Dass Musik zeitloser ist als Sprache, manifestiert sich besonders eindrücklich am Werk «Lied von der Glocke», das Karl Matheisl sich und der Öffentlichkeit zur Feier seiner 50-jährigen Tätigkeit als Dirigent beim Katholischen Kirchenchor Balgach geschenkt hat. Während Friedrich Schillers Gedicht je nach persönlichem Geschmack mit Noten von «lächerlich» bis «genial» die ganze Klaviatur einer Bewertungsskala belegt, hat die Vertonung des Komponisten Andreas Jakob Romberg (1767 – 1821) ihre volle Frische erhalten, was sich auch am Sonntag in der katholischen Kirche zeigte: volles Haus und ein Applaus wie ein stürmischer Gewitterregen, der sich nach der Zugabe – der Wiederholung des Finales «Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst’ Ge- läute» – so lange fortsetzte, bis Sänger und Musiker den Kirchenraum endgültig verlassen hatten.Ein Gedicht als ideale VoraussetzungSchillers «Glocke», 1799 veröffentlicht, verknüpft zwei inhaltliche Ebenen. Die eine beschreibt die Entstehung einer Glocke vom Guss bis zu ihrem ersten Erklingen in der Glockenstube. Die zweite illustriert die Glocke als Begleiterin durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Diese universelle Dramatik lieferte für die 1808 entstandene Kantate für Soli, Chor und Orchester eine ideale Grundlage. Stilistisch liegt das Werk im Übergang zwischen Klassik und Romantik. Virtuos verknüpft der Komponist fröhlich-gradlinige klassische Funktionsharmonik mit kühnen romantischen Klangkaskaden. Dem Gedichttext folgend, wechseln sich optimistisch-aufgeräumte Passagen mit dramatisch-tiefgründigen Klangwelten. Archaisch erhabene Unisoni brechen in farbige Mehrstimmigkeit aus. Eine äusserst kurzweilige Vertonung also, die den Mitwirken- den ideale Voraussetzungen zur Entfaltung bieten.Rombergs Steilvorlage wird denn von den Musizierenden ohne Zaudern angenommen. Das beginnt beim jubilierenden Dirigenten, der hellwach und mit grosser Vitalität ein Werk erarbeitet und geleitet hat, das wie ein sich drehender Diamant immer wieder neue Facetten aufblitzen lässt. Das setzt sich fort mit dem sonoren Bass von Thomas Dobmeier, der souverän den Part des singenden Erzählers übernimmt, der hell aufleuchtenden Tenorstimme von Stefan Gisinger, die sowohl solo als auch im Duett Akzente setzt. Der wunderschönen Sopranstimme von Birgit Plankel und dem lyrisch vorgetragenen Alt-Part Victoria Türtschers hätte man gerne noch länger gelauscht. Ein grosses Kompliment gilt ebenso den beiden Chören und den Gastsängern, die von Karl Matheisl zu einem sehr kompakten Klangkörper zusammengeschweisst wurden, der jede Schattierung des Werks zum Ausdruck brachte. Dazu trug das aus hervorragenden Musikern zusammengesetzte Orchester wesentlich bei. Fazit: Das Publikum erlebte eine abwechslungsreiche Stunde voller wechselnder Emotionen.