05.04.2021

Noch penibler auf Hygiene achten

Zwei Corona-Wellen hat das Spital Altstätten bereits bewältigt. Mitarbeitende machen sich auf eine dritte gefasst.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard BickelAlexander Hartmann arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Spital Altstätten, davor war er am Kantonsspital St. Gallen tätig. Er ist dipl. Pflegefachmann Anästhesiepflege sowie Wundexperte und leistet Einsätze auf der Notfallstation, im Ambulatorium und Aufwachraum. Der 50-Jährige ist verheiratet, Vater von drei Kindern und lebt in Laterns. Als Grenzgänger aus Vorarlberg erlebt er, wie zwei Länder mit Corona umgehen.Erste WelleVor rund einem Jahr waren die ersten Corona-Erkrankten im Spital Altstätten in Behandlung. Die Unsicherheit im Team war gross. «Die Berichte aus Bergamo, in denen kolportiert wurde, dass auch medizinisches Personal gestorben sei, stresste zusätzlich», sagt Alexander Hartmann. «Wir versuchten, uns bestmöglich zu schützen.»Dies führte zu deutlicher Mehrarbeit bei den hygienischen Massnahmen. «Das Arbeiten mit Maske und Kunststoffschürze war ungewohnt und sehr schweisstreibend.» Wie auch in vielen anderen Spitälern war in Altstätten in jener Zeit das Schutzmaterial knapp. «Den Job der Einkäufer beneidete damals niemand, aber dank ihres Engagements hatten wir immer ausreichend Schutzmaterial zur Verfügung.»Eine grosse Sorge bereitete die Aufnahme von Covid-19-Infizierten und nicht Infizierten auf der Notfallstation. Ab März 2020 wurden auf dem Spitalgelände Container aufgestellt, die vor allem in den Anfangsmonaten in Betrieb waren und zu einer räumlichen Trennung führten. «Dadurch entspannte sich die Lage auf dem Notfall deutlich», sagt der Pflegefachmann. «Mittlerweile haben wir eine Lösung gefunden, die Patienten innerhalb des Spital Altstätten zu triagieren.»Das Ärzteteam operierte nur noch im Notfall. Dadurch wurden rasch viele personelle Ressourcen frei, um die Covid-Patienten zu versorgen. «Ich war überrascht, wie flexibel sich Mitarbeitende aus dem OP in anderen Bereichen eingefügt haben», sagt Alexander Hartmann.Angehörige durften zum Schutz der Patienten und Mitarbeitenden nur noch in Ausnahmefällen zu Besuch kommen. Das Personal spürte dadurch eine gewisse Ruhe und konnte Arbeitsabläufe beschleunigen. Andererseits war das Bedürfnis nach sozialen Kontakten in dieser Zeit bei den Patienten ausgeprägt. «Besonders bei dementen Menschen führte dies zu einem deutlichen Mehraufwand für uns», sagt Alexander Hartmann. «Es gab auch herzzerreissende Situationen, wenn Angehörige auf der Wiese vor dem Spital dem Patienten ein Geburtstagsständchen spielten und der Patient mit Tränen in den Augen auf dem Balkon stand.»Für den Arbeitsweg musste Alexander Hartmann doppelt so viel Zeit einberechnen. Als die kleinen Grenzübergänge wie Montlingen geschlossen wurden, staute sich der ganze Pendlerverkehr vor den wenigen offenen Grenzübergängen. «Als ich gelesen habe, bei geschlossenen Grenzen würden zur Not Zimmer zur Übernachtung organisiert, beschlich mich ein ungutes Gefühl», sagt Alexander Hartmann. «Ich habe mich von meiner Familie damals jeden Tag so verabschiedet, wie wenn ich länger fernbleiben würde.» Ihm wurde bewusst, ein unverzichtbarer Teil der Gesellschaft zu sein. Noch nie habe er von Vorgesetzten so viele Schreiben bekommen. Er werde dringend benötigt und der Grenzübertritt sei ihm erlaubt.ZwischenzeitDas Pflegepersonal erhielt damals viel Wertschätzung. Menschen klatschten zum Dank auf Balkonen. Alexander Hartmann nahm es gelassen. «Für mich als Pflegefachkraft ist ein Dank von Patientinnen und Patienten, die wieder gesund werden, Applaus genug.»Leider stehe das Gesundheitswesen aber oft nur in Zusammenhang mit Kostensteigerungen und Defiziten in der Öffentlichkeit. «Insofern ist ein Applaus für unseren spannenden und herausfordernden Beruf ein Schritt in die richtige Richtung.» Als ab April die Covid-Patienten ausblieben, konnte es das Team kaum glauben, die erste Welle so gut überstanden zu haben. «Es war aber klar, dass wir uns spätestens im Herbst auf eine weitere Welle vorbereiten müssen», sagt Alexander Hartmann. «Ein Aufatmen war nur sehr verhalten möglich.»Zweite WelleDie zweite Welle im Herbst sei mit voller Wucht gekommen. Um die Intensivstation in Grabs zu besetzen, war zusätzliches Personal nötig. «Deshalb erhielt auch ich eine Anfrage, ob ich bereit bin, dort mitzuarbeiten», sagt Alexander Hartmann. Vom 1. November bis 31. Januar war er im Spital Grabs eingeteilt. Kaum angekommen, erkrankte er selbst an Corona und lag mit Fieber im Bett. «Nach neun Tagen konnte ich wieder den Dienst antreten, brauchte aber einige Wochen, um mich wieder fit zu fühlen.» Durch die Erkrankung hat er nachweislich Antikörper gebildet und geniesst derzeit einen Schutz vor einer Ansteckung. In Grabs beeindruckte ihn besonders das Stammpersonal, das in dieser fordernden Zeit Aushilfskräften wie ihm stets zur Verfügung stand. Bedingt durch die Erfahrungen der ersten Welle war die Unsicherheit deutlich geringer. Einschränkungen von Kontakten, bei Teamsitzungen oder Weiterbildungen waren vorhersehbar. Auch war der Grenzübertritt für Pendler im Herbst mit weniger Problemen verbunden.In jüngster Zeit empfindet es Alexander Hartmann allerdings zunehmend als Herausforderung, die unterschiedlichen Schutz- und Teststrategien beider Länder genau ein-zuhalten. «In Österreich muss ich eine FFP2-Maske tragen, in der Schweiz reicht eine OP-Maske. Als Pflegeperson mit bestätigten Antikörpern gegen Corona muss ich mich in der Schweiz nicht testen lassen, als Grenzgänger in Österreich jedoch schon.»AusblickDer Pflegefachmann erwartet im Frühling wieder eine etwas steigende Tendenz der Corona-Erkrankungen. Die Erfahrung zeige, dass besonders im Herbst und Frühjahr Patienten mit Infektionen der Atemwege betreut werden müssen. In den Nachbarländern ist bereits der Beginn der dritten Welle erkennbar.Anfangs habe er die Fallzahlen sehr genau verfolgt, sagt Alexander Hartmann. Je länger desto mehr habe er sich über die Berichterstattung aufgeregt. «Wenn man den ganzen Tag mit Corona beschäftigt ist und abends in den Nachrichten dieses Thema vorherrschend ist, wird es für mich auf Dauer ungesund.» Seine Frau ist ebenfalls in der Pflege tätig.Zu Hause versucht er deshalb bewusst, sich anderen Themen zu widmen.» Manchmal beneide er durchaus jene Berufsgruppen, die ihre Arbeit im Homeoffice machen können. «Im Pflegeberuf sind wir seit je krankmachenden Keimen ausgesetzt.» Corona habe diese Brisanz noch deutlicher bewusst gemacht.Der Umgang miteinander bezüglich der Infektionskette werde sicher nachhaltig sein. «Abstand halten, Verzicht auf Hände schütteln sowie Maske tragen werden mein Berufsumfeld noch lange prägen.»Unsere Serie zeichnet chronologisch nach, was sich für die Menschen aus der Region in den einzelnen Phasen der Pandemie verändert hat.

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