Das Vorhaben ist bekannt, das Baugesuch pendent: Die Mauer beim Altstätter Zentrum für Geschichte und Kultur soll verlängert und erhöht werden. Von der Obergasse her wird sich das Areal nur durch ein verschliessbares Tor betreten lassen. Die Höhe der sonst künftig durchgehenden Mauer wird hier mit knapp 1,50 Meter am geringsten sein.Offener Platz hätte entstehen sollenGegner der Mauer, allen voran der ehemalige Buch- und Schreibwarenhändler Hans-Peter Enderli und einige Ladenbesitzer aus der Obergasse, berufen sich auf frühere Aussagen, mit denen der Bevölkerung ein offener Platz in Aussicht gestellt worden sei. Generell war von weniger, nicht von mehr Mauer die Rede.Werner Ritter, der den Museumsverein präsidiert, widerspricht dem nicht. Im Gegenteil: Im ersten, vor zwei Jahren eingereichten Baugesuch sei dieser Absicht Rechnung getragen worden und der Abbruch eines Teils der Mauer vorgesehen gewesen. Nicht die Museumsgesellschaft, sondern Ortsbildkommission und kantonale Denkmalpflege hätten das Vorhaben vereitelt. Daraufhin sei für den Umbau des Gebäudes ein separates Gesuch eingereicht und für die Erarbeitung eines zweiten Gesuchs für das Areal ein anerkannter Gartenbauplaner beigezogen worden.Emotionen gingen bei der Verhandlung hochAn einer Einsprache- und Einigungsverhandlung vor wenigen Wochen gingen offenbar die Emotionen hoch, wie von verschiedener Seite bestätigt wird. Die Gegner des Aussengestaltungsprojekts stellten sich auf den Standpunkt, mit mehr Mauer werde klar ein Versprechen gebrochen. Diese Sicht war mit dem Vorwurf der Lüge verbunden, was den Museumspräsidenten, wie dieser bestätigt, laut werden liess.Dass nicht die Museumsgesellschaft es war, die Lust auf mehr (statt weniger) Mauer hatte, ist dem Protokoll zu einer Sitzung der Ortsbildkommission vom 23. Oktober 2018 zu entnehmen, an der auch die kantonale Denkmalpflege vertreten war. In diesem Protokoll ist festgehalten: «Der Abbruch der Einfriedung (Umfassungsmauer) auf der Nordostseite ist für die Ortsbildkommission undenkbar und nicht bewilligungsfähig. Die räumliche Geschlossenheit der Gartenanlage ginge mit einem Abbruch vollständig verloren.» Die Kommission lehnte daher einen «Abbruch kategorisch ab».«Erhöhung der Mauer zwingend und sinnvoll»Ein gutes Jahr später, an einer weiteren Sitzung der Ortsbildkommission vom 10. Dezember 2019, drückte diese ihre Zufriedenheit mit der nun vorgesehenen Mauer aus. Im Protokoll heisst es, die Kommission finde «die Erhöhung der Mauer gemäss historischen Vorlagen zwingend und sinnvoll».Das Tor ist nach wie vor ein ThemaDer Stadtrat, der als erste Einspracheinstanz einen Entscheid zu fällen hat, äusserte sich gemäss Sitzungsprotokoll vom 15. April 2019 skeptisch über die Mauer. Jedenfalls gab er klar zu verstehen, dass er den Durchgang zur Gerbergasse wichtig findet und sprach sich dafür aus, die «angedachte und abgelehnte Öffnung der Einfriedung (Umfassungsmauer) auf der Nordseite (gegen die Obergasse) erneut zu diskutieren».Ein anderer Aspekt, der die Einsprecher und einen Teil der Bevölkerung beschäftigt, betrifft den Durchgang zur Gerbergasse, der in einen Innenraum verwandelt wird. Nach Ansicht Enderlis liesse sich dieser Raum – zum Beispiel mit Schiebetüren – technisch gewiss so gestalten, dass der Raum auch künftig als direkte Verbindung zwischen Obergasse und Gerbergasse dienen könnte. Darüber, wie sinnvoll und praktikabel eine solche Lösung ist, lässt sich streiten. Ein endgültiger Entscheid ist noch nicht gefallen.Kommentar:Doppelter Schock: angeblich wertloses Loch, angeblich wichtige MauerWas es heisst, einen grossen Schritt nach vorn zu tun, hat in den letzten Jahren das Altstätter Museum eindrücklich gezeigt. Es hat sich selbst entstaubt und uns verblüfft. Die Ausstellungen der letzten Jahre waren allesamt originell, vergnüglich und informativ. Sie waren aufwendig und professionell gemacht. Sowohl der Museumsverein als auch das ins Gebäude einziehende Diogenes-Theater haben ein modernes Zuhause verdient. Deshalb hat die Bevölkerung das 8-Mio-Projekt genehmigt. Trotz eines Nachteils, der viele stört und der nur zähneknirschend hingenommen wurde: Der stadttorähnliche Durchgang zur Gerbergasse musste verschwinden.Ortsbildkommission und Denkmalpflege hatten keine Mühe mit der Umnutzung des beliebten Tors. Es soll ja, so wird argumentiert, kein Stadttor gewesen, sondern erst um 1900 für die damalige Brauerei entstanden sein. Ein historisch wertloses Loch also, etwas salopp ausgedrückt.Im Gegenzug sollte die Bevölkerung ein schönes, offen gestaltetes Areal bekommen, ein schon von Weitem einladendes Zentrum für Geschichte und Kultur. Jedenfalls hatte der Museumsverein dies in Aussicht gestellt. Es war geplant, die Mauer hinter dem Brunnen durch zwei langgezogene Treppenstufen zu ersetzen, die Anziehungskraft des Prestegg-Gebäudes zu verstärken und die breite Öffentlichkeit noch gezielter mit der historischen Schönheit vertraut zu machen.Doch die Denkmalschützer meinten, eine solche Öffnung komme nicht in Frage. Auf historische Gegebenheiten sei Rücksicht zu nehmen, die Mauer also nicht teilweise abzubrechen, sondern im Gegenteil zu verlängern und sogar noch zu erhöhen. So entstehe nämlich ein Innenhof, wie er im 18. Jahrhundert bestanden habe. (Von den reichen Menschen, die der Innenhof gewiss entzückte, hielt das Mauerwerk den Pöbel fern.)Teilt die heutige Öffentlichkeit die barocke Auffassung der Denkmalbegeisterten? Kümmert es diese, was Laien denken? Der Museumsumbau ist bewilligt, und der neu entstehende, von Mauern umschlossene Innenhof samt Barockgarten «bewahrt etwas Intimes, das entdeckt werden will», bekommen wir versichert. Wir historisch weniger gebildeten, von Alltagstauglichkeit geprägten Menschen bedürfen wissenschaftlicher Belehrung, um uns einzureden, dass nichts besser ist als noch ein bisschen mehr Museumsmauer. Aber sie und der geplante Innenhof sind Ausdruck einer einstigen Gesellschaft, die mit unserer in keiner Weise zu vergleichen ist.Das «Intime» innerhalb der Mauern, das uns angepriesen wird, entdecken wir gewiss sehr bald, die Mauer aber wird auch nachher immer noch vorhanden sein. Statt niederschwellig ins Museumsinnere zu locken, wird der Ruch des Elitären mauerdick und unverrückbar zementiert.Die Denkmalpflege sollte sich damit begnügen, das Schöne, Wertvolle von früher zu bewahren und zu unterhalten. Nicht die Aufgabe der Denkmalpflege sollte es sein, unsere Gegenwart und Umgebung mit altertümlichem Ballast vollzustopfen, der die Stimmung drückt. Sie sollte dies schon gar nicht tun, wenn vom herbeigeschleppten Ballast statt einer verbindenden Kraft eine trennende Wirkung ausgeht.Die Bedürfnisse ändern sich mit den Jahrhunderten und den Jahrzehnten. Das sah man auch vor 50 Jahren. Damals wurde ein Teil der Museumsmauer (ohne Widerstand) zurückgebaut und entstand neben dem Lusthäuschen ein Eingang. Aber 50 Jahre zählen für die Denkmalschützer nichts. Auch 120 Jahre waren nicht genug, als dass das schöne, vielbenützte Durchgangstor zur Gerbergasse Schutz genossen hätte.Das Museum hat sich stark verändert. Sein Konzept ist völlig neu. Es strotzt nur so vor Offenheit. Wie schön es wäre, liesse diese Offenheit sich schon von aussen klar erkennen!Gert Bruderer