13.10.2021

«Phantom» kaufte den «Schlüssel»

Den neuen Eigentümer der Altstätter Musigbeiz Schlüssel bezeichnete Tsüri.ch im Dezember als Phantom.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Natürlich ist das nur eine Metapher. Denn der «Schlüssel»-Käufer ist ein Mensch aus Fleisch und Blut und hat somit auch einen Namen.Tsüri.ch titelte am 13. Dezember 2020 über den heute 72-Jährigen: «Immo-König der Langstrasse: Das Phantom Fredy Schönholzer.» Im Stadtzürcher Chreis Cheib, wie der für sein Nachtleben bekannte Kreis 4 im Volksmund genannt wird, besitze Schönholzer an der Langstrasse mehr Liegenschaften als alle grossen Pensionskassen, Banken oder Versicherungen, hatte Tsüri.ch herausgefunden.Ehemaliger Zürcher Rotlicht-UnternehmerAuch der «Zürcher Tagesanzeiger» hatte schon über Schönholzer geschrieben. In der Ausgabe vom 10. Dezember 2018 wird er als «ehemaliger Zürcher Rotlicht-Unternehmer» bezeichnet, der in den Siebzigerjahren mit Sexshops reich geworden sein soll.Heute handelt das «Phantom» mit Immobilien. Dass Tsüri.ch ihm diesen Beinamen gab, begründete die Online-Plattform so: Schon die Kontaktaufnahme habe sich als schwer erwiesen, und eine Auskunftsbereitschaft Schönholzers sei praktisch inexistent gewesen. Im erwähnten Beitrag vom letzten Dezember findet sich der Satz: «Ein paar herausgebellte Worte am Telefon müssen offenbar als Exklusiv-Interview verstanden werden.»Den Altstätter «Schlüssel» (Ringgasse 21) und das angebaute Wohnhaus (Ringgasse 23) hat der aus dem Thurgau stammende und in Hergiswil NW lebende Immobilien-Unternehmer mit seiner Rain-Home S. A. gekauft. Das ist eine von vielen Firmen des 72-Jährigen. Tatsächlich finden sich zu manchen Firmen weder Telefonnummer, E-Mail-Adresse oder andere persönliche Kontaktangaben, doch dank der (ebenfalls Schönholzer gehörenden) Zulumi AG lässt sich schliesslich doch eine Telefonnummer ausfindig machen. Der Gesuchte nimmt sogar gleich selbst den Hörer ab. Als Erstes fallen zwei Stichworte: «Presse» und «Schreck». Und dann: «Wa wönd ehr scho wieder?»Moll, der «Schlüssel» bleibe eine Beiz wie bisher, und er hoffe, «dass dä Aebi wieder Rambazamba macht». Christian Aebi, das ist der Verkäufer der beiden Gebäude Ringgasse 21 und 23 sowie der Betreiber des beliebten «Welldone» in Marbach. Auch die 50 Meter vom «Schlüssel» entfernte Haifischbar an der Ringgasse 12 ist sein Lokal.Weil Aebi sich vom «Schlüssel» trennen wollte, inserierte er; Schönholzer las das Inserat. Er sagt, er lese gern die «Tierwelt» und da sei es ihm begegnet. Zwar bestätigt Aebi, dass er auch den «Schlüssel» weiterführe, aber nur noch bis im Juli, «maximal bis dann».«Dä Schlüssel isch früehner e Bombe gsi»Anders als von Tsüri.ch beschrieben, wirkt Fredy Schönholzer gutgelaunt. Er ist sogar gesprächig. Zum «Schlüssel», dem historischen Gebäude, meint er: «‘s isch es Träumli», er habe «dä Plausch» am Objekt.Der neue Eigentümer war selbst zur Vertragsunterzeichnung nach Altstätten gekommen, staunte über den beim Rathaus im ersten Untergeschoss der Tiefgarage fehlenden Lift und äussert sich am Telefon auch kurz zum Stadtbach hinterm «Schlüssel», der jetzt «nümme ufecho sött». Der Hochwasserschutz sei ja verbessert worden.Fredy Schönholzer, der vor fünfzig Jahren eine Oberrieter Freundin hatte, kennt nicht nur das Rheintal gut, sondern ist auch sonst gut informiert. Der «Schlüssel», bemerkt er, «isch früehner e Bombe gsi». Tatsächlich standen die Gäste in der ersten Hälfte der Achtzigerjahre am Freitag- und am Samstagabend dicht gedrängt, in mindestens drei Reihen, an der Bar, vornehmlich junge Erwachsene. Unter 18-Jährige mussten draussen bleiben.[caption_left: Vom «Schlüssel» (hier von hinten) zogen Nachtschwärmer früher gern noch in die länger geöffnete Bar der «Sonne», die Insider - in Anlehnung an die legendäre Wiener Disco - kurz «U4» nannten.]Zuvor war der «Schlüssel» jahrzehntelang ein Familienbetrieb. Von 1946 bis 1978 wurde das Restaurant von Thedi Looser und seiner Frau Idy Widmer geführt, davor war Vater Josef Looser der Gastgeber gewesen. In den Achtzigerjahren war der Ruf des «Schlüssel» wegen vieler hier verkehrender «Langhoorli» und entsprechender (ungerechtfertigter) Assoziationen Aussenstehender nicht der beste. Der damalige Gemeindepräsident Niklaus Rüegger wohnte übrigens schräg gegenüber der Musigbeiz.Für manche die zweite Stube gebliebenEin junger DJ namens Nick, Sohn einer Pächterfamilie aus England, überraschte mit dem neusten Sound von der Insel und aus Amerika. Nach kurzer, glorreicher Zeit war die Familie plötzlich weg, über Nacht verschwunden, und der in Altstätten aufgewachsene Peter Segmüller betätigte sich fortan als Wirt. Zuletzt gehörte das Haus Christian Aebi. Seine Eltern hatten es von der Bank gekauft, ein Jahr danach übernahm es der damals noch junge Sohn.Die Gäste von früher sind nicht mehr jungWie die meisten Ausgehlokale hat der «Schlüssel» einen Wandel durchgemacht. Die Jungen von einst hatten zunehmend Familie, gingen anderen Interessen nach, und das in den Achtzigerjahren im St. Galler Rheintal auf eine Handvoll In-Bars beschränkte Angebot für Junge ist heute vergleichsweise immens. So hat sich auch Christian Aebi laufend neu ausgerichtet und mit dem «Welldone» in Marbach ein neues Angebot etabliert.Die Zeit im «Schlüssel» neigt sich ihrem Ende zu. Die verbliebenen Stammgäste aus einer glorreichen Epoche fürchten, ihre zweite Stube zu verlieren. Doch der neue Eigentümer nährt die Hoffnung, dass es mit dem «Schlüssel» weitergehen wird.

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