17.01.2021

Pflegepersonal bleibt skeptisch

Obschon es viele Heime dem Personal ans Herz legen, lassen sich längst nicht alle Mitarbeitende gegen Corona impfen.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Die wenigsten unter uns werden sich demnächst gegen das Coronavirus impfen lassen können. Und doch ist die meistgestellte Frage dieser Tage genau diese: Lässt du dich impfen, sobald du kannst? Auch das Pflegepersonal der Altersheime der Region musste diese Frage kürzlich beantworten. Denn wie die Bewohnerinnen und die Bewohner bekommen auch sie Zugang zur Spritze, sofern sie das möchten. Losgehen soll es in den kommenden Wochen, weshalb die meisten Heimleitungen bereits jetzt alle Personen in der Institution registriert haben, die sich vor dem Virus schützen wollen (Ausgabe vom 11. Januar). Doch obwohl gerade Altersheime ein besonders hohes Ansteckungsrisiko bergen, will die Mehrheit der Pflegenden vorerst keine Impfung, wie eine Umfrage bei mehreren Rheintaler Heimen zeigt. So etwa im Balgacher Verahus: Gemäss Zentrumsleiter Manuel Allemann sind es gerade einmal 20 bis 25 Prozent der Mitarbeitenden im Haus, die sich für die Impfung angemeldet haben. Eine Impfpflicht sei kontraproduktivAllemann sagt auch, dass man sich im Verahus mit Empfehlungen ans Personal zurückhalte – von einer Impfpflicht ganz zu schweigen. «Die Informationen des Kantons haben wir den Mitarbeitenden natürlich weiter­geleitet, aber zu viel Druck von unserer Seite empfinden wir als problematisch, zumal wir viele junge Mitarbeiterinnen beschäftigen, die sich gesund fühlen.» Eine Impfpflicht sei ausserdem kontraproduktiv in Bezug auf den Fachkräftemangel in der Branche. Der Heimleiter geht aber davon aus, dass es viele Angestellte geben wird, die sich zu einem späteren Zeitpunkt impfen lassen.Auch im Alters- und Pflegeheim Fahr in St. Margrethen ist die Impfung keine Voraussetzung. Im Gegensatz zum Verahus wird sie den Mitarbeitern von der Heimleiterin jedoch ans Herz gelegt. «Bei uns will sich über ein Drittel impfen lassen – ich werte das als gute Zahl», sagt Martina Caimi-Künzler auf Anfrage. Das Entspreche 35 von insgesamt 86 Mitarbeitenden, die Chefin eingeschlossen. Dringend empfohlen wird die Covid-Impfung auch im Alters- und Pflegeheim Hof Haslach, obschon man in Au ebenfalls auf Eigenverantwortung setzt. Die Impfbereitschaft liegt dort gemäss Institutions­leiterin Rahel Heinemann zwischen 30 und 40 Prozent. Höchstwerte dank MitarbeiterinformationDen mit Abstand höchsten Anteil an Mitarbeitenden, die sich impfen lassen wollen, weist in der Umfrage das Pflegewohnheim Thal-Rheineck auf: Die Hälfte aller Angestellten im Haus will sich schützen, beim Pflegepersonal sind es sogar sechs von zehn Mitarbeitenden. Heimleiter Daniel Tobler verortet den Grund für diese Zahl in der offenen Informationspolitik: «Zuerst haben wir nur das Infomaterial des Kantons weitergeleitet und darauf hingewiesen, allfällige Fragen mit dem eigenen Hausarzt zu klären.» Doch weil der Anruf in die Praxis für viele eine zu grosse Hürde gewesen sei, habe das Heim kurzfristig eine Mitarbeiterinformation einberufen. «Ein Arzt hat anschliessend Fragen persönlich beantwortet. Das hat viele umgestimmt und dazu bewogen, sich doch impfen zu lassen.»Manchen Institutionen eilt es mit der Impfung des Personals nicht – etwa dem Haus Blumenfeld in Altstätten. «Viele Mitarbeiter wurden in letzter Zeit positiv getestet und können sich ohnehin noch nicht impfen lassen», sagt Leiter Roger Nicolet. Ob die Impfung im Heim obligatorisch sein wird oder nicht, will der Vorstand diese Woche entscheiden.   Ein Obligatorium ist möglichAnordnung «Die Impfbereitschaft ist keine starre Haltung. Je nach Situation, Wissens- und Erfahrungsstand können sich persönliche Einstellungen ändern», sagt Daniel Höchli, Direktor des Schweizer Heimverbandes Curaviva. Es gebe erste Beispiele von Pflegeheimen, in denen sich das Personal praktisch geschlossen habe impfen lassen. «Die Institutionsleitungen informieren und sensibilisieren das Personal.» Von einer Impfpflicht rät Curaviva jedoch ab: «Die Impfungen dienen dem Selbstschutz und sollten dem Personal zur Verfügung stehen. Es gilt aber, die Entscheide der Mitarbeitenden zu respektieren.»Trotzdem ist es möglich, eine Anordnung durchzusetzen. Bundesrat Alain Berset sagte gegenüber SRF bereits im letzten Jahr, ein Obligatorium könne bedeuten, «dass das Personal in einem Altersheim geimpft werden soll, um weiterhin mit älteren Menschen arbeiten zu können». Wenn das eine Mitarbeiterin nicht wolle, dann werde sie woanders arbeiten müssen – ohne Kontakt mit Senioren oder anderen gefährdeten Menschen. Das sei aber nicht mit einem Impfzwang zu verwechseln: «Es wird keinen Zwang geben in dem Sinne, dass man Menschen gegen ihren Willen impfen lässt», sagte Berset. Gemäss jüngsten arbeitsrechtlichen Recherchen der NZZ könne ein Arbeitgeber Mitarbeiter grundsätzlich nicht zu einer Impfung zwingen, allerdings eine Impfung verlangen, wenn die Angestellten durch ihre Tätigkeit besonders exponiert seien und häufigen Kontakt zu gefährdeten Personen hätten. Bisher würden aber die meisten Arbeitgeber vor einem Obligatorium zurückschrecken und stattdessen auf den Dialog setzen. (seh)

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