24.02.2021

Opfer gepackt und brutal verletzt

Für einen Gast der Altstätter «Kreuz»-Bar hatte es schwere Folgen, dass er den Hund eines anderen streichelte.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Der ebenfalls einheimische Hundebesitzer mit südländischem Pass ist bereits zwangsweise umgezogen – ins Regionalgefängnis. Denn was er getan hat, lässt eine längere Haftstrafe erwarten. Selbst sein Verteidiger sprach diesen Mittwoch, bei der Gerichtsverhandlung in Altstätten, von dreieinhalb Jahren. Der Staatsanwalt möchte fünf.Die Anklageschrift umfasst eine ganze Reihe von Taten, und die schlimmste hat sich vor der Bar ereignet. Hier soll der Angeklagte einem Gast, der den herumlaufenden Hund streichelte, ohne Vorwarnung die Faust an den Kopf geschlagen haben – Ende Juni 2019, nachts zwischen eins und halb zwei.«Da stimmt hin und vorne nöd»Der Angeklagte habe sein Opfer sodann mit beiden Armen umklammert, von der Festbank gezogen und «mit voller Wucht» zu Boden geschleudert, steht in der Anklageschrift. Nach dem harten Aufprall mit dem Kopf bewegte sich das Opfer nicht mehr. Die nächste beschriebene Szene könnte einem Mafiafilm entstammen: Der Täter habe den Kopf des am Boden liegenden Mannes hochgehoben und ihn «einmal auf den Boden geschlagen».[caption_left: Hier sass das Opfer auf einer Festbank und streichelte den fremden Hund, worauf er vom Hundebesitzer übel zugerichtet wurde.]Neben anderen Verletzungen erlitt das Opfer ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma. Der Mann wurde zwei Tage lang auf der Intensivstation überwacht, es «bestand eine potenzielle Lebensgefahr». Die Berichte von vier Zeugen ergeben ein stimmiges Bild, und die Verletzungen passen dazu.Kräftiger «Chlapf, kein Faustschlag»Der bullige und reichlich tätowierte Angeklagte kam mit Handschellen und Fussfesseln in den Gerichtssaal. Nachdem er versichert hatte, sich wohl zu verhalten, wurden ihm die Handschellen abgenommen. Direkt hinter ihm sass links und rechts ein Polizeibeamter.Der Angeklagte führte aus, er habe eine Warnung ausgesprochen: «Finger weg von meinem Hund.» Seinem Opfer habe er zwar einen kräftigen «Chlapf», aber keinen Faustschlag verpasst, und er habe ihn nicht zu Boden geworfen. Schon gar nicht habe er seinen Kopf gegen den Asphalt geschlagen, «da stimmt hin und vorne nöd».Der Präsident des fünfköpfigen Richtergremiums schien sich zu wundern. Sollten die Aussagen der Zeugen falsch sein, müsste «ja fast eine Verschwörung» gegen den Angeklagten im Gange sein.Der amtliche Verteidiger meinte, es handle sich nicht um schwere, sondern um einfache Körperverletzung. Er verneinte eine unmittelbare Lebensgefahr und zweifelte am Wert der Zeugenaussagen. Beispielsweise stütze sich der behauptete Faustschlag bloss auf die Aussage eines der Zeugen.Immer wieder «krasse Unwahrheiten» erzähltEin Gutachten kommt zum Schluss, der Angeklagte leide an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. Sie erklärt auch das Verhalten gegenüber einer 17-Jährigen, die dem Angeklagten gefiel. Er hatte sie eben erst kennengelernt, als er die Jugendliche vor ihm gewarnt haben soll: Vor ihm müsse man Angst haben – und wie es nun sei, ob sie schon Angst vor ihm habe. Das fragte der heute 27-Jährige gemäss Anklageschrift, nachdem er der Jugendlichen eine erfundene Geschichte erzählt hatte: Seine Tochter sei umgebracht worden, worauf er den Ex-Freund seiner Ex-Freundin so zugerichtet habe, dass er nun im Rollstuhl sitze. Überhaupt soll der Angeklagte gern «krasse Unwahrheiten» erzählen, sagte der Staatsanwalt. Auch dies: Zusammen mit seiner Schwester (die es gar nicht gibt) habe er als Kind Misshandlungen erlitten.Die 17-Jährige gepackt und in den See geworfenDer Jugendlichen soll der Angeklagte am Telefon mit Schlägen, wenn nicht mit dem Tod gedroht haben, damit sie weiter mit ihm telefonierte, irgendwo mit ihm hinging oder sich irgendwohin bestellen liess. Beispielsweise soll er gesagt haben, er komme zu ihr nach Hause und würde sie und ihre Familie abstechen. Gemäss Anklageschrift wurde die Bedrohte «in Angst und Schrecken versetzt», weshalb sie den Forderungen des Angeklagten mehrfach nachgekommen sei.Einen Monat nach ihrer ersten Begegnung trafen sich der Mann und die Jugendliche, die ihre jüngere Schwester dabeihatte, in Rorschach am Ufer des Sees. Weil er meinte, betrogen worden zu sein, geriet der Angeklagte in Rage. Er packte die 17-Jährige «von hinten an den Oberarmen, hob sie hoch, trug sie zum See und warf sie ins Wasser». Dabei erlitt die Jugendliche «flaue, rötlich-livide Hämatome» rechts am Hals, an den Oberarmen, an der Aussenseite der linken Brust sowie an den unteren Extremitäten». Zudem hatte sie kratzerartige Verletzungen an der rechten Brust, an den Unterarmen und am rechten Unterschenkel.Zu zweit mit Kokain gehandeltDer amtliche Verteidiger verneinte die seines Erachtens trotz Zeugen nicht nachgewiesene mehrfache Drohung und sprach von «erheblichen Zweifeln» an den vorgeworfenen Nötigungen.Auch der Handel mit Kokain ist ein Anklagepunkt. Dem Mann wird vorgeworfen, zusammen mit einem Kollegen während ungefähr zehn Monaten vielen Abnehmern insgesamt mindestens 560 Gramm Kokain verkauft zu haben. Der Angeklagte kannte den Lieferanten, einen Cousin, der Kollege die Käufer. Allein der Angeklagte soll einen Gewinn von über 11000 Franken erzielt haben.Dass bei einer Hausdurchsuchung drei in Konstanz gekaufte Doppelspitz-Wurfmesser gefunden wurden, ist angesichts der anderen Vergehen ebenso ein Nebendelikt wie die Abgabe von Mitteln zu Dopingzwecken und somit die Widerhandlung gegen das Sportförderungsgesetz.«Warnschüsse gab es genug»Zum ersten Mal kam der Angeklagte, der Töfffahren, Gewichtheben und Kampfsport seine Hobbys nennt, im Alter von zehn Jahren mit der Polizei in Kontakt. Er erhielt eine Strafe von vier Halbtagen gemeinnütziger Arbeit. Später fiel er durch Köperverletzung, Tätlichkeit, Drohung gegen Beamte auf und im Zusammenhang mit der letzten Vorstrafe (zwölf Monate bedingt wegen grober Verkehrsregelverletzung) wurde die Probezeit zweimal verlängert. «Warnschüsse gab es genug», meinte der Staatsanwalt.Abgesehen von der Höhe der Gefängnisstrafe, geht es um die Frage, ob der Angeklagte für sieben Jahre des Landes zu verweisen sei. Ausserdem hält der Staatsanwalt eine stationäre Therapie für nötig, denn obschon der Angeklagte seit der ersten Einvernahme (bei der er einen Tisch umwarf) Fortschritte erzielt habe, sei «die Persönlichkeitsstörung nicht einfach weg».Um einer Rückfallgefahr vorzubeugen, bedürfe es einer intensiven Psychotherapie. Aus Sicht des Verteidigers genüg eine höchstens vollzugsbegleitende ambulante Massnahme. Das Urteil steht noch aus. Das Opfer leidet immer nochGeldforderungen Das Opfer aus der Bar ist eineinhalb Jahre nach der Tat noch immer in traumatherapeutischer Behandlung. Der Mann leide unter Angst, auch vor Vergeltung, sagte sein Anwalt. Für den Angeklagten forderte er ein vollständiges Annäherungs- und Kontaktverbot für fünf Jahre. Ausserdem beantragte er dem Gericht eine Genugtuungszahlung von 12000 Franken für seinen Mandanten sowie einen Schadenersatz für entgangenen (und von der IV nur zum Teil gedeckten) Lohn in der Höhe von gut 42000 Franken, beides zuzüglich 5 Prozent Zins für die Zeit seit der Tat. Auch die Behandlungskosten seien wie allenfalls weitere Kosten dem Täter aufzubürden. Genugtuungs- und Schadenersatzforderungen von knapp 13000 Franken erhebt auch das andere Opfer, die inzwischen erwachsene junge Frau. Die Verfahrens- und weitere Gerichtskosten belaufen sich auf etwa 20000 Franken. 

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