23.06.2022

Oberegger Assekuranz auf dem Prüfstand

Der Bezirksrat beurteilt eine Weiterführung als nicht mehr zielführend. Die obligatorische Gebäudeversicherung wurde 1873 eingeführt.

Von Rolf Rechsteiner
aktualisiert am 02.11.2022
Die bezirkseigene, obligatorische Gebäudeassekuranz von Oberegg ist ein Unikum in Innerrhoden. Der Kanton verzichtete damals nämlich auf eine flächendeckende Lösung und überliess es den Gebäudebesitzern, ihre Liegenschaften nach Gutdünken zu versichern. Zu Härtefällen sei es seines Wissens deswegen nie gekommen, wusste Landammann Roland Dähler in einem Gespräch zu diesem Thema zu berichten.Die Oberegger hielten an ihrer obligatorischen Assekuranz bis heute fest. Versichert sind 1279 Gebäude oder Anteile davon (z. B. Stockwerkeigentum) mit einem Schätzungswert von rund 803 Millionen Franken. Die Statuten schreiben ein Deckungskapital von einem Prozent der Versicherungssumme vor, was 8,032 Millionen Franken ausmachen würde. Aktuell beläuft es sich auf 6,243 Millionen Franken oder 77 Prozent der statutarisch gesetzten Marke. Diese sei aus heutiger Sicht viel zu hoch, erklärt Matthias Rhiner, Präsident der Assekuranz. Eine Analyse der Schadenspotenziale habe ergeben, dass damit der Gesamtausfall zweier Cluster im Dorfzentrum gedeckt werden könnte.Neuere Gebäude sind in Massivbauweise erstellt und nach modernen Standards brandgeschützt. Die Mobiliar als Rückversicherer trägt 90 Prozent der Risiken, bezieht aber im Gegenzug auch 90 Prozent der Prämien abzüglich einem Viertel Rückversicherungsprovision zugunsten der Assekuranz. Letztere schrieb im langjährigen Durchschnitt einen Gewinn von rund 90 000 Franken.Keine Quersubventionen mehrDie Assekuranz subventionierte über Jahre hinweg die Wasserversorgung Oberegg (WVO), deren finanzielle Lage weniger gut ist, damit sie ihr Leitungsnetz mit Blick auf die Löschwasserversorgung optimieren und unterhalten konnte. Die Rechnungslegung nach HRM2 lässt dies nicht mehr zu. Das Reglement der WVO wurde inzwischen einer Gesamtrevision unterzogen und so gänzlich von der Assekuranz entkoppelt.Schon anlässlich der öffentlichen Orientierung vom 11. November 2021 wurde darauf hingewiesen, dass der Fortbestand der Assekuranz hinterfragt werden müsse. Beispielsweise müsste im Hinblick auf die Marktsituation und das hohe Deckungskapital eine Reduktion der Prämien vorgenommen werden. Eine vertiefte Analyse hat den Bezirksrat nun bewogen, den Fortbestand der Assekuranz gänzlich infrage zu stellen. Unter den geprüften Optionen sind nur zwei übrig geblieben: Die Aufhebung oder die grundlegende Maximierung der Assekuranz.Obligatorium aufhebenDer Bezirksrat plädiert für die Aufhebung des Versicherungsobligatoriums und die Auflösung der Assekuranz. Die Eigentümerschaft wäre also frei in der Entscheidung, ob sie ein Objekt versichern will und bei welcher Gesellschaft. Die Bezirksverwaltung wäre somit von einer zeitaufwendigen Aufgabe entlastet, einer Aufgabe, die nach einer wachsenden Professionalisierung ruft und keine Kernkompetenz einer Bezirksverwaltung bildet.Die Verwendung des Deckungskapitals im Falle einer Auflösung wurde schon 1874 festgeschrieben, wonach «ein allfälliger Fonds für anderweitige Gemeindezwecke zu verwenden ist». Der Bezirksrat schlägt vor, ein prämienfreies Übergangsjahr einzuschalten, was rund 0,6 Millionen Franken an Rückvergütung an die Versicherungsnehmer bedeuten würde. Die restlichen 5,6 Millionen Franken sollen dem Eigenkapital des Bezirks gutgeschrieben werden zugunsten «einer möglichst zweckgebundenen zukünftigen Verwendung», wie es in der Botschaft heisst. Angedacht sind die spätere Teilfinanzierung eines neuen Feuerwehrdepots oder Investitionen in den Löschschutz.[caption_left:Deckblatt der ersten Statuten von 1873.]Weiterführung und KostenfolgeSollte die Mehrheit der Stimmbevölkerung an der Weiterführung der Assekuranz festhalten wollen, müsste sie in wesentlichen Bereichen erneuert werden. Eine generelle Überarbeitung der Statuten und des Rückversicherungsvertrags wären notwendig, Anpassungen am Tarifsystem und am Selbstbehalt unumgänglich. Angesichts der zunehmenden Komplexität des Versicherungswesens müsste im Stellenetat der Verwaltung diesem Anspruch an Professionalität Rechnung getragen werden. Beträchtlich wäre zudem der Mehraufwand für eine im Einsatz bewährte IT-Lösung samt Einführung einer optimierten Schätzungsliste im IT-System, das auch formelle Policen erstellen müsste. Die Rede ist von einer Investition im Umfang von 100000 bis 200000 Franken.Matthias Rhiner erinnert an das Schicksal vieler kleiner ländlicher oder gemeindeeigener Sparkassen, die aufgrund des zunehmend komplexeren Umfeldes aufgelöst werden mussten. Das Ende der Oberegger Assekuranz würde sich hier lückenlos einreihen.Im Bezirksreglement vom 3. November 2021 ist postuliert, dass wichtige Sachfragen während mindestens zwanzig Tagen einem Mitwirkungs- und Einwendungsverfahren zu unterziehen sind. Es begann am 20. Juni und endet am 9. Juli. Die Unterlagen dazu sind auf der Homepage des Bezirks (www.oberegg.ch) aufgeschaltet und bei der Bezirkskanzlei aufgelegt. Stellungnahmen, Anregungen und Fragen sind in schriftlicher Form per E-Mail (info@oberegg.ch) oder als Brief an die Bezirksverwaltung Oberegg, Dorfstrasse 17, 9413 Oberegg zu richten.Wesentliche Anmerkungen und Impulse aus der Bevölkerung werden in das Arbeitspapier einfliessen, das im Rahmen des formellen Auflageverfahrens, geplant vom 1. bis 31. August, laufen wird. Sie werden auch im Abstimmungsmandat ersichtlich sein. Geplant ist die Grundsatzentscheidung zusammen mit dem eidgenössischen Urnengang vom 27. November.

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