreisphase vorbeiThomas Eugster aus Widnau, Inhaber der Rheintal-Heizöl AG, hat ebenfalls mit gestiegenen Preisen zu leben. Die Zunahme von rund 60 auf 90 Rappen pro Liter sei aber zu relativieren, denn im letzten Jahr habe sich eine ausgesprochene Tiefpreisphase erleben lassen. Mit Blick in die Jahre davor – also 2019, 18 und 17 – sei der aktuelle Spitzenpreis keineswegs exorbitant. So habe etwa der Preis im Jahr 2019 bei ungefähr 85 Rappen gelegen, was unwesentlich unter dem aktuellen Niveau liege.Anders als beim Erdgas seien die Preise für Öl generell volatiler, sagt Thomas Eugster. Preisschwankungen von 10 bis 15 Rappen pro Liter erfolgten oft in kurzer Zeit – ob nach oben oder nach unten.Gravag-Geschäftsführer Roger Schneider hofft auf einen baldigen Gegentrend bei den Preisen. Auf die Schlussrechnung fürs zurückliegende Jahr wird sich der unwillkommene Trend erst minimal auswirken. Eine kleine Nachzahlung dürfte allerdings fällig werden, weil schon im Juli ein leichter Preisanstieg erfolgte.Die neue Gasrechnung kommt im NovemberDeutlich spürbar wird der neue Rekordpreis sein, wenn im November die neue Akontorechnung bei den Gasbezügern eintrifft. Der Brief an die Kundinnen und Kunden von letzter Woche habe kaum Reaktionen zur Folge gehabt, sagt Roger Schneider.Gut möglich, dass erst die nächste, klar höhere Rechnung vor Augen führt, wie sehr die Kosten steigen. Auch die neue Rechnung für den Strom wird die Haushaltsausgaben spürbar verteuern.