11.08.2020

«Ohne Tötungsakt geht es nicht»

Der Metzgerberuf stehe in einem zu schlechten Licht, findet das Widnauer Micarna-GL-Mitglied Christoph Egger.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDer 49-Jährige, der beruflich mit einer Metzgerlehre in Heerbrugg begann, ist beim Fleischverarbeiter Micarna Leiter Business Unit Fleisch. Rund 1400 Mitarbeitende an neun Standorten erzielen knapp eine Milliarde Franken Umsatz. Der Micarna-Gesamtumsatz liegt bei 1,6 Milliarden.Beim Unternehmen arbeitet auch Nationalrat Mike Egger. Als der Bernecker sich nach der Lehre als Fleischfachmann für eine Stelle bei Micarna beworben hatte, war Christoph Egger beim Vorstellungsgespräch dabei. Die Frage nach einer Verwandtschaft höre er wegen des gleichen Nachnamens zwar ab und zu, sagt Christoph Egger, doch es gebe keine.Christoph Egger und seine Gattin Cornelia, deren Vater der frühere Auer Gemeindepräsident Walter Giger ist, haben zwei erwachsene Kinder – eine Tochter und einen Sohn. In der Familie essen alle Fleisch. «I ha’s halt scho wahnsinnig gern», sagt Christoph Egger, doch er achte auf die Menge. Jeder solle sich ernähren, wie er es für richtig halte, findet Egger, der selbst lieber besonders gutes Fleisch geniesst statt viel. Jemanden für Fleischkonsum zu verurteilen, hält er für anmassend.Blick «zu sehr aufs Schlachten gerichtet»Was auch immer man davon halte: Dem Fleischverzehr gehe zwangsläufig ein Tötungsakt voraus. Dies begünstige den «zu schlechten Ruf des unterschätzten Metzgerberufs». Der Blick sei viel zu sehr aufs Schlachten gerichtet, obschon die Tätigkeit des Fleischfachmanns (wie der Metzger heute genannt wird), sehr vielfältig sei. In seiner Lehrzeit, sagt Christoph Egger, sei gerade mal an einem halben Tag pro Woche geschlachtet worden.Dass immer weniger den Beruf ergreifen wollten, sei ein Problem. Es habe zum Verschwinden eines grossen Teils der Metzgereien beigetragen. Der Nachwuchsmangel veranlasse eher zur Sorge als die Rentabilität, meint Christoph Egger, der die Zahl der landesweit noch bestehenden Metzgereien mit rund 900 beziffert. Er ist überzeugt: Wer seinen Job gut macht, hat auch eine gute Erfolgschance.Während Jahren war Egger VerkaufsleiterFür eine Berufskarriere, die auf einer Metzgerlehre aufbaut, ist Christoph Eggers Werdegang das beste Beispiel.Nachdem der Prüfungsexperte ihn am Ende der Lehre gefragt hatte, ob er schon eine Stelle habe, konnte er in dessen Betrieb in St. Gallen in der Wursterei beginnen. Es folgten der Militärdienst, ein paar Jahre Erfahrung im Laden, abends bildete der junge Mann sich weiter, bis er als Marketing- und Verkaufsleiter seine Berufslaufbahn im Aussendienst fortsetzte und anschliessend während zwei Jahren in St. Margrethen Walter Kasts Filiale führte.Zu Micarna kam Christoph Egger 2001. Er durfte den ausserhalb der Migros-Gruppe ebenfalls wichtigen Markt aufbauen, war während mehreren Jahren Verkaufsleiter des Frischfleisch- Bereichs, dessen Umsatz rund 600 Mio. Franken betrug. Als Micarna-Geschäftsleitungsmitglied ab 2014 übernahm Christoph Egger für den Frischfleisch- Bereich die Gesamtverantwortung. Seit letztem Jahr sind dieser Bereich und die Charcuterie zusammengelegt und ist Christoph Egger der Leiter der Business Unit Fleisch.Den Tieren den letzten Gang erleichternSowohl pflanzliche Produkte als auch Insekten als Alternative zu herkömmlichem Fleisch haben nach Ansicht des Fleischfachmanns ihre Berechtigung. Bei der Fleischproduktion sei ihm das Tierwohl sehr wichtig, erklärt er. Über 95 Prozent aller Tiere stammten bei Micarna aus der Schweiz, drei Viertel aus Labelhaltung, sagt Egger – also von Betrieben, deren Tierwohlbestimmungen über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinausgehen.Bei Micarna in Courtepin (bei Fribourg) werde der ganze Schlachtvorgang immer gefilmt, so lasse sich bei Bedarf der Nachweis für korrektes Wirken erbringen. Der Standard hierzulande sei sehr hoch.Angewandt würden die derzeit besten Betäubungsmethoden, und der Weg bis zur Betäubung werde für das Tier so angenehm gestaltet wie nur möglich. Schon im Stall werde mit Musik eine möglichst ruhige Stimmung erzeugt, die Transportdauer sei auf maximal vier Stunden beschränkt, und der Weg von der Rampe zur Betäubung sei leicht steil und führe auf Licht zu, was Schweinen diesen letzten Gang erleichtere.Viele Abteilungen stehen zur AuswahlUnter den 140 Lernenden, die bei Micarna zu Fachleuten werden, finden sich auch Elektriker oder Mechaniker, zumal die Branchennähe von Beginn weg sinnvoll sei. Je etwa zwanzig Lernende werden zum Fleischfachmann (bzw. zur -fachfrau) oder zum Lebensmitteltechnologen bzw. zur -technologin ausgebildet. Für den weiteren Berufsweg stehe eine breite Palette an Abteilungen zur Auswahl, sagt Christoph Egger und nennt die Abpackerei, die Zerlegerei (mit vielen verschiedenen Schnittführungen je nach Verwendung des Fleisches), die Produktion, den Convenience-Bereich, die Kochschinkenabteilung oder die Rohwurstproduktion als Beispiele.«Jede Region hat ihre Spezialität»Seit gut fünf Jahren gehört die in Thal (nahe beim Polizeistützpunkt in Buriet) ansässige Firma Rudolf Schär AG zur Micarna- Gruppe. Den Betrieb mit seinen 70 bis 80 Mitarbeitenden führt Christian Schär; Christoph Egger gehört dem Verwaltungsrat an.Anders als im Bündnerland, wo Fleisch luftgetrocknet werden kann, wird im Rheintal geräuchert. «Jede Region hat ihre Spezialität», sagt Christoph Egger und hebt fürs Rheintal und das Appenzellerland das Moschtbröckli hervor.Ebenso seien Brühwürste beliebt, speziell Bratwurst, Cervelat und Schüblig. Und natürlich hat auch jede Firma ihre Spezialität(en).Bei Schär ist es der Ofenschinken – ein Kochschinken, der im Ofen gebacken, fein aufgeschnitten wird und so in den Verkauf gelangt.

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