Es ist erst eine Vision. Denn Einzelstücke wie zum Beispiel eine Schädelplatte oder Knochenersatzteile aus dem 3D-Drucker sind noch keine zugelassenen Medizinalprodukte. Die Entwicklung geht aber in diese Richtung. Deshalb leistet die St. Margrether Firma Samaplast eine gewisse Pionierarbeit, indem sie sich bereits intensiv in der Anwendungsentwicklung betätigt. Zum Beispiel stellt sie Testprodukte aus dem 3D-Drucker her, die noch nicht beim Menschen eingesetzt werden.Für die Tiermedizin wurden bereits Prototypen im Hinblick auf eine Serienfertigung hergestellt. Dabei handelt es sich allerdings um sehr kleine Serien von maximal zehn Stück.Die Firma Samaplast hat drei 3D-Drucker in Betrieb und erfreut sich «diverser Kundenaufträge», wie Benjamin Dierauer, Leiter Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung, sagt. Zum Einsatz kommen solche Drucker beispielsweise für die Herstellung zeitlich begrenzter Fixierungen im menschlichen Körper, die sich nach einer gewissen Zeit auflösen. Der 3D-Drucker ermöglicht die Fertigung perfekt auf die Patienten abgestimmter Teile. Es wird nicht mehr wie früher geschliffen, gebohrt und gefräst, sondern das gewünschte Teil wird schichtweise in einem Drucker aufgebaut. Die digitale Technik wird auch Additive Fertigung genannt.Beim Messen die Teile durchleuchtenSoeben hat die Firma Samaplast ihre Messtechnik stark aufgerüstet. Insgesamt fast 700 000 Franken hat das Unternehmen für zwei Messmaschinen aufgewendet. Die eine ist eine multisensorische Koordinatenmessmaschine, mit der sich in kurzer Zeit viele Teile vermessen lassen. Die zweite, deutlich teurere Maschine ist ein Computertomograf, der die Teile durchleuchtet und nicht nur aussen, sondern auch innen vermisst. Es geht um die dreidimensionale Darstellung von Teilen, bei einer möglichen Fehlergenauigkeit von sieben bis acht Tausendstel Millimetern.[caption_left: Benjamin Dierauer sagt, mit den neuen Messgeräten sei ein grosser Schritt getan worden.]Die neuen Maschinen dienen vor allem dem Medizinalbereich, dem das Unternehmen 75 Prozent seines Umsatzes verdankt. Die restlichen 25 Prozent werden mit technischen Teilen wie zum Beispiel Komponenten für Leica-Vermessungsgeräte erzielt.Samaplast stellt Implantate für den Rücken und für die Knie sowie Testköpfe für Hüftimplantate her. Ausserdem produziert der Spezialist für Kunststofftechnik sogenannte Luer-Anschlüsse, die Teil des Verbindungssystems für eine kombinierte Anwendung von Spritzen und Infusionsbesteck sind. (Das System ist nach dem deutschen, im 19. Jahrhundert in Paris tätig gewesenen Instrumentenmacher Hermann Wülfing Luer benannt.) Das Unternehmen fertigt zudem Brustkorbkabelbinder, die sich durch Beständigkeit auszuzeichnen haben.Risiko für Patienten weiter verringernSamaplast hat vor vier Jahren damit begonnen, die jüngste Anschaffung vorzubereiten. Nun wurden die beiden Maschinen geliefert. Die multisensorische Maschine arbeitet deutlich schneller und noch genauer als die andere, aber nur mit dem Computertomografen, also mit Hilfe von Röntgenstrahlen, lässt sich auch das Innere vermessen und dreidimensional darstellen.Mit dem Kauf der beiden Messmaschinen wird Samaplast dem Bedarf der Industrie gerecht, die, getrieben von den Zulassungsbehörden im In- und Ausland, zunehmend die Komplettausmessung verlangt. Die neuen Maschinen ermöglichen es dem Kunststoffspezialisten, in der Spritzgusstechnik das Risiko für den Patienten weiter zu verringern und beflügeln nebenbei die erwähnte visionäre Idee des Unternehmens.In der jüngeren Vergangenheit verschärften die Europäische Union und die Schweizer Behörden die Zulassungsverfahren für Medizinprodukte deutlich, nachdem eine Reihe von Skandalen die Branche erschüttert hatten. In Verruf gerieten etwa Brustimplantate, die Bausilikon enthielten, mit Mineralöl verunreinigte Knie- und Hüftprothesen oder Vollmetallprothesen, die wegen Abriebs Schädigungen zur Folge hatten. Die Samaplast-Investition ist somit auch im Lichte erhöhter Anforderungen zu sehen, die sowohl die Behörden als auch der Markt erfüllt haben möchten.[caption_left: Hier ist der Scan eines Teils zu sehen, das im 3D-Drucker hergestellt wurde
und aus resorbierbarem Material besteht; das heisst, es löst sich im Körper nach einer gewissen
Zeit selbständig auf. Die Abbildung zeigt einen Schnitt durch das Teil und somit die Innenstruktur.]Ist noch Luft drin, sieht man esWas sich beim Messen ändert, lässt sich vereinfacht so beschreiben: Statt einzelnen, kritischen Punkten die volle Aufmerksamkeit zu schenken, und beim Messen zwangsläufig Prioritäten zu setzen, erfolgt die Messung mit dem Computertomografen künftig durch und durch. Zum Beispiel wird ein Teil, das die dynamische Wirbelsäulenstabilisierung ermöglicht, in den Computertomografen gegeben, wo es sich auf einer vertikalen Achse auf- und abwärts bewegt und dabei rundum aussen und innen vermessen wird. Das ganze Materialgefüge und allfällige Hohlräume werden präzise erfasst. Sollte sich in einem ausgefüllten Spritzgussteil Luft befinden, ist dies zu sehen. Die Methode ist nicht nur effizient, sondern vermindert das Risiko, dass ein Produkt am Ende fehlerhaft sein könnte.Gerade in der Medizinaltechnik hat das Messen mit dem Computertomografen noch einen weiteren wichtigen Vorteil. Weil die Durchleuchtung von Objekten möglich ist, können diese sich in ihrer (luftdichten) Verpackung befinden, wenn sie vermessen werden.Die herkömmliche Prüfmethode ist sehr viel umständlicher. Von beispielsweise 100 mit Kunststoff gefüllten Spritzgussteilen werden 25 Stück Millimeter um Millimeter aufgeschnitten und kontrolliert. Bei einem eineinhalb Zentimeter dicken Teil wiederholt sich fünfzehnmal der Vorgang von halbminütigem Fräsen und zweiminütiger Begutachtung unter dem Mikroskop, sodass für ein einzelnes Teil deutlich über eine halbe Stunde aufzuwenden ist. Künftig werden fünf Teile in 15 Minuten umfassend geprüft.