Heerbrugg 28.07.2023

Olaf Tiegel half beim Bau der «Soloris», nun durfte er auf ihr durch Frankreich fahren

Für jeden Tag, den Olaf Tiegel aus Heerbrugg dem Schiffsbauer Urs Wildisen am Elektroboot «Soloris» half, darf er einen Tag an Bord des Elektroboots verbringen. Im Juni schipperte er über Kanäle und die Seine in Richtung Paris.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 28.07.2023

Olaf Tiegel träumt davon, nach der Pensionierung mit einem eigenen Boot und seiner Frau Claudia über Frankreichs Kanäle zu fahren. Bis es so weit ist, muss der 58-Jährige aber noch etwas warten.

In der Pandemie hatte er, wie viele andere Leute auch, reichlich Gelegenheit, sich in Geduld zu üben. Er hatte Kurzarbeit und war regelmässig mit seinem Ross unterwegs. Häufig ritt er am Hallenbad Balgach vorbei und beobachtete, wie Urs Wildisen (Rehetobel) im ge­genüberliegenden Industriegebiet an einem Boot arbeitete.

Sechs Jahre lang baute Urs Wildisen das solarbetriebene Boot von Grund auf selbst. Zuvor hatte er sich als Rheinschiffer das nötige Wissen und die Erfahrung angeeignet, um selbst zum Schiffsbauer zu werden. Als Lehrling hatte er ein Paar auf einem Boot gesehen.

Der damals erwachte Traum, es dem Paar eines Tages gleichzutun, nahm nun mit der «Soloris» Gestalt an. 

Vier helfende Hände auf der Bootsbaustelle

Als Urs Wildisen einen wichtigen Arbeitsschritt abgeschlossen hatte und den Rumpf des Bootes drehen wollte, bot ihm Olaf Tiegel während eines Ausritts seine Hilfe an. Zeit hatte er schliesslich. Und er brachte Karl Zoller aus St. Margrethen zur Unterstützung mit. «Es waren drei Wochen, die wir mitarbeiteten», sagt Olaf  Tiegel.

Für jeden Tag, den wir halfen, versprach uns Urs Wildisen, einen Tag, den wir gratis mit ihm auf dem Hausboot verbringen dürften.

Seither verfolgte Olaf Tiegel den Werdegang der «Soloris» genau. Als sie am 1. Juni 2022 in Staad im Bodensee eingewassert wurde, war er vor Ort und an der Jungfernfahrt sogar an Bord. «Ich hatte Blut geleckt», sagt er.

Als der Heerbrugger hörte, dass Urs Wildisen und seine Partnerin Fe mit der «Soloris» vom Heimathafen Basel aus Richtung Paris aufbrechen würden, reifte bei ihm die Idee, das Versprechen des Kapitäns einzulösen, und die beiden auf ihrer Reise zu begleiten.

Olaf Tiegel und Karl Zoller waren auf der grün eingefärbten Strecke an Bord der «Soloris».
Olaf Tiegel und Karl Zoller waren auf der grün eingefärbten Strecke an Bord der «Soloris».
Bild: pd

Olaf Tiegel und Karl Zoller gingen Ende Juni in Montargis an der Loigne an Bord und verbrachten fünf  Tage auf der «Soloris». Sie fuhren mit dem 25 Meter langen und fünf Meter breiten Boot mit bis nach Melun an der Seine, 50 Kilometer südöstlich vor Paris.

Landschaft zog im Wandertempo vorüber

«Es war ein cooles Gefühl, die ‹Soloris› im Hafen liegen zu sehen und an Bord gehen zu dürfen», sagt Olaf Tiegel. Er und Karl Zoller kennen sich aus dem «Kochclub Basilicum». Es versteht sich, dass die beiden Rheintaler alle Zutaten eingekauft hatten, um die vierköpfige Reisegruppe zu bekochen.

Am nächsten Morgen ging es los. Mit sechs Stundenkilometern und leichtem Fahrtwind juckelte das Hausboot über mehrere Kanäle und die Seine. Auf Ersteren gab es kaum Gegenverkehr. Die Landschaft zog mit der typisch französischen Architektur im Wandertempo an den Passagieren vorüber. Nur mussten die Gäste nicht auf den Weg achten.

«In der Langsamkeit des Schiffes habe ich mich erholt und das Vogelgezwitscher beim Morgenkaffee genossen», sagt Olaf Tiegel.

Als uns später auf der Seine Kähne entgegenkamen, merkte ich, was ich nicht vermisst hatte.

30 Schleusen in fünf Tagen

Spannend empfand er den Flussverlauf: «Du weisst nicht, wie es hinter der nächsten Biegung aussieht.» Oft genug lag dort eine Schleuse. Ganze dreissig Mal erlebten die Passagiere, wie der Kapitän die «Soloris» gefühlvoll und ganz langsam in der Enge manövrierte. «Manchmal passte das Boot haargenau hinein.»

Hin und wieder durfte auch ein Gast das Steuer übernehmen. Aber nie in der Schleuse. «Ich wollte an keiner Beule schuld sein», sagt Olaf Tiegel. Ihn überraschte, dass die Schleusen auf dieser Strecke automatisch funktionieren. Sie sind nicht betreut und werden per Fernbedienung vom Boot aus gesteuert. Olaf Tiegel sagt: 

«Das Besondere war für mich, dass ich auf einem Schiff, das ich mitgeholfen hatte zu bauen, mitgefahren bin», sagt Olaf Tiegel.

Das Bett, in dem ich lag, hatte ich geschliffen und lackiert.

Auf der Baustelle hatte er, der auch Auer Gemeinderat ist, keine Vorstellung davon gehabt, wie das fertige Gefährt ausschauen würde. «Mir war klar, dass es fahren, nicht aber, ob es dicht sein würde.» Die beiden Laien hatten verantwortungsvolle Tätigkeiten ausgeführt. Ein gravierender Fehler hätte das Boot zum Sinken bringen können. Ein solcher unterlief ihnen nicht. Und doch schaute Olaf  Tiegel sich alle Nischen der «Soloris» nach diesen Gesichtspunkten an.

In Meluns gingen die beiden Rheintaler von Bord. Paris nicht erreicht zu haben, stört Olaf  Tiegel nicht. Sein Traum ist dafür konkreter geworden:

Nach Paris fahre ich mit meiner Frau und auf dem eigenen Boot.

Autarke «Soloris»

An den fünf Tagen, an denen Olaf Tiegel und Karl Zoller an Bord der «Soloris» waren, legte Urs Wildisen kein einziges Mal an einer Ladestation an.

Die Energie zum Fahren, für Warmwasser und zum Kochen zieht das Hausboot komplett aus der Sonne. Sie reichte auch aus, um Brot zu backen und das Anlege-Bier am Abend zu kühlen.

Der Trinkwassertank fasst 4000 Liter und die Vorräte hatten die beiden Fahrgäste an Land eingekauft. Da der Dieselmotor ausblieb, roch es auch bei Rückenwind nicht unangenehm nach Abgasen, Der Elektromotor dreht ausserdem nahezu geräuschlos.

Mehr Informationen zur «Soloris» finden Sie hier.


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