Benjamin Schmid
Es sind nur noch wenige Meter zu gehen, als ich links auf die Kiesstrasse einbiege. Hinter mir liegt Heiden, vor mir der paradiesisch angelegte Sortengarten von Peter Ochsner. Am Zaun ranken blühende Rosen. Ihr süsslicher Duft liegt in der Luft. Unter einem knorri-gen Apfelbaum steht ein blauer Tisch, von der Sonne ausgebleicht. Aus der Ferne ist das Schnattern von Laufenten zu hören. Während mich der Landschaftsarchitekt in seinem Garten Eden begrüsst, weht eine leichte Brise aromatische Gerüche vom Alant, dem aztekischen Süsskraut und dem Verveine herüber. Zusammen mit seiner Frau Susanna bezog er 2001 das alte Appenzeller Holzhaus und erschuf auf der Wiese davor den heutigen Sortengarten. Über 100 alte Gemüse-, Getreide- und Zierpflanzen werden auf 1500 Quadratmetern kultiviert. Vom Baumspinat über den Etagenknoblauch zum Neuseeländer Spinat und vom Guten Heinrich über Winterroggen zum Klatschmohn. Aus dem Traum wurde über die Jahre RealitätVor über zwei Jahrzehnten träumte Peter Ochsner davon, einen Garten anlegen zu müssen. Das war der Startschuss, mit dem Gärtnern zu beginnen. Seine ersten Versuche fanden in einem Schrebergarten statt. Mit der Zeit eignete er sich immer mehr Wissen über Anbau, Pflege und Zucht an und versuchte selbst, Samen zu gewinnen. In dieser Zeit hat er sich ProSpecieRara angeschlossen, wo er seither als Sortenbetreuer aktiv ist. Wie die Stiftung, versucht auch er die genetische Durchmischung in Fauna und Flora zu erhalten und zu fördern. «Ich hatte schon immer Freude an der Vielfalt», sagt Peter Ochsner. Sowohl die Leidenschaft für, als auch das Wissen über die verschiedenen Pflanzen möchte er weitergeben.Ein grosser Teil des Saatguts ist verloren gegangen«Die Nahrungsmittelsicherheit kann langfristig nur mit einer grossen Auswahl an robusten Pflanzen gesichert werden», sagt der Landschaftsarchitekt. Viele alte Sorten seien robuster, besässen mehr Inhaltsstoffe und einen unvergleichlichen Geschmack. «Die industrielle Landwirtschaft pflegt vor allem Monokultur mit einigen wenigen Sorten», sagt der 59-Jährige, «über 90 Prozent unseres Saatgutes ist verloren gegangen.» Die Gesellschaft verlange schöne Pflanzen von gleicher Grösse und Struktur. Und das liefern die Agrochemiekonzerne: «Lohnende» Sorten, aus denen kein sortenechtes Saatgut mehr gewonnen werden kann. Das sei problematisch, weil jede Aussaat frisches Saatgut erfordert, das nur über eine Hand voll Firmen bezogen werden kann. Glück und Bestimmung im Garten gefundenMit seinem Sortengarten zeigt Peter Ochsner, wie einfach gewisse Pflanzen vermehrt werden können. Er möchte andere dazu anregen, eigenes Saatgut herzustellen und so einen Teil zu mehr Biodiversität beizutragen. Peter Ochsner erntet nicht nur das Saatgut, sondern rund ums Jahr auch Gemüse. Die schönsten Exemplare sind allerdings nicht für die Küche bestimmt, sondern bleiben stehen, bis sie blühen und Samen angesetzt haben. Es scheint, als habe Peter Ochsner sein Glück und seine Bestimmung im Garten gefunden. Sein Engagement geht so weit, dass er 2017 seinen Job in der Jugendarbeit aufgab, um sich ganz der Pflege seines Gartens zu widmen. Von der Bodenbearbeitung über die Pflege der Pflanzen bis zur Samenernte ist alles Handarbeit. Viel Zeit verbringt er in seiner Oase, ohne zu jäten oder zu mähen, sondern beobachtend und sinnierend. «Ich lebe meinen Traum», sagt Peter Ochsner, «und doch fehlt noch eine langfristige finanzielle Absicherung.» Der Verkauf von Saatgut sei zu wenig rentabel. Die gemeinnützige Stiftung der Freien Gemeinschaftsbank hat für den Sortengarten einen Projektfonds eingerichtet. Darüber hinaus sucht er Paten und Gönner, die bereit sind, seine Mission zu unterstützen. HinweisBesuchstag des Sortengartens ist heute Samstag, 22. August, von 9 bis 17 Uhr, Hechlensteg 261, 9410 Heiden. Mehr Infos: www.sortengartenpeterochsner.com