01.09.2019

Nicht jeder Erfolg muss glänzen

Jolanda Neff gewinnt an der WM Silber. Sie hatte Gold gewollt, die Medaille spricht aber für ihre Entwicklung.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Im SRF-Interview nach dem Rennen präsentiert sich Mountainbikerin Jolanda Neff zufrieden. Sie hob hervor, dass sie Silber zurückerobert hatte: «Während des Rennens hatte ich das nicht geglaubt.» Sie habe sich von Anfang an nicht gut gefühlt.So oft wie die 26-jährige Thalerin betonte, wie schön die Medaille sei, konnte der Eindruck entstehen, sie müsse sich selbst noch vom Erfolg überzeugen.Sie war in Mont Sainte-Anne mit dem Ziel angetreten, die Goldmedaille zu gewinnen, die zweite nach 2017. Es war indes Pauline Ferrand-Prévot aus Frankreich, die zum zweiten Mal (nach 2015) das Regenbogentrikot gewann. Und das auf Jolanda Neffs Lieblingsstrecke, auf der sie drei ihrer zwölf Weltcupsiege im Cross Country errang.Traum vom WM-Titel auf der LieblingsstreckeAuf der ältesten Strecke im Weltcup, die überdies als die anspruchsvollste gilt, wurde Jolanda Neff Zweite, wie schon vier Mal in dieser Weltcupsaison.Zu Beginn des Jahres war Kate Courtney schneller als Neff, die US-Amerikanerin hatte sie am Samstag im Griff (5. Platz). Auch andere Saisonsiegerinnen wie Anne Terpstra (4.) und Jenny Rissveds (16.) blieben zurück. Aber Ferrand-Prévot, die in den letzten zwei Weltcups die Beste war, hatte die Nase auch diesmal vorn.Die Silbermedaille ist für Jolanda Neff dennoch ein Erfolg. Sie hat an Weltmeisterschaften seit dem Juniorinnenalter im Cross Country entweder Gold (vier Mal) oder gar nichts gewonnen. An ihrer allerersten WM in Mont Sainte-Anne fiel Neff vom Podest, nachdem sie in Führung liegend einen Kreislaufkollaps erlitt. U19-Weltmeisterin damals: Pauline Ferrand-Prévot.Die Geschichten von Jolanda Neffs vierten WM-Plätzen sind unterschiedlich. Es schien aber manchmal so, dass Neff innerlich resignierte, wenn Gold nicht mehr möglich war. Diese Befürchtung kam kurz auf, als Neff in der vierten Runde von Ferrand-Prévot nach der Einholung stehen gelassen wurde. Aber diesmal konnte Jolanda Neff ab der fünften von sechs Runden wieder aufdrehen. So lief sie letztlich nicht Gefahr, die Medaille zu verlieren – im Gegenteil: Neff kam der überraschenden Australierin Rebecca Mc Connell immer näher und überholte die spätere Dritte im letzten Umgang schliesslich noch.Es ist ein Rennverlauf, wie er diese Saison oft vorkam: Jolanda Neff gerät in ein Tief, kämpft sich wieder zurück, kommt nach vorn – nur nicht mehr ganz nach vorne.Dank Konstanz auf dem Weg zum GesamtsiegSie ist aber im Feld, in dem etwa zwei Handvoll Fahrerinnen im Weltcup siegen können, die einzige, die immer an der Spitze fährt. Jolanda Neff ist inzwischen das Gegenteil der Alles-oder-Nichts-Fahrerin, als die sie oft bezeichnet wurde. Ihre Erfolge dieser Saison sind beachtlich, sie treten verlässlicher ein als früher, aber sie glänzen nicht mehr.Die Silbermedaille bringt aber Abwechslung in ihren Medaillenschrank.Sieglos beendet Neff das Jahr ja nicht: Sie wurde europäische und schweizerische Meisterin, sie siegte im Swiss Cup und auch zweimal in einem Weltcup-Short-Race. Deshalb und vor allem wegen der vier zweiten Plätze im Cross Country ist Jolanda Neff auf dem Weg zu einem wieder glanzvollen Erfolg: Ihrem vierten Sieg im Gesamtweltcup. 27Yves Solenthaler

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