16.05.2021

Nein zum Budget ist nichts Neues

St. Margrethen hat im April das Budget abgelehnt. Auch in Altstätten gab es das – im April 1998.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Wie in St.Margrethen war der vorgesehene Steuerfuss einem Grossteil der Bürgerinnen und Bürger nicht genehm. Es ging um eine Erhöhung um zehn auf neu 160 Prozent, ausserdem um die Unterstellung unter den kantonalen Finanzausgleich und somit um mehr finanzielle Abhängigkeit.Es war eine aufgeladene Debatte, viele Leserbriefe waren scharf verfasst und gingen mit dem Gemeinderat teilweise hart ins Gericht.GPK stand voll und ganz hinter GemeinderatAbgelehnt wurde das Budget am 6. April an der Bürgerversammlung. 108 der Stimmberechtigten enthielten sich der Stimme, 418 sagten Nein, 354 Ja.Der Gemeinderat erarbeitete daraufhin einen ergänzenden Bericht über mögliches Sparpotenzial – für die ausserordentliche Bürgerversammlung vom 4. Mai. Dort sollte ein zweites Mal über das Budget abgestimmt werden.Der «Rheintaler» berichtete ausführlich über das Thema, allerdings ohne über einen neuen Vorschlag des Gemeinderats berichten zu können. Denn dieser kam zum Schluss, das abgelehnte Budget sei richtig. Dies gab der damalige Gemeindammann Josef Signer an einer Medienorientierung bekannt, die im Hinblick auf die ausserordentliche Bürgerversammlung anberaumt worden war.Josef Signer hatte die Unterstützung der Geschäftsprüfungskommission. Deren Präsident Jean-Pierre Villomet sagte, die GPK hätte einen Gegenantrag eingebracht, hätte der Gemeinderat an der ausserordentlichen Bürgerversammlung ein anderes Budget vorlegen wollen. Die Bürgerschaft bekam demnach beschieden: Die Erwartung nach einem neuen, völlig anderen Budget lasse sich nicht erfüllen.«Fair und solidarisch sein» statt sparenZum Sparen blieben bestenfalls die nicht gebundenen Ausgaben. Am Finanzbedarf der Schulen (103 der 160 Steuerprozent) war nicht zu rütteln. Aufgelistet waren letztlich 23 Positionen. Vom Verzicht auf einen Internetanschluss (10000 Franken) bis zur Reduktion der Defizitgarantie fürs Verkehrsbüro (20000 Franken) war die Rede. Grösster Einzelposten: 100000 Franken bei einem Verzicht auf Belagserneuerungen.Die Einsparmöglichkeiten wurden keineswegs in der Absicht erwähnt, sie zu nutzen. Vielmehr ging es dem Gemeinderat darum, der Bürgerschaft die Konsequenzen der aufgelisteten Sparmassnahmen vor Augen zu führen. Es wurde gebeten: «Im Sinne der Solidarität, Ausgewogenheit und Fairness» sei von diesen Einsparungen abzusehen.Reduzierte Abschreibungen wären auch keine wirkliche Lösung gewesen, so wäre nur die Rückzahlung von Schulden aufgeschoben bzw. der Schuldenberg erhöht worden. Und wer möchte schon die Infrastruktur einer Gemeinde vernachlässigen?SVP hatte mit ihrem Antrag keine ChanceDie ausserordentliche Bürgerversammlung verlief überaus hitzig. Zwölf Redner meldeten sich zu Wort, und Probleme mit dem Abstimmungsmodus zogen die Sache ebenfalls in die Länge. Hart kritisierte der später langjährige A-plus-Präsident Markus Rohner den Gemeinderat. Er warf ihm «undemokratisches Verhalten» vor. Wie der Rat mit der Bürgerschaft umspringe, sei schlechter politischer Stil.Rohner votierte wieder für Rückweisung des Budgets. Nur so lerne der Rat, sich nach der Decke zu strecken. Wie jüngst in St. Margrethen machte die SVP auf Widerstand, indem sie einen Antrag einbrachte: Es sei ein neues Budget, basierend auf den Zahlen aus dem Vorjahr, vorzulegen.Der frühere (nicht mehr lebende) CVP-Kantonsrat Paul Thür bezeichnete Budgettransfers als gesetzlich unzulässig und meinte, sie würden ein Chaos anrichten; ausserdem überschritte der Gemeinderat die Kompetenzen.Thür half dem Rat – und kritisierte ihnDas Abstimmungsergebnis liess den Gemeinderat aufatmen. Zuerst wurde der SVP-Antrag sehr deutlich verworfen, danach stimmten 511 Stimmberechtigte dem Budget zu, «nur» noch 386 der Anwesenden lehnten es ab. Paul Thür hatte sich für das Budget eingesetzt, kritisierte aber den Rat zumindest indirekt, indem er meinte: Der Schritt in den Finanzausgleich «hätte angesichts der Gemeindestruktur schon viel früher erfolgen müssen». Es sei illusorisch, zu glauben, Altstätten werde je eine steuergünstige Gemeinde.Die Lust auf Sparen blieb bestehen. Fast einstimmig wurde dem Rat der Auftrag erteilt, einen Bericht über die Bildung einer Einheitsgemeinde oder Einheitsschulgemeinde vorzulegen.Als es ein Jahrzehnt später in Lüchingen darum ging, die eigene Schulgemeinde aufzugeben, plädierte der Lüchinger Paul Thür sehr engagiert dafür, doch diesmal blieb ihm der Erfolg verwehrt: Eine klare Mehrheit wollte eigenständig bleiben.

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