28.10.2019

Nicht gegen die Natur arbeiten

Ist es möglich, Lebens- und Futtermittel sozial- und umweltverträglich zu produzieren? Das wollen Kursteilnehmer in Lüchingen herausfinden.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin SchmidDie Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Heute verfügen die zwei reichsten Schweizer mit 76 Milliarden mehr Vermögen als 1989 alle 100 Reichsten zusammen. Es braucht ein System, von dem alle profitieren; Mensch, Tier und Natur.Genau so ein System wird im Rheintal gefördert, geprüft und umgesetzt. Auf dem Hof Morgarot im Gebiet Boden oberhalb Lüchingens erhalten Interessierte eine Permakultur-Ausbildung. «Der Rheintaler» und die «Rheintalische Volkszeitung» waren vor Ort und suchten das Gespräch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.Im Einklang mit der UmweltLaut dem Bericht des Weltklimarats IPCC setzen Dürre und Starkregen infolge des Klimawandels Wäldern und Landwirtschaft schon jetzt stark zu. «Klimaschutz fängt beim Konsumverhalten an», sagt Manuela Schmid, Landwirtin, die ihren Boden nach permakulturellen Methoden bewirtschaftet. «Wir müssen nicht komplett auf Fleisch verzichten, aber weniger davon essen.»In den letzten Jahren haben sich die Vegetationsperioden verschoben, die Überdüngung der landwirtschaftlichen Flächen zugenommen. Die intensive Land- und Viehwirtschaft hat fast einen Viertel der von Menschen genutzten Landfläche verwüstet. «Nichts Tun macht alles schlimmer. Wir müssen aus diesem Teufelskreis ausbrechen», sagt die 40-Jährige. Vor allem Bürger reicher Nationen wür-den verschwenderisch leben. Es werde über Gebühr konsumiert, weshalb Regenwälder gerodet und für die Viehzucht umfunktioniert werden.Ohne Chemie und MonokulturEine Teilnehmerin, sie betreibt mit ihrem Mann einen Hof im Rheintal, sagt: «Die Natur muss nicht gedopt werden. Wir sind Partner, nicht Ausbeuter der Natur.» Monokulturen und übermässiger Einsatz von Pestiziden führen zur Auslaugung des Bodens und zur Zerstörung der Artenvielfalt. Der Verlust fruchtbarer Böden schmälert die Ernteerträge, was wiederum zu er-höhten Pestizideinsätzen führt: Ein Teufelskreis. «Wenn wir jetzt nicht handeln, steigen die Kosten ins Unermessliche. Die Wertschöpfung in der Natur entspricht immer der Wertschätzung der Natur», ist Manuela Schmid überzeugt.An den von ihr und ihrem Mann Marcel angebotenen Kursen zur Permakultur ermutigen sie die Teilnehmer, wieder mit und für die Natur statt dagegen zu arbeiten. Es sei möglich, rentabel und umweltverträglich Landwirtschaft zu betreiben. Dazu seien auch keine grossen Investitionen und Weiterbildungen nötig.«Es braucht vor allem Mut zur Veränderung», sagt Kursteilnehmerin Anja Reuter aus Appenzell, «aber langfristig bin ich von der Rentabilität der Permakultur überzeugt.» Noch gibt es keine Studien über ökonomische Aspekte der Permakultur in der Schweiz. Erste Erfolgsmeldungen stammen von Bec Hellouin aus Frankreich sowie von Ernst Götsch aus Brasilien.Weder Spinner noch Propheten«Der Einsatz bewährter Methoden, um Bodendegradation zu stoppen und umzukehren, ist nicht nötig. Nicht nur, um Ernährungssicherheit zu haben, den Klimawandel zu reduzieren und die Artenvielfalt zu bewahren, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht ist das vernünftig und dringlich», sagt Manuela Schmid. Alle Methoden, die im Einklang mit der Tier- und Pflanzenwelt stehen, hätten Zukunft.Bis 1900 trieben in westlichen Ländern kleine Betriebe Landwirtschaft hauptsächlich als Mischkultur, bevor sie von spezialisierten Handels- und Produktionsbetrieben, die auf weiten Anbauflächen leistungsfähige Landmaschinen, synthetische Dünger und Pestizide einsetzten, abgelöst wurden.Statt Herbizide, Insektizide und Fungizide für die Unkrautvernichtung, die Insektenbekämpfung und den Pflanzenschutz zu nutzen, zielen moderne Methoden darauf ab, dass Pflanzen Mischgesellschaften bilden, Stoffwechselprodukte füreinander produzieren und mit der Zeit immer komplexere Ökosysteme bilden, die fruchtbarere Böden hinterlassen.«Wir wollen die herkömmliche Landwirtschaft nicht abwerten, sondern Alternativen zeigen», sagt ein Landwirt aus Eggersriet. Sie seien weder Spinner noch Propheten und auch kei-ne Naturschutzfreaks, sondern Menschen, die sich nicht selber belügen wollen. Getreu den Worten Gandhis: «Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt».Oder wie Kursteilnehmerin Rebecca Waser aus Cazis sagt: «Ich strebte ständig nach Reichtum. Seit ich permakulturelle Methoden anwende, bin ich es. Reich an Erfahrungen, an zwischenmenschlichen Beziehungen und sinnstiftenden guten Aufgaben.» Manuela Schmid ist sich sicher, dass die Werte und Ideale der Permakultur dazu beitragen, dass sich die Kluft zwischen arm und reich verringert und allen Lebewesen ein Leben in Würde ermöglicht.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.