16.05.2018

Nachfahre besucht Gedenkfeier

Am 16. Mai 1848 lag das Dorfzentrum in Schutt und Asche. Zum Gedenken an die Brandkatastrophe war Abt Urban Federer zu Gast. Der Ur-Ur-Ur-Enkel von Johann Georg Federer sprach über das Scheitern.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Monika von der LindenAls hätte das Wetter etwas wiedergutmachen wollen, regnete es am Dienstag kräftig. Das fünfzehnminutige Läuten der zehn Glocken erinnerte an die Nacht auf den 16. Mai 1848, vor exakt 170 Jahren, als sich eine Feuerbrunst durch den Dorfkern Bernecks frass.Stille in der Mehrzweckhalle Bünt. Nur das Läuten der Glocken war zu hören. Nachdem es verklungen war, schilderte Gemeindepräsident Bruno Seelos das Geschehen am Unglückstag: Auf dem Lindenplatz stand die Scheune von Johann Georg Federer. 14 Tage lang hatte der Föhn die Schindeln ausgetrocknet. Sie waren die erste Nahrung des Dorfbrandes. Ein Passant bemerkte das Feuer, rettete zwei Menschen aus dem Haus und schlug Alarm. Das Feuer erfasste den Dorfkern. Wer Hände frei hatte, griff zum Wasserkübel. 36 Spritzen waren im Einsatz. Die Flammen waren bis St. Gallen zu sehen. Bald waren 120 Häuser niedergebrannt und 70 Familien hatten kein Obdach mehr.Auch Johann Georg Federer verlor sein Zuhause. Und sein Ansehen im Dorf. Er zog nach Rorschach zu Verwandten.Der Dorfbrand bedeutete den sozialen TodAuf der Fahrt von Einsiedeln nach Berneck dachte Abt Urban Federer an seine Familie. Als Redner der Gedenkfeier war er konfrontiert mit einem ihm unbekannten Vorfahren. Johann Georg Federer war sein Ur-Ur-Ur-Grossvater. «Ich bin nicht mit einem schlechten Gewissen gekommen», sagte er. Sein Vorfahre scheiterte. Das war sein sozialer Tod. Er musste wegziehen.«Scheitern gehört zum Mensch sein, scheitern ist normal», sagte Urban Federer. Als Abt des Klosters Einsiedeln ist er der Chef der Gemeinschaft. Er setzt das Leitbild des Ordens durch. Die Mönchsregeln aufgeschrieben hatte Ordensgründer Benedikt von Nursia im sechsten Jahrhundert. Über das Scheitern schrieb er: «Ich will nicht, dass ein Mensch blossgestellt wird, wenn er etwas falsch gemacht hat.» Hatte damals ein Mönch verschlafen und seine Mitbrüder nicht geweckt, verschlief die Gemeinschaft die Gebetszeit. Benedikt verlangte, ihn nicht zu blamieren: «Kürzt das Gebet, aber kürzt nie das mitmenschliche Zusammensein.»«Viele Menschen in der Wirtschaft schämen sich für ihr Scheitern. Manche verdrängen es oder schieben es auf andere», sagte Urban Federer. Wer sein Scheitern akzeptiere, könne auch wieder aufstehen und neu anfangen. Dazu brauche es aber auch Menschen, die einen Neuanfang zuliessen.So war es auch vor 170 Jahren in Berneck. Das Dorf bekam einen schönen Dorfkern und eine neue, moderne Verordnung. «Vielleicht hat auch der Gemeinderat etwas gelernt», meinte der Abt. Als ein Jahr nach dem Dorfbrand die Glocken zum Gedenken läuteten, war es ein «trockenes Läuten». Es durfte kein Alkohol getrunken werden. «Heute könnte es ja sein, dass wir nachher miteinander anstossen können», sagte der Abt.Mehr Bilder vom Gedenkanlass und der Ausstellung zum Dorfbrand gibt es auf rheintaler.ch unter Bilderstrecken. Die Ausstellung kann heute Mittwoch, 16. Mai, von 17 bis 21 Uhr im Pfarrsaal angeschaut werden.

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