12.01.2021

Ohne Fleisch gesund leben

Sonja Zünd Hagmann und ihre Hausärzte Christian und Sabine Simma schrecken als Veganer keine Fleischesser ab.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Sabine Simma erzählt amüsiert einen bekannten Witz. «Woran du einen Veganer erkennst? Er wird dir sagen, dass er einer ist.» Das in Altstätten lebende Ärzte-Ehepaar mit einer Praxis in Rüthi seit September 2017 ist frei von Überzeugungseifer. Es hat seinen eigenen Töchtern keine vegane Ernährung verordnet und hat keine Mühe damit, dass die jüngste auswärts auch mal Fleisch verspeist und Milchprodukte zu sich nimmt.Sabine Simma drückt mit einem Bonmot aus, worum es (übrigens nicht nur beim Essen) geht: «Es kommt nicht darauf an, was zwischen Weihnachten und Neujahr gegessen wird, sondern darauf, wie man sich zwischen Neujahr und Weihnachten ernährt.»Sozialen Druck von Kindern fernhaltenEbenso wenig wie die Simmas ist Sonja Zünd von Sendungsbewusstsein geleitet. Sie gönnt ihrem Gatten Martin und Sohn Severin das regelmässig genossene Fleisch und ist auch mit sich selbst nicht übertrieben streng. Kommt mal ein Schuss Rahm in eine Sauce, schöpft sie trotzdem auch davon, und ist sie eingeladen, begnügt sich die Veganerin mit dem Verzicht auf Fleisch.Das Ganze hat ja auch eine soziale Komponente, die Sabine Simma mit Blick auf die eigenen Kinder so beschreibt: Nie habe sie die Eltern von Schulfreundinnen der eigenen Kinder auf die innerfamiliäre Bedeutung des Veganismus hingewiesen, denn man habe keinen sozialen Druck erzeugen wollen.Den Käse vermisst Sonja Zünd ein wenigIm Hause Zünd Hagmann ist nur Tochter Nina seit einem Jahr auf der Linie der Mutter, die vor eineinhalb Jahren beschloss, auf vegane Ernährung umzustellen. Sonja Zünd sagt, sie vermisse, wenn sie ehrlich sei, den Käse etwas, und so gönnt sie sich pro Monat ein-, zweimal ein Stückchen. Inkonsequent? Eher Ausnahmen, die zeigen, dass die eigene Überzeugung auch ohne Verbissenheit auskommt und es keines militanten Auftretens bedarf, um den Alltag für sich selbst nach eigenen Werten zu gestalten.Sonja Zünd hatte Fleisch immer gern. Als eine Freundin von deren Arzt empfohlen bekam, wegen eines Hautproblems auf einige bestimmte Lebensmittel zu verzichten, hatte dies die zunächst vorübergehende Umstellung auf eine vegane Lebensweise zur Folge, schliesslich blieb die Freundin ganz dabei. Sonja Zünd war neugierig geworden und wollte selbst erleben, wie ein dauerhafter Fleischverzicht sich anfühlt. Sie erkannte schnell, dass er ihr leichtfiel, und so dachte sie an einen neckischen Aspekt: der eigenen Familie «vorzuleben, dass man auch vegan überleben kann».Ethische Gründe stehen im VordergrundDer Entscheid, auf vegane Ernährung umzustellen, hatte mit ethischen Überlegungen wie dem Tierwohl ebenso zu tun wie mit dem Wunsch, sich ökologischer zu verhalten und durch den Verzicht auf Fleisch zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beizutragen. Aber auch die Überzeugung, ohne Fleischprodukte gesünder zu leben, spielte eine Rolle.Sonja Zünd hat bald festgestellt, dass sie das Fleisch gar nicht vermisst, was wohl auch an der Experimentierfreude beim Kochen liegt und an ihrer schon immer bestehenden Vorliebe für Pflanzliches.Dass Sonja Zünd die Rüthner Hausarztpraxis von Simmas wählte, hat massgeblich damit zu tun, dass auch das Ärztepaar sich ohne Fleisch ernährt, bereits seit 14 Jahren. Ein Film war der Auslöser gewesen – «Earth-lings», eine ebenso bekannte wie umstrittene Dokumentation über Fleischkonsum und Nutztierhaltung.Simmas Umstellung auf vegane Kost erfolgte vor bald acht Jahren. Das Paar weiss das Datum genau, der 11. April 2013 sei es gewesen, von einem Tag auf den andern habe es den Kühlschrank ausgeräumt. Wieder hatte ein Dokumentarfilm («Gabel statt Skalpell») den Anstoss gegeben, aber auch ein gesundheitliches Problem eines Familienmitglieds habe eine massgebliche Rolle gespielt. Tatsächlich habe sodann die rein pflanzliche Ernährung die erhoffte positive Wirkung gebracht.Vitamin B12 als NahrungsergänzungDem Ärztepaar Simma geht es wie Sonja Zünd darum, einem alten Vorurteil zu widersprechen. Christian Simma, der nach dem Medizinstudium eine Zusatzausbildung in Ernährung genossen hat, betrachtet eine gesunde, ausgewogene Ernährung, wie er zugespitzt bemerkt, «nicht als das Exklusivrecht von Veganern». Generell sei es ratsam, möglichst auf verarbeitete Produkte zu verzichten, also beispielsweise Vollkorn- statt Weissmehl zu verwenden, und Fertiggerichte zu meiden.Sicherzustellen sei, dass das «mit Abstand wichtigste» Vitamin B12 den Weg in den Körper finde und strikte Veganer ihren Wert regelmässig prüfen lassen. Denn B12 kommt fast nur in tierischen Lebensmitteln vor.Christian Simma sagt, in seiner Familie werde B12 als Nahrungsergänzung in Form von Tabletten zugeführt, wobei er anmerkt, dass B12 zwar in den Verdauungsorganen der Tiere (von Mikroorganismen) produziert werde, es aber den Tieren vor allem ins Futter gemischt (und somit ebenfalls zugeführt) werde.Weder Eiweiss-, Eisen-, Kalzium- noch sonst ein Mangel sei bei pflanzlicher Ernährung zu befürchten, sagt der Arzt, sofern alle Ernährungsgruppen im Menüplan berücksichtigt seien und man auch genug Ballaststoffe zugunsten der Darmbakterien zu sich nehme.In der Rüthner Praxis, die Christian und Sabine Simma im September 2017 übernommen haben, wird der Begriff «vegan» nicht verwendet. Stattdessen wird von gesunder Ernährung gesprochen und die Hinwendung zum Pflanzlichen grundsätzlich unterstützt.Hoher Preis für ein Kilo FleischSonja Zünd meint, angesichts der bekannten Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Umwelt sei bereits ein teilweiser Fleischverzicht ein Schritt in eine gute Richtung. Die Bewegung «Veganuery» ermuntere dazu, vegane Ernährung während eines Monats auszuprobieren.In einer langen Liste von Argumenten und Ausführungen zum Thema, die Sonja Zünd zusammengestellt hat, wird auch der WWF zitiert: Für ein Kilo Schweizer Rindfleisch (in dem 60 mg Antibiotika stecken) würden 21 m2 Boden überdüngt, 27 Kilo CO2 freigesetzt und 12000 Liter Wasser verbraucht. Und auf der WWF-Website findet sich dieser Vergleich: «1 Kilo Schweinefleisch verursacht gleich viel CO2 wie 80 Kilo Kartoffeln.»

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