16.10.2021

Präambel bleibt umstritten

Der Vorschlag der Verfassungskommission gibt zu reden. Nur GLP und SP unterstützen diesen.

Von Selina Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Selina SchmidDie Ausserrhoder Kantonsverfassung soll auf religiöse Begriffe verzichten oder ihre Präambel ganz weglassen. Dies schlägt die Verfassungskommission vor. Auch eine Variante mit Gottesbezug, wie es der Regierungsrat zuletzt im Frühling vorschlug, lehnt die Kommission ab. Gefällt ihr Entwurf nicht, soll darauf verzichtet werden.Klar für eine neutrale Präambel spricht sich die Mitte AR aus. Vizepräsident Glen Aggeler sagt, es scheine mit Blick auf die Religionsfreiheit und die multikulturelle Gesellschaft nicht mehr gerechtfertigt, explizit Bezug auf den Schöpfer einzelner Religionsgemeinschaften zu nehmen. An einer Präambel soll seiner Ansicht nach festgehalten werden, ein Kompromiss könnte aber ein allgemein gehaltener Bezug auf eine höhere Macht sein.SVP und EVP sprechen sich für religiösen Bezug ausAuch die SP möchte künftig auf Gott in der Verfassung verzichten. SP-Präsident Jens Weber sagt: «Die Religionsfreiheit soll in unserer Gesellschaft garantiert sein und die Kantonsverfassung auf keine Religion Bezug nehmen.» Den Entscheid der Verfassungskommission als neutrale Institution deutet Weber als Hinweis darauf, dass die Ausserrhoder Gesellschaft sich weniger an Werten orientiert, die einen direkten christlichen oder kirchlichen Bezug haben.Auch die GLP Appenzellerland spricht sich gegen eine Präambel mit religiösem Bezug aus. Vorstandsmitglied Samuel Fitzi sagt: «Der Regierungsrat sollte dem Vorschlag der Kommission folgen und die Präambel so vorschlagen – ohne zusätzliche Variante.» Die EVP und SVP sprachen sich früh für den religiösen Bezug aus und bleiben dabei. SVP-Präsident Anick Volger sagt, dass eine moderne Verfassung und eine Präambel mit Gottesbezug sich nicht ausschliessen. «Unsere abendländische Kultur ist auf christlichen Werten aufgebaut. Zu diesen Werten darf man stehen.» Andere Religionen seien mit dem Wort Gott auch nicht ausgeschlossen, denn Gott stehe für eine höhere Macht, so Volger. EVP-Präsident Mathias Steinhauer sagt, dass der Gottesbezug das Bekenntnis sei, dass Menschen nicht alles im Griff hätten. Zudem sei dadurch der christliche Gedanke der Gleichberechtigung und Gleichwertung aller Menschen aufgenommen.Monika Gessler ist Kantonspräsidentin der FDP und sagt: «Die FDP wünscht sich, die bestehende Präambel in die neue Verfassung zu übernehmen, ob mit oder ohne Gott. Die Streichung der Präambel war und ist darum keine Option.» Für die FDP ist der Wortlaut der Präambel zentral. Neu soll die Formulierung, dass «die Gesellschaft für das Wohl der Einzelnen zu sorgen hat», in der Verfassung stehen, was nach Ansicht der Freisinnigen der appenzellisch liberalen Tradition widerspricht. Gessler sagt, dass für die FDP damit nicht mehr gelten würde, dass das Individuum für sich selbst und für die Gemeinschaft verantwortlich ist, sondern umgekehrt. Auch die EVP bemängelt, dass in der Formulierung der Verfassungskommission der Aspekt der Eigenverantwortung nicht zu erkennen sei.Auch die Landeskirchen sprechen sich für den religiösen Bezug in der Präambel aus. Präsident der Evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell, Koni Bruderer, würde eine Präambel mit Gottesbezug befürworten. Doch nur der Vorschlag des Regierungsrates ist seiner Ansicht nach auch für Angehörige nicht christlicher Religionen stimmig und spreche darum eine Mehrheit der Bevölkerung an. Der Entwurf der Verfassungskommission ist für ihn darum nicht tragbar.Clemens Wick vom Verband Römisch-katholischer Kirchgemeinden ist überzeugt, dass eine Verfassung nicht nur durch die demokratische Abstimmung legitimiert sei. «Es braucht eine Besinnung auf ein Ideal, auf etwas Transzendentes.» In der hiesigen Kultur werde diese Transzendenz meist mit Gott beschrieben, doch der Begriff werde von den meisten Religionen mitgetragen.Keine Überladung der AbstimmungUnter den Parteien befürwortet eine Mehrheit, dass der Regierungsrat in der anstehenden Beratung einen Variantenentscheid ermöglicht. Sie sehen sonst das ganze Projekt Verfassungsrevision gefährdet. Anick Volger sagt etwa, dass die aktuelle Vorlage bereits sehr viele kontroverse Themen beinhaltet. Es gelte nun tunlichst zu vermeiden, die revidierte Kantonsverfassung zu überladen. Nur die GLP und SP möchten dem Entscheid der Kommission folgen. FDP-Präsidentin Monika Gessler sagt: «Das Stimmvolk soll entscheiden können, ob ‹Gott› als Begriff genannt wird oder nicht.»Am 16. Dezember verabschiedet die Kommission ihren Entwurf der Verfassung inklusive Kommentar und übergibt beides dem Regierungsrat. Über den Entwurf wird das Ausserrhoder Kantonsparlament 2022 entscheiden, ein Jahr später soll dann die Stimmbevölkerung darüber befinden.

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