Einen symbolischen Schlüssel in Form eines Sonntagszopfs durften die Willis an der offiziellen Übergabe vom Samstag schon in Empfang nehmen. «Den essen wir dann zum Zmorge» freut sich der elfjährige Ilay Willi. Im Juli, in den Schulferien, wird die sechsköpfige Familie ihre Zelte in Flums endgültig abbrechen und in Diepoldsau auf dem Tratthof der Ortsgemeinde Wohnsitz nehmen. Das komplett sanierte Wohnhaus ist nun technisch auf dem neuesten Stand und bietet genügend Platz für die junge Familie. Alles steht bereit für den Einzug. Vater Ewald Willi, der als neuer Pächter den Hof bereits Anfang Jahr übernommen hat und seither dort arbeitet, freut sich auf den Umzug. «Das Hin- und Herpendeln ist vor allem deshalb gut machbar, weil ich Freude an der Arbeit habe. Es zehrt jedoch an den Kräften», sagt er und fährt fort: «Ich freue mich, dass ich ab Juli meine Frau Deborah an meiner Seite habe und wir unsere Kräfte wieder vereint haben.»Bauernhof-Spielgruppe ins Leben gerufenDer Umzug sei ein «wackerer Brocken für die Familie. Aber ein schöner.» Ewald Willi ist ausgebildeter Landwirt und bewirtschaftete mit seinem Zwillingsbruder den väterlichen Hof in Mels. Schon länger war er auf der Suche nach einem eigenen Hof. Auf gut Glück bewarb er sich, als er auf das Inserat der Ortsgemeinde Diepoldsau stiess. Chancen rechnete er sich kaum aus. Umso grösser war die Freude, als die definitive Zusage kam. «Der Tratthof hat einen schönen Umschwung, es ist eine schöne Gegend und die Diepoldsauer sind ein nettes, offenes Volk», sagt Willi. Auf dem Hof könne sowohl er mit dem Milchwirtschaftsbetrieb seinen Traum ausleben als auch seine Frau.
Die gelernte Kindergärtnerin führte in Flums seit einigen Jahren einen eigenen Kindergarten. Deshalb soll auf dem Tratthof ab August eine Bauernhof-Spielgruppe für Kinder ab drei Jahre entstehen. «Bis jetzt haben sich schon neun Kinder angemeldet», freut sich Deborah Willi. Ziel ist es, den Kindern das Leben auf einem Bauernhof näherzubringen und die vier Jahreszeiten in der Natur zu erleben. Nebst den Kühen sollen bald weitere Tiere wie Ponys, Geissen, Esel und Hasen folgen, welche die Kids besuchen und füttern können. Auf dem neu entstandenen Spielplatz können sich die Kinder austoben. Vorstellen kann sich Deborah Willi auch einen kleinen Hofladen mit Eiern vom Hof, Selbstgemachtem und Selbstgebasteltem. «Zuerst will ich jetzt aber ankommen», sagt sie. Bereit für den Umzug sind auch die vier Kinder: Silas (14), Ilay (11), Levio (9) und Salome (6). «Ich freue mich sehr auf das neue Haus und die Schulkollegen», sagt Silas Willi. Ausserdem wollen sich die Kinder, die unterschiedliche Instrumente spielen, dem Jugendkorps des Musikvereins Diepoldsau-Schmitter anschliessen. In ein zukunftsfähiges Wohnhaus investiertEwald und Deborah Willi treten die Nachfolge von Peter und Theres Kuster an, welche den Hof Ende der 80er-Jahre von Kusters Vater übernommen haben. Im Dezember letzten Jahres ging das Ehepaar in Pension, und die Ortsgemeinde Diepoldsau wählte aus rund 15 Bewerbungen die Willis als neues Pächterpaar aus. Den Pächterwechsel hat die Ortsgemeinde zum Anlass genommen und das in die Jahre gekommene Wohnhaus saniert. Abgesehen vom Einbau neuer Fenster und dem Ersatz der Heizung waren seit 28 Jahren keine Investitionen getätigt worden. Tratthof jetzt mit zentraler Wasserversorgung«Das Haus entsprach nicht mehr den heutigen Wohnstandards», sagt Beat Hutter, Präsident des Ortsverwaltungsrats. Anfang Januar begannen die Sanierungsarbeiten. Neue Sanitär- und Elektroanlagen und eine neue Küche wurden eingebaut. Die Ölheizung wurde durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe ersetzt und damit einhergehend die Bausubstanz aus den 1960er-Jahren energetisch saniert. Die Sanierungskosten belaufen sich auf rund 600 000 Franken. Als letzter Bauernhof auf dem Gemeindegebiet wurde der Tratthof zudem an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen. Dies wurde von der Gemeinde Diepoldsau finanziert. «Es ist kein alltägliches Vorhaben für unsere Ortsgemeinde», sagte Ortsgemeindepräsident Hutter bei der Eröffnung für geladene Gäste am Samstag. «Deshalb können wir nur alle 25 Jahre zu einem Apéro einladen», so Hutter, und erntete viele Lacher. Im Anschluss hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, das Haus und die neuen Bewohner besser kennenzulernen. Die Familie stellte für die Zukunft klar: «Bei uns ist man jederzeit herzlich willkommen.»