09.03.2022

Nachdem sie bei Quizshow abräumte: «Z’erscht tänkt, i chauf nomol e Chue»

Vivienne Oggier ist die neue Leiterin der kantonalen Fachstelle für Bienenhaltung. Im April des letzten Jahres hat sie bei «1 gegen 100» eine ansehnliche Summe gewonnen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Die 24-Jährige redet schnell, drückt sich präzise aus, sprüht vor Begeisterung.Den Master in Agrarwissenschaften hat sie letztes Jahr an der ETH Zürich gemacht, den ersten eigenen Honig erntete sie im Jahr davor, acht Kilo knapp. Sie ist in Reute aufgewachsen, besuchte in Heerbrugg die Kanti, hat in den letzten drei Jahren viel Zeit in Marbach bei ihrem Freund Hannes Dietsche verbracht und vertieft seit dessen Umzug nach Kriessern die Beziehung zu diesem Dorf. Bereits seit einem Jahr gehört sie dem KTV Kriessern an. Hannes Dietsche beabsichtigt, nächstes Jahr den elterlichen Bauernhof zu übernehmen. Schon jetzt hilft Vivienne Oggier (Aussprache: Oschie) gern im Stall. Sie hat selbst eine Kuh sowie ein Kalb, Isabelle und Isolde.Verlorene Wette war grosses GlückVivienne Oggiers Pensum zugunsten der Bienenhaltung am Landwirtschaftlichen Zentrum in Salez beträgt 10 Prozent, das Hauptpensum von 90 Prozent gilt der Mitarbeit bei zwei kantonalen Fachstellen (Gemüsebau und Pflanzenschutz). «Der Austausch zwischen Imkerschaft und Landwirtschaft ist wichtig», sagt sie gleich.Wer beim Betrachten ihres Fotos das Gefühl hat, ein vertrautes Gesicht zu sehen, hat vielleicht am 12. April 2021 die SRF-Quizsendung «1 gegen 100» mitverfolgt. Vivienne Oggier gewann in dieser Sendung 22500 Franken und antwortete auf die Frage, was sie mit ihrem Gewinn anfangen werde, sie habe «z’erscht tänkt, i chauf nomol e Chue, aber da gäb meh als eini.» Tatsächlich hat sie vor, das Geld in ein GPS-System für einen zweiten Traktor zu stecken.Ihren Auftritt und Gewinn bei «1 gegen 100» verdankt sie einer Wette mit ihrem damaligen WG-Partner. Wer verlor, musste sich für die Quizsendung bewerben. Der Gewinner der Wette wurde nach dem TV-Erfolg der Verliererin von ihr zum Essen in die «Habsburg» eingeladen.Zur Imkerei fand die junge Erwachsene früh. Sie hatte gerade ihr Studienjahr in Australien angetreten, als sie nach zwei Monaten – wegen der Pandemie – in die Schweiz zurückkehren musste. Das war im März 2020.In der Pandemie ein neues Hobby gebrauchtSie hat «hier ein Hobby gebraucht», meint sie mit einem Lachen, und weil zufällig gerade ein Imkerei-Grundkurs begann, hat sie an diesem teilgenommen. Nach 19 Kurstagen erhielt sie im September ihr Diplom.Um selbst Bienenzüchterin zu werden, begab sich Vivienne Oggier in einen Laden für Imkereibedarf und Bienenprodukte in Au. Sie hörte einen Kunden sagen, dass ein Schwarm aus einem seiner Bienenvölker ein neues Zuhause benötige, worauf der Ladenbesitzer sogleich einhakte. Er meinte, das könnten die Bienen für Vivienne Oggier sein.Sie hat sich eingedeckt mit allem, was es braucht, und kam somit viel schneller als erhofft zu ihren ersten Bienen. Heute hat sie sieben Bienenkästen, also sieben Bienenvölker, die ihr im (sehr schlechten) Erntejahr 2021 etwa 15 Kilo Honig brachten. Vivienne Oggier denkt an fünfzehn bis zwanzig eigene Schwärme – die Behausungen sind schon vorhanden. Sie hat sie zusammen mit ihrem Vater, einem in Au tätigen Schreiner, gebaut. Die Expansion hat den Zweck, die nicht ganz tiefen Kosten für das Hobby möglichst mit genug Ertrag zu decken.Vivienne Oggier hat eine Magazinimkerei: einen mobilen Stand mit sieben Völkern in je einer künstlichen Nisthöhle, Magazinbeute genannt. Zumal sie expandieren möchte, ist es vorteilhaft, auf einem Bauernhof zu sein. Die Imkerei braucht nämlich Platz – für Utensilien, das Lager und die Bienen.Zehn Milliarden Menschen ernährenVivienne Oggier spielt Hackbrett und ist sportlich, mag Biken und Badminton und spielt im Verein Pesis Hirvet seit sechs Jahren finnisches Baseball in Heiden. Im letzten ETH-Jahr arbeitete sie im Rahmen eines Praktikums 20 Prozent für die Swiss Future Farm in Tänikon TG, wo sie an einem Smart-Farming- und Robotikprojekt mitwirken durfte.Gedanklich hat Vivienne Oggier ihre berufliche Richtung eingeschlagen, als die ETH an der Kanti Heerbrugg ihre Studiengänge vorstellte. Die globale Herausforderung, zehn Milliarden Menschen zu ernähren, habe sie als einer von vielen spannenden Aspekten fasziniert, sagt die Agrarwissenschaftlerin.Die Stelle am Landwirtschaftlichen Zentrum in Salez ist nach dem Studium die erste. Sie bewarb sich, dachte «chasch’s jo mol probiere». Ihr Chef ist noch bis Ende April der St. Margrether Rolf Künzler, der als Leiter des Ressorts Pflanzen und Markt sowie der Fachstelle Gemüsebau/Beeren das Pensionsalter erreicht hat.Zur Natur von klein auf starken BezugZu den Bienen wie zur Landwirtschaft hat Vivienne Oggier von klein auf einen Bezug. Mit den Eltern und ihren zwei jüngeren Brüdern war sie im ausserrhodischen Reute neben einem Bauernhof zu Hause, und im ebenfalls bewohnten Ortsteil Schachen hatte die Nachbarin Bienen. In der näheren Verwandtschaft hat es einen Bauern. Der Bruder der (aus dem luzernischen Kleinwangen stammenden) Mutter besitzt einen Hof. Indem die 24-Jährige nun selbst einem Bauernbetrieb stark verbunden ist, schliesst sich ein Kreis. Auch auf die Freude an den Bienen trifft das zu. Und so versteht es sich von selbst, dass – mittlerweile seit zwei Jahren – der Bienenzüchterverein Oberrheintal mit Vivienne Oggier ein neues Mitglied gewonnen hat.

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