An den 1.-August-Reden landauf, landab werden bekanntlich gewisse Stichworte immer wieder verwendet. Ohne dass ich überall dabei war, wage ich zu sagen, dass einer dieser Begriffe «Miteinander» war. Sicher nicht der häufigste, aber immerhin.
Tatsächlich war und ist das Miteinander für unsere Eidgenossenschaft seit ihren Anfängen immer wieder ein wesentlicher Faktor. Bereits der Name Eidgenossenschaft bringt das zum Ausdruck. Das Miteinander und Füreinander im Bewusstsein aller Unterschiede, das Miteinander im Kampf gegen die umgebenden feindlichen Grossmächte, das Miteinander der unterschiedlich geprägten Kantone, das Miteinander der Konfessionen und Religionen, das Miteinander von Jung und Alt, von Mann und Frau, Arm und Reich, von Städtern und Berglern, von Konservativen und Fortschrittlichen, von alteingesessenen Einheimischen und zugezogenen künftigen Einheimischen, von …
Auch wenn dieses Miteinander in einer multikulturellen Gesellschaft wie der heutigen Schweiz beim besten Willen nicht immer einfach ist, so ist es dennoch unabdingbar.
Zwei Gedankenanstösse dazu...
Erstens: Wenn wir gemeinsam am gleichen Strick in die gleiche Richtung ziehen, so verstärken wir unsere Kräfte und unsere Effizienz. Am Beispiel von Pferden kann man das eindrücklich illustrieren. Ein einzelnes Pferd kann eine Last von 500 Kilogramm ziehen. Zwei Pferde zusammen schaffen 1500 Kilogramm. Und drei Pferde bewegen 3000 Kilogramm. Während sich die Zahl der Pferde addiert, vervielfacht sich die Summe des gezogenen Gewichts. Eine Gemeinschaft ist und bewirkt deutlich mehr als die Summe ihrer Einzelmitglieder.
Zweitens: Wenn wir nicht nur egoistisch das eigene Wohl oder das unserer Gruppe im Blickfeld haben, sondern das von allen, dann profitieren alle, dann geht es allen besser. Auch dazu ein Beispiel: Rund 800 Millionen Menschen auf dieser Welt leiden an Unterernährung. Das ist tragisch.
Würden wir mehr aufeinander schauen, wäre vieles besser
Und es ist gerade auch deshalb tragisch, weil es insgesamt mehr als genug Nahrungsmittel für alle gäbe. Weil aber ein Teil der Menschheit zuerst einmal um seinen eigenen Luxus auf dem Teller bedacht ist, schaut ein anderer Teil der Menschheit in leere Töpfe. Hätten wir alle ein Miteinander im Blickfeld, müsste das nicht sein – und alle hätten genug.
Was kann ich also tun? Bei jeder einzelnen Entscheidung, die ich tagein, tagaus in allen möglichen Situationen treffe, habe ich jedes Mal die Wahl: Treffe ich eine Entscheidung, die zu mehr Gegeneinander, zu mehr Nebeneinander oder zu mehr Füreinander und Miteinander führt?
Marcel Wildi,
Pfarrer in Widnau