Wer kennt es nicht: ein lustiges Babyfoto in der Whatsapp-Gruppe, der Kindergeburtstag auf Facebook und die erste Fahrradstunde auf Instagram. Viele Eltern teilen regelmässig Fotos und Videos von ihrem Nachwuchs, so auch Wänkes aus Berneck. «Wir posten Bilder und Videos unseres Sohnes Rico in der Whatsapp-Gruppe unserer Familie», sagt Frau Wänke und fügt an: «Auf Facebook teilen wir nur Fotos von hinten, ohne Gesichtserkennung oder gar nicht. Mein Sohn ist zu jung, um das wirklich zu verstehen. Bis jetzt wünscht er sich, dass ich Oma und Opa Bilder schicke.»Am Leben der anderen teilnehmen könnenIhre Eltern leben in Deutschland. Sich kurz zu sehen, läge nicht drin, daher sei das Senden und Teilen von Fotos eine gute Möglichkeit. «Der Vorteil ist, dass man trotz Distanz am Leben des Anderen teilnehmen kann», sagt die Heilerziehungspflegerin, «schöne Momente können durch Bilder und Videos immer wieder erlebt werden.» Über soziale Netzwerke bleibe man in Kontakt und die Grosseltern können die Entwicklung ihres Enkels mitverfolgen. «Wir würden niemals Nacktfotos oder diffamierende Bilder posten», sagt die Berneckerin, dafür Videos, wie der Sohn alleine Dreirad fährt oder Bilder von seinen gebastelten Kunstwerken. Nur wenn ihr Sohn glücklich und zufrieden ist und beide Eltern einer Veröffentlichung zustimmen, werde ein Foto auch geteilt. «Wir wollen unserem Sohn dereinst ohne schlechtes Gewissen erklären können, wieso wir ein Foto gepostet haben», sagt die 35-Jährige. Derweil ihr Mann keine Kinderfotos auf Facebook teilt, komme es bei ihr gelegentlich vor.In ihrem Bekanntenkreis gäbe es viele Eltern, die mit dem Thema ähnlich verfahren. Jeder müsse selber wissen, was veröffentlicht werden soll oder nicht. Gerade weil man nicht wisse, ob das Kind, wenn es ein Teenager oder Erwachsener ist, es bereut. Es heisse, was einmal im Netz ist, sei für immer im Netz. Schwierig sei auch, dass Whats-app zu Facebook gehört und man nicht weiss, was mit den Bildern geschehe. «Whatsapp wirkt immer so ‹unter uns›, aber das ist es natürlich nicht», sagt Frau Wänke, «ich denke, dass wir verantwortlich damit umgehen müssen, immer im Bewusstsein, wie unser 18-jähriger Zukunfts-Rico das finden wird.»Es geht um das Recht, Nein zu sagen«Eltern sind stolz auf ihre Kinder und möchten, dass alle sehen, wie wichtig sie ihnen sind und wie lieb sie ihre Kinder haben», sagt Lea Stalder, Bereichsleitung Weiterbildung und Prävention vom Kinderschutzzentrum St. Gallen, «viele streben aber auch nach Anerkennung, nach Bestätigung und nach Likes.» Kinder hätten oft Verständnis dafür, dennoch möchten sie bei der Auswahl gerne einbezogen werden und ab einem gewissen Alter sollten sie definitiv auch mitbestimmen dürfen, was von ihnen gepostet wird.Wenn sich ein Kind beim Fotografieren abwendet, sei das zu respektieren. Es gehe in dieser Phase also vor allem um das Recht, Nein zu sagen. Ab etwa zehn Jahren wandle sich das hin zum Entscheiden. Spätestens ab zwölf sei das Kind urteilsfähig und bestimme allein, ob jemand sein Bild posten darf.Wenn Kinder noch nicht urteilsfähig sind, haben die Eltern oder Erziehungsberechtigten das Sorgerecht. «Elterliche Sorge erlaubt nicht, gegen die Interessen des Kindes zu handeln», sagt die Expertin. «Bilder, die entwürdigend sind oder die Intimsphäre verletzen, sind nie von der elterlichen Sorge gedeckt.» Problematisch sei, dass viele Eltern nicht wissen, wie öffentlich soziale Plattformen trotz aller Privatsphäre-Einstellungen sind. «Es besteht die Gefahr, dass die Bilder verfremdet, verbreitet und im schlimmsten Fall für pädophile Zwecke missbraucht werden», sagt Lea Stalder. Das gelte nicht nur für Nackt-, sondern auch für ganz gewöhnliche Alltagsfotos.Fotos von Kindern nur mit Einwilligungserklärung«Um uns und die Eltern zu schützen, richten wir uns nach den Bestimmungen unseres Dachverbandes Kinderbetreuung Schweiz (kibesuisse)», sagt Karin Baumgartner von den Tagesfamilien Oberes Rheintal. Prinzipiell sei es den Betreuungspersonen aus Datenschutzgründen nicht erlaubt, Bild- und Videoaufnahmen von Tageskindern anzufertigen und diese in irgendeiner Weise zu versenden oder zu veröffentlichen. «Mit einer Einwilligungserklärung befähigen die Eltern die Betreuungsperson ausdrücklich, Bild- und Videoaufnahmen ihres Kindes zu machen und diese ausschliesslich an sie zu senden», sagt Karin Baumgartner. Diese Erklärung gelte als Absicherung für beide Parteien – Tagesfamilien und Eltern – und könne jederzeit widerrufen werden, spätestens natürlich, wenn ein Betreuungsverhältnis aufgelöst werde.«Wir machen relativ wenige Fotos im Muki-Turnen und wenn, dann nur für den Eigengebrauch», sagt Silvia Gabathuler, STV Rheineck, «wenn irgendwo eine Veröffentlichung geplant ist, hole ich jeweils das Einverständnis der Eltern.»Alternative und sichere Messenger-DiensteEltern sollten vor allem auch auf das Kleingedruckte bei Sozialen Netzwerken achten. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook steht beispielsweise, dass der User dem Netzwerk das Recht gibt, die Fotos in seinem Sinne und ohne Benachrichtigung zu verwerten. Darüber hinaus sollten sich Eltern im Klaren darüber sein, dass auch der Messenger-Dienst Whatsapp, der zu Facebook gehört, lediglich einen scheinbar geschützten Raum darstellt. In dessen AGB heisst es: «Damit wir unsere Dienste betreiben und bereitstellen können, gewährst du Whatsapp eine weltweite (…) Lizenz zur Nutzung, Reproduktion, Verbreitung aller Informationen – einschliesslich der gesendeten Inhalte.»Lea Stalder empfiehlt daher sicherere Messenger-Dienste wie Signal oder Threema. Beispielsweise Signal schreibt auf seiner Website: «Weder können wir deine Nachrichten lesen noch deine Anrufe sehen – wie auch niemand sonst.» Der nach eigenen Angaben spendenbasierte Messenger-Dienst ist nicht darauf angewiesen, sich durch Datenverkauf zu finanzieren; als Aushängeschild von Signal dient der Whistleblower Edward Snowden. Threema wirbt damit, dass es zur App-Nutzung weder eine Handynummer noch eine E-Mail braucht. Stattdessen kann die Anwendung anonym genutzt werden.Zweittext:Das Recht am eigenen BildUnabhängig von urheberrechtlichen Überlegungen besteht bei Fotos das Recht am eigenen Bild. Dies bedeutet, dass die abgebildeten Personen in der Regel darüber entscheiden, ob und in welcher Form ein Bild aufgenommen und veröffentlicht werden darf. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um aktuelle Bilder handelt oder die Fotos bereits vor einigen Jahren aufgenommen wurden. Auf die Einwilligung darf immer nur dann verzichtet werden, wenn ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse eine Veröffentlichung rechtfertigt.Werden Fotos im öffentlichen Raum aufgenommen, ist dies für alle Anwesenden erkennbar und sind die Abgebildeten nur «Beiwerk» (z. B. Passanten bei einer Sehenswürdigkeit), so ist es ausreichend, wenn das entsprechende Bild auf Verlangen der fotografierten Personen (sofort vor Ort sowie zu jedem späteren Zeitpunkt) gelöscht bzw. auf eine Veröffentlichung verzichtet wird. Die betroffenen Personen müssen jedoch nicht zusätzlich angesprochen und informiert werden.In allen anderen Fällen muss die Einwilligung der Betroffenen eingeholt werden. Sie ist immer nur dann gültig, wenn sie nach angemessener Information und freiwillig erfolgt. Wer Bilder einzelner Personen aufnimmt und veröffentlicht, muss den Betroffenen die Möglichkeit geben, die zur Publikation vorgesehenen Bilder einzusehen. Zudem müssen sie über den Kontext der Veröffentlichung informiert werden. Ausserdem gilt es zu beachten, dass bei der Publikation von Bildern Minderjähriger auch die Zustimmung der erziehungsberechtigten Personen eingeholt werden muss. Eine Einwilligung kann aber auch konkludent sein, das heisst, die Erlaubnis wird nicht explizit ausgesprochen, kann sich aber stillschweigend aus den Umständen, aus Verhalten, Gestik und Mimik ergeben. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn jemand vor der Kamera bewusst posiert, sich für ein Gruppenfoto aufstellt oder sich nicht aus der Gruppe von Schaulustigen entfernt, wenn ein Reporter an einer Unfallstelle seine Fotos schiesst.Da ein schutzwürdiges Interesse geltend gemacht werden muss, lohnt sich der Schritt vors Gericht nur bei schwerwiegenden Verletzungen, und es ist ratsam, zuvor eine professionelle Meinung einzuholen. Kommt das Gericht zum Schluss, dass eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung vorliegt, so kann es nebst der Entfernung der fraglichen Bilder auch die Bezahlung von Schadenersatz und einer Genugtuung anordnen.