28.05.2018

Noch näher zur Erde

Der neue Torfwürfel bei der Schollenmühle steht nun allen offen. Er ist eine jener Besonderheiten, deren Entstehung die St. Galler Kantonalbank mit dem Maximalbetrag von hunderttausend Franken unterstützt hat.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererWeil die Kantonalbank dieses Jahr ihr 150-Jahre-Jubiläum feiert, hatte sie vor zwei Jahren die Bevölkerung ermuntert, gute Ideen für lebensbereichernde Projekte einzureichen, von denen eine stolze Auswahl finanziell unterstützt werden sollte.Anfangs harzte es. Den Bankverantwortlichen sei schon leicht bange geworden, gab Geschäftsleitungsmitglied Albert Koller bei der feierlichen Eröffnung des Torfwürfels am Samstagmittag zu verstehen. Schliesslich zog es etwas an, die Zahl der Ideen erreichte drei Dutzend.Dann war Pfingsten, und offenbar hatten die Menschen jetzt Musse. Denn über die Feiertage wurde die Kantonalbank mit vielen Vorschlägen beglückt. Die am Ende gefeierte Zahl nannte Koller gleich zweimal, damit bloss niemand etwas falsch verstehen konnte. 338.Dreihundertachtunddreissig.Ein Millimeter Torf pro JahrIgnaz Hugentobler, der Präsident des Vereins Pro Riet, stellte sich inmitten des Flachmoors von nationaler Bedeutung auf einen Rednersockel und machte hier, auf dem Torfboden des Riets, auf ein paar Tatsachen aufmerksam, die menschlicher Bescheidenheit förderlich sein können. Zehn Meter tief reiche der Torf, auf dem man nun gerade stehe, sagte er, und stellte die Verbindung zwischen Zeit und Torfschicht her.Jedes Jahr sei ein Millimeter dazugekommen, also ein Zentimeter in zehn Jahren. Was das für die Kantonalbank heisst? Seit sie besteht, ist die Torfschicht gerade mal fünfzehn Zentimeter dicker geworden. Der Torfwürfel gefällt Albert Koller, dem in Rheineck lebenden Banker mit markantem Appenzeller Dialekt, vor allem aus zwei Gründen. Die Nachhaltigkeit sei das eine, die neue Perspektive das andere. «Ich selbst sah Torf noch nie unterhalb der Erdoberfläche», sagte Koller und zog die wohl unvermeidliche Parallele zwischen Natur und Geschäftswelt. (Ohne Sponsoren, lässt sich bei dieser Gelegenheit anmerken, gäbe es auch andere Naturprojekte eher nicht.) In der Geschäftswelt, fuhr Koller also fort, gehe es ja auch darum, geerdet zu sein und vorwärts zu schauen. Insofern ist der neue Würfel ein aus der Alltagshektik ins Riet verpflanztes Symbol, das aber einzig der Entspannung dient.Ein Turm und schon zwei WürfelNach Albert Koller sprach Beat Stoller (nicht um des Reimes willen, sondern als jener Mann, der die gute Idee gehabt hatte). Grafiker Stoller, der – wie er selbst sagte – gern Archäologe wäre, «hätte es dazu gereicht», gestaltet die vielen wunderschönen Infoblätter des Vereins; an der Eröffnungsfeier vom Samstag konnte er mit einem Blick zurück sozusagen die Elemente zusammenführen, die unser Leben bestimmen: Luft, Erde, Wasser – «und das vierte ist das Feuer, aber das erwähnen wir am besten nicht», meinte Stoller angesichts der aus Holz bestehenden Hütten bei der Schollenmühle.Mit der Luft hat der Beobachtungsturm zu tun, der Interessierte aus luftiger Höhe das Riet überblicken lässt. Diesen Turm erhielten Pro Riet und die Rheintaler Bevölkerung im Jahr 2003, was ebenfalls in Verbindung mit einem Jubiläum geschehen konnte, nämlich der 200-Jahr-Feier des Kantons.Nahe ans Wasser bringt der Verein Pro Riet die Menschen seit 2010, als der Wasserwürfel eröffnet wurde. In ihn steigt der Besucher hinab, bis sein Blick auf der Höhe der Wasseroberfläche über den Weiher schweift.Nun also wird dieses auf vielfältige Weise ergänzte Naturerlebnis-Angebot nochmals namhaft erweitert, eben mit einem vollauf selbst entwickelten Torfwürfel, dem ersten seiner Art.Wer die paar Tritte hinabgestiegen ist und den im Erdreich eingerichteten Raum betritt, staunt schon beim ersten Schritt. Sehr weich setzt der Fuss auf, und der Blick fällt sofort auf den Torf hinter Glas. Die Schicht ist einen Meter sechzig hoch, das heisst: Ihr liegen 1600 Jahre zugrunde, eine lange Zeit. Da ist es passend, wenn man als Besucher einiges von früher mitgeteilt bekommt, weshalb der Altstätter Historiker Werner Kuster mit einer Auflistung viel Interessantes in aller Kürze vermittelt.Zum Beispiel 1321: «Göswin von Rebstein schenkt dem Kloster Lindau eine leibeigene Frau mit Kindern aus dem Hof Balg-ach.»Gut, leben wir heute im nach wie vor sehr schönen Rheintal.Mit riesigem Riet.Und neuerdings mit einem neuen Würfel, der uns Mutter Erde noch ein schönes Stückchen näherbringt.

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