14.08.2019

Niemand will die Kirche retten

2013 bewahrte Martin Stankowski die St. Margrether Katholiken vor einer Kuratur. Diesmal will es niemand tun.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Monika von der LindenDie St. Margrether Katholiken sollen einen neuen Präsidenten wählen. Martin Stankowski tritt am 8. September nicht zur Wiederwahl an. Geht man vom Stimmzettel aus, will es aber niemand werden. Die Zeile zur Präsidentenwahl ist leer. Mit einem Kandidatenmangel kennt sich die Kirchgemeinde aus. Sie hat bereits zweimal die Fremdverwaltung abwenden können: Im Jahr 2012 wurde Michael Rüesch Präsident. Weil niemand anderes kandidieren wollte, hätte er als Vizepräsident die Geschäfte ohnehin führen müssen. Michael Rüesch liess sich wählen. Nach dreizehn Monaten zügelte er in die Innerschweiz. Es war ihm nicht möglich, Präsident zu bleiben.«Einer stand auf, die Kirche zu retten», titelte diese Zeitung im März 2013. Martin Stankowski hatte die Wahl des Souveräns angenommen. Er war unmittelbar vorher von einem Sängerkollegen des Männerchors vorgeschlagen worden.Wird am 8. September oder im zweiten Wahlgang am 3. November kein Präsident gewählt, setzt der Adminstrationsrat einen Kurator ein. Sollte auch er nicht erfolgreich sein, wird die Einleitung einer Fusion nötig. Eine personelle Änderung war absehbar Die Kirchbürger waren nach der Wahl von Martin Stankowski erleichtert. Die Fremdverwaltung blieb erneut aus. Martin Stankowski aber stand eine Herkulesaufgabe bevor. Ohne ein spezielles Vorwissen übernahm er die laufenden Geschäfte. Eine Einführung gab es für ihn nicht. Sie ist im Bistum St. Gallen zu Beginn einer Legislatur üblich. Im ersten Jahr investierte Martin Stankowski an die 400 Arbeitsstunden ins Amt.Seinerzeit war ausserdem das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verwaltungsrat und der Pastoralassistentin Schwester Marianne Rössle gestört. «Sie hatte eine traditionelle, konservative Einstellung zur Pfarreiführung», sagt Martin Stankowski. Sie habe eine kleine Gruppe um sich geschart, die keine Breite zuliess. «Es fiel der Schwester schwer, die Grenzen des dualen Systems und den Rat als Arbeitgeber zu respektieren.» Die Kirche sei ein geschützter Raum, auch im Arbeitsrecht. Der Präsident «liess nicht locker und weichte das Problem» auf. Es löste sich erst, als die Pastoralassistentin im Sommer 2016 pensioniert wurde.Es gibt keine Pflicht zu einer dritten AmtszeitTrotz der Missstimmung stellte sich Martin Stankowski im Herbst 2015 zur Wiederwahl: «Die Änderung war absehbar. Ich wollte zu Ende führen, was ich eingeleitet hatte», sagt er. Es gelang ihm. Am 1. August 2016 nahm Leila Zmero ihre Arbeit als Pastoralassistentin auf. Die Stimmung besserte.Im nächsten Jahr wird Martin Stankowski 70 Jahre alt. Eine dritte Amtsdauer schliesst er aus. Privat hält sich der pensionierte Kunsthistoriker viel im österreichischen Linz auf. «Mir fehlt inzwischen die Kraft, permanent zu pendeln.» Martin Stankowski verlässt den Rat befreit. «Ich weiss die Pfarrei bei Leila Zmero in guten Händen.» Mit ihr sei die Glaubensgemeinschaft so erstarkt, dass sie dem ihr bevorstehenden Prozess gewachsen ist. «Sie vermag es, sich selbst zu definieren und bei einer Fusion Stellung zu beziehen.» Diese zu vollziehen, wäre denkbar auf dem Gebiet des Zweckverbandes Buechberg.Diesen Prozess mag Martin Stankowski nicht mehr leiten. Er sei nicht in die Pflicht genommen, nur weil niemand sein Nachfolger werden will. Müsste der Adminstrationsrat einen Kurator einsetzen, wäre dies keine Bankrotterklärung der Kirchgemeinde. «Ein Kurator könnte unvoreingenommen neue Bahnen erst einmal ansehen und dann einschlagen.»Die Rheinecker Katholiken stehen vor einer ähnlichen Situation. Bei ihnen läuft Ende Jahr das Mandat des Kurators aus. Eine Fusion mit Rheineck erachtet Martin Stankowski nicht als richtig (siehe Ausgabe vom 5. März 2019). Er befürchtet, dass St. Margrethen in diesem grossen Gebilde auf der Strecke bleiben könnte: «Gross-Thal» stünde «Mini-St. Margrethen» gegenüber. «Wir sollten überlegen, wer wir sind, wo wir stehen und was wir behalten wollen.» Aufgrund seiner Geschichte könne St. Margrethen eine verbindende Rolle zu anderen Zweckverbänden einnehmen.Die Kirchgemeinde verliert an AutonomieMartin Stankowski sieht eine Fusion von Kirchgemeinden grundsätzlich als eine absehbare Folge der Zweckverbände an. Es seien Zwänge geschaffen worden, die nicht mehr aufhebbar sind. Den Kirchgemeinden hat die Struktur eine Vereinfachung gebracht. Zum Beispiel ist der Zweckverband Buechberg Anstellungsträger sämtlicher Mitarbeiter. Der Zweckverband war aber nötig geworden, weil die Führung einer Kirchgemeinde auf Geheiss der Administration professionalisiert wurde. «Die Pflicht zur Professionalisierung ist das Ende des Milizsystems und schwächt die Autonomie der Kirchgemeinde», sagt Martin Stankowski. «Ein Kirchenverwaltungsrat kann nicht mehr alle Aufgaben mehr alleine managen.»Der scheidende Präsident hätte es als besser angesehen, hätte man erst das Grundsätzliche und dann das Praktische geregelt und nicht umgekehrt. Demnach liegt die Ursache für Fusionen im Mangel an Seelsorgern begründet. Damit die Pastoral in allen Pfarreien gewährleistet bleibt, ordnete der Bischof an, dass sich Pfarreien in Seelsorgeeinheiten organisieren. Zunächst schlossen die betroffenen Kirchgemeinden Verwaltungsvereinbarungen. Es folgten die Professionalisierung, die Zweckverbände und vielleicht bald Fusionen. Das ursprüngliche Problem des Seelsorgermangels hat sich eher verschärft denn entspannt.

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