27.01.2022

Pfarrer schaltet sich ein, weil es mit der Kinderbetreuung nicht vorwärts geht

Renato Tolfo bringt Bewegung in die Kinderbetreuung in Rebstein. Die Gemeinde reagiert, aber nicht rasch genug.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 02.11.2022
Es mag erstaunen, dass sich der reformierte Pfarrer stark macht für Kindertagesstätte, Schülerhort und Mittagstisch. In seiner Arbeit als Seelsorger, bei Taufgesprächen sowie im privaten Umfeld komme das Bedürfnis nach einem familienergänzenden Betreuungsangebot aber immer wieder zur Sprache, sagt Renato Tolfo. Er hört viel Unmut. «Seit über 30 Jahren gibt es in unserer Gemeinde Vorstösse, eine umfassende Kinderbetreuung aufzubauen. Doch bis anhin ist von der politischen Gemeinde in dieser Hinsicht nichts unternommen worden.» Letzten Herbst ergriff er die Initia­tive und hat mit Eltern und Fachpersonen, darunter die Widnauer Kita-Pionierin Marlen Hasler, ein Konzept mit Budget ausgearbeitet und dem Gemeinderat unterbreitet. An der Sitzung vom 7. Dezember wurde der Antrag zur Kenntnis genommen. Am letzten Dienstag hat sich der Gemeinderat erneut damit beschäftigt. Wenige Tage zuvor haben die Antragstellenden einen offenen Brief verfasst und Un­terschriften gesammelt. Mit Nachdruck wollten sie den Rat zum Handeln bewegen.  Primarschule plant ab Sommer einen Mittagstisch Die Gemeinde reagierte gestern mit einer Mitteilung an die Medien, in der angekündigt wird, schulergänzende Tagesstrukturen schaffen zu wollen. Bis an­-hin sei der Betreuungsbedarf in Rebstein grösstenteils über den Verein Tagesfamilien Oberes Rheintal abgedeckt worden, was sich bewährt habe. Zusätzlich zu diesem Angebot wird die Primarschulgemeinde Rebstein auf Beginn des Schuljahres 2022/23 einen Mittagstisch anbieten. Vorausgesetzt, der entsprechende Kredit wird durch die Schulbürgerschaft genehmigt. Der Gemeinderat hat auch über den Aufbau von zusätzlichen familienergänzenden Betreuungsangeboten beraten. Um ein genehmigungsfähiges Konzept zu erarbeiten, wurde ein Betrag von 40000 Franken gesprochen. Dieser wird im Budget 2022 aufgenommen. Weiter hat der Gemeinderat die Kommission «Kinderbetreuung» gegründet. Präsidiert wird sie von Gemeinderat Dionys Rohner. Mitglieder sind der Gemeinderat Paul Kleiner und die Schulrätinnen Maria Reiss und Karin Mosch.Ein aufwendiges und teures Vorgehen, lautet der Kommentar von Renato Tolfo. Er empfindet es als befremdend, dass die Arbeit der Fachleute nicht genügt. Denn bereits im offenen Brief an den Gemeinderat hiess es: «Eine ehrenamtliche Ar­beitsgruppe hat Ihnen sämtliche notwendigen Unterlagen zum Aufbau eines an die Gemeinde angepassten familienergänzenden Betreuungsangebotes vorgelegt. Nebst dem Antrag auch das Grobkonzept und ein Drei-Jahres-Budget. Sämtliche Dokumente sind fundiert erarbeitet und orientieren sich an bestehenden Angeboten in der Region.» Die Gemeinde beruft sich in der Mitteilung darauf, das Projekt genehmigungsfähig ausarbeiten zu müssen. Die neu bestellte Kommission könne auf die bereits getätigte Vorarbeit der Initiantinnen und Initianten aufbauen. Weiter würden Abklärungen zur Rechtsform, zur Trägerschaft, zu den Initialkosten, zur Finanzierung sowie zur Infrastruktur für das neue Angebot getätigt. Ziel des Gemeinderates ist es, dass die Bürgerschaft an der Bürgerversammlung 2023 über den benötigten Kredit befinden kann und danach die Umsetzung des Konzepts erfolgt. Dies soll im Frühling 2023 der Fall sein.[caption_left: Rebecca Tolfo, die Gattin von Renato Tolfo, drückte sich bildlich aus. Sie ist bekannt für die Helgen, die sie für die Schnitzelbänke der Rebsteiner Obervögel malt.]Mit der Verzögerung entgehen BundesgelderMehr als ein Jahr verstreichen zu lassen, bis mit dem Aufbau begonnen wird, kann Renato Tolfo nicht nachvollziehen. Er findet es stossend, dass die Gemeinde damit auf Bundessubventionen von bis zu 100 000 Franken verzichtet. Eine entsprechende Eingabefrist läuft im Januar 2023 ab. Für eine Stellungnahme  seitens der Gemeinde konnte gestern Nachmittag keine Auskunftsperson erreicht werden. Gemäss Mitteilung ist sich der Gemeinderat aber bewusst, dass sich die Antragsstellenden eine raschere Realisierung des zusätzlichen Angebots erhofft haben. Die Verzögerung wird folgendermassen erklärt: «Die geforderte Stellenausschreibung für eine Fachperson mit einem Pensum von 50 Prozent und einer Anstellung ab März 2022 ist aus Sicht des Gemeinderats politisch nicht vertretbar. Zumal die Bürgerschaft bis anhin keine Möglichkeit hatte, über das Vorhaben und den damit verbun­denen Ausgaben zu befinden oder sich einzubringen.» Die Bürgerinnen und Bürger müssten an der Urne über einen Kredit entscheiden, für dessen Verwendung die entsprechenden Grundlagen fehlen. Der Gemeinderat und der Primarschulrat sind überzeugt davon, dass sie mit dem geplanten Vorgehen im Sinne der Bürgerschaft handeln.Für Eltern, die auf Betreuungsmöglichkeiten warten, ist der Entscheid ein Hohn, sagt Renato Tolfo. «Zudem nimmt der Gemeinderat in Kauf, Potenzial zu verlieren, das in der Gruppe entstanden ist, um das Anliegen vielschichtig zu vertreten und mitzutragen.»

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