28.10.2022

Nicolas Lüchinger darf wieder spielen

Der Rheintaler war in St. Gallen eine Identifikationsfigur. Nun läuft er für den FC Thun auf – und ist wieder Stammspieler.

Von Patricia Loher
aktualisiert am 02.11.2022

Die Meldung kam überraschend. Nicolas Lüchinger, so teilte der FC Thun im Juli mit, absolviere im Berner Oberland Probetrainings. Eine Woche später vermeldete der Challenge-League-Klub die leihweise Übernahme des Aussenverteidigers bis Ende dieser Saison.

Dabei schien es lange undenkbar, dass Lüchinger – als Einheimischer eine Identifikationsfigur – den FC St. Gallen verlässt. Nach etlichen Verletzungen hatte sich der Rheintaler immer wieder zurückgekämpft, im Sommer vor einem Jahr bekam er einen Vertrag bis 2025. Es war auch ein Zeichen der Wertschätzung für einen, der nie aufgegeben hatte. Als ihm in der vergangenen Saison gegen Sion ein Tor gelang, flossen auf dem Platz die Tränen. Doch dann zog er sich eine Schulterverletzung zu und litt während der Wintervorbereitung unter einer muskulären Verletzung. Nach der Genesung im März musste der 28-Jährige die starke Rückrunde des Teams von der Tribüne aus verfolgen. Auch im Cupfinal gegen Lugano gehörte er nicht dem Kader an. 

Der Vorfall im Testspiel gegen Thun

Die Vorbereitung auf die neue Meisterschaft bestritt Lüchinger dann «ohne körperliche Probleme», wie er sagt. «Doch dann habe ich je länger je mehr gemerkt, dass andere Spieler vor mir drankamen. Ich sah kaum mehr eine Chance, zum Zug zu kommen.» Doch Lüchinger fühlte sich noch zu gut in Form, als dass er sich mit der Reservistenrolle hätte abfinden wollen. Die Anfrage aus Thun kam da wie gerufen. Bald einmal sickerte über ein Internetportal aus Zug durch, dass es zuvor im Testspiel der St. Galler gegen die Berner Oberländer zu einem Vorfall gekommen war: Trainer Peter Zeidler wollte Lüchinger als Sechser einwechseln, was Lüchinger mit den Worten quittiert habe: «Ich bin Aussenverteidiger.» Zeidler beliess den Spieler schliesslich auf der Ersatzbank, nahm ihn dann aber nicht mit ans Testspiel gegen Monaco.

Sowohl Zeidler als auch Lüchinger bestätigten die Vorkommnisse, doch der Fussballer will sich nicht näher dazu äussern. Er sagt nur: «Ich telefoniere regelmässig mit dem Trainer.» Lüchinger, und daraus machte Zeidler nie ein Geheimnis, war einer seiner Lieblingsspieler. Sie beide verband auch die gemeinsame Zeit in Sitten. Unterdessen heisst Lüchingers neuer Coach Mauro Lustrinelli. Der Tessiner war früher Schweizer U21-Nationaltrainer. «Ich habe schon zuvor viel Gutes von ihm gehört. Er lässt wirklich einen coolen Fussball spielen», sagt der Oberrieter. Er lerne in Thun nochmals einiges dazu. Lustrinelli setzt auf Lüchinger, der Rheintaler ist Stammspieler. Zehnmal gehörte er der Startformation an. Zwei Partien verpasste er wegen muskulärer Probleme, im darauffolgenden Spiel in Wil wurde er eingewechselt. Zuletzt lief es dem FC Thun aber nicht mehr rund: Nachdem das Team in neun Pflichtspielen in Folge unbesiegt geblieben war, verlor es die vergangenen drei Partien allesamt. Thun ist vor der heutigen Partie bei Xamax auf den achten Rang abgerutscht.

Nicolas Lüchinger will Trainer werden

Lüchinger, der in die Berner Altstadt gezogen ist, hat sich eingelebt in der Challenge League. Das Niveau sei gut, die Liga sehr ausgeglichen. Natürlich gab es vor dem Wechsel auch die Gedanken an die Gesundheit und die Frage, wie die Knie nach einem halben Jahr ohne Spielpraxis auf die Belastung auf dem Kunstrasen reagieren würden. In der Challenge League verfügen mehr als die Hälfte der Stadien über eine künstliche Unterlage. Doch bislang tut sich Lüchinger nicht schwer damit. «Der Körper kann sich daran gewöhnen», sagt der Verteidiger, der während seiner langen verletzungsbedingten Abwesenheiten eine Ausbildung zum Ernährungsberater absolviert hat. Auch die Trainerausbildung will er forcieren. Lüchinger hat das Uefa-C-Diplom in der Tasche.

Bevor er St. Gallen verliess, war er Übungsleiter der U13 bei Future Champs Ostschweiz. Als klar war, dass Lüchinger St. Gallen verlässt, sagte Zeidler: «Ich kann mir gut vorstellen, dass Nicolas irgendwann dem Trainerstab des FC St. Gallen angehören wird.» Der Spieler selber sagt: «Das wäre natürlich ein Traum. Ich will Trainer sein. Irgendwann.» Vorerst aber will Lüchinger noch spielen. Er hat lange genug darauf verzichten müssen.


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