29.06.2022

Plusport Vorderland wird 50 Jahre alt

Im November 1972 startete nach Herisau, Teufen und Appenzell auch in Heiden ein Invalidensportangebot – mit vier Teilnehmenden. Inzwischen ist der Verein auf 120 Mitglieder angewachsen. Ein Blick in die Turnstunde verrät viel über Bedürfnisse und Aktivitäten.

Von Rolf Rechsteiner
aktualisiert am 02.11.2022
Unter zahlreichen Events übers Jahr verteilt nimmt die gemeinsame Turnstunde mit der Männerriege Oberegg seit drei Jahrzehnten eine Sonderstellung ein. Der Anlass ist beliebt – nicht nur wegen des Imbisses, der jeweils gereicht wird. Geboten wird ein immer neues Angebot an Sport, Spass und Spiel mit Eins-zu-eins-Betreuung.Rund fünfzig Personen tummelten sich kürzlich in der Turnhalle Oberegg. Schon beim Anwärmen zu fetziger Musik kam Stimmung auf, die sich durch den Abend fortsetzte. Unter den Gästen waren Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 18 und 70 Jahren.Für den stillen Beobachtenden verwischten sich die Konturen. Es zeigte sich, dass im spielerischen Gruppenwettkampf alle etwas zum Sieg nach Punkten beitragen können. Zu dieser Einschätzung bemerkte Hannes Friedli, seit acht Jahren Vereinspräsident: «Willkommen in der bunten Welt der Behinderungen.»Sehnsüchtig erwartetPlusport Appenzeller Vorderland versteht sich als grosse Familie. Die Turnerinnen und Turner kommen vorwiegend aus dem Appenzeller Vorderland und aus der Region Rorschach. Die Institutionen wie das Waldheim, der HPV Rorschach und andere sind wich­tige Partnerorganisationen. Der Verein führt vier Turngruppen: eine für Erwachsene, eine für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung, eine Schwimm- und als Besonderheit eine Jugendgruppe mit monatlichen polysportiven Akti­vitäten.In der Pandemie wurde der verordnete Stillstand aller Aktivitäten als schmerzlich empfunden, wie dem Vereinsorgan zu entnehmen ist. Es fehlte nicht nur an Bewegung, die den ganzen Menschen belebt. Die Turnstunden sind auch ein beliebter Treffpunkt für Angehörige und Betreuende. Hier kann man sich austauschen; man kennt einander und weiss über mögliche Probleme Bescheid. Fast immer kann jemand aus eigener Erfahrung Tipps geben und an Stellen verweisen, die bei Bedarf anzurufen sind. Bei den Aktiven des Trainings steht die Freude an Bewegung im Zentrum.Zu den Höhepunkten des Jahres zählt das Spiel ohne Grenzen in Gonten. Da können die Teilnehmenden beweisen, dass sie den gestellten Aufgaben gewachsen sind. Einen festen Platz in der Agenda haben der Plusport-Tag in Magglingen, das Chlausschwimmen in Gais und natürlich der Chlaushöck. Vermehrt sind die Vereinsmitglieder auch an Publikumsanlässen, beispielsweise an der Bundesfeier in Heiden, anzutreffen. Anders als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mischt man sich gerne unters Volk. Wurden einst Menschen mit Behinderung isoliert oder gar versteckt, werden sie heute als vollwertige Persönlichkeiten wahrgenommen und als Teil der Gesellschaft respektiert. Besondere Bedürfnisse werden anerkannt, die nötigen Hilfestellungen haben klar an Bedeutung gewonnen. Ins Leben gerufen von Peter und Claudia Eggenberger wuchs der Verein und mit ihm das Angebot kontinuierlich.Vom Verband gestütztOhne finanzielle und tatkräftige Unterstützung durch Sponsernde und freiwillige Helfende wäre dies nicht möglich gewesen. «Alte Hasen» im Verein schwärmen etwa von Velotouren, die nur machbar waren, weil Firmenfahrzeuge gratis zur Verfügung gestellt wurden, um den nötigen Fahrzeugpark ins Flachland und ab Endpunkt der Reise zurück zu transportieren. Beispiele von Grosszügigkeit gäbe es viele, wie Hannes Friedli sagt. Obwohl das Behindertenwesen staatliche Unterstützung erhält, sei der Wille zum Sponsoring ungebrochen, was nicht nur ihn mit grosser Dankbarkeit erfülle.Im Zeichen der Zeit hat der Verein die Eigenständigkeit aufgegeben und sich dem Plusport-Verband angeschlossen. Das hat den Vorteil, dass Turnlektionen und sportliche Aktivitäten vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) finanziell unterstützt werden.Allerdings seien die Beiträge an Vorschriften gebunden, betont Friedli. Die Leitung einer Turnstunde muss über die entsprechende Ausbildung verfügen, und der Anteil von Helferinnen und Helfern gemessen an der Gruppe behinderter Menschen ist festgelegt. Dies zu gewährleisten, sei mit Mehraufwand verbunden, doch mache sich dieser letztlich ja bezahlt. Trotz staatlicher Unterstützung verbleiben sämtliche gesponserten Gelder beim Verein – das schafft Spielräume für neue Aktivitäten zugunsten der Betreuten.Der Verein Plusport Appenzeller Vorderland feiert sein 50-jähriges Bestehen am 1. Oktober in der Gruberhalle (Grub SG) mit vielen geladenen Gästen. Wer sich im Lauf der Zeit in besonderer Weise für den Behindertensport im Appenzeller Vorderland verdient gemacht hat, wird einen bunten Abend geniessen dürfen.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.