An der Verhandlung am Kreisgericht St. Gallen erzählten der 56-jährige Österreicher und seine Schweizer Lebenspartnerin, was sich am 11. März 2017 zugetragen hatte. Über Monate seien sie von der Nachbarin tyrannisiert worden. Sie könnten es zwar nicht beweisen, doch sei die Frau für einen platten Pneu am Auto und für Manipulationen an der Waschmaschine verantwortlich.Als er am Tattag in die Wohnung seiner Lebenspartnerin an der Farbgutstrasse gekommen sei, sei es ihm sehr schlecht gegangen, betonte der Beschuldigte. Er habe seine Tochter an ihrem Geburtstag nicht sehen dürfen und habe deshalb Alkohol, zum ersten Mal Kokain und Medikamente gegen seine Depressionen konsumiert. Durch diesen Mix sei er völlig neben sich gestanden. Nach einem Spaziergang mit dem Hund beschloss er, bei der Nachbarin zu klingeln. Er habe gewollt, dass sie die Attacken gegen seine Partnerin und ihn zugebe und sage, was der Grund für die Bosheiten sei. Früher hätten sie ein gutes Verhältnis miteinander gehabt. Plötzlich habe sich dies geändert.«Etwas Böses» nachgerufenAuf seine Fragen habe die Nachbarin keine Antwort gegeben, erklärte der Beschuldigte weiter. Sie habe ihn dauernd nur ausgelacht. Als er die Wohnung habe verlassen wollen, habe sie ihm «etwas Böses» nachgerufen. Darauf habe er sie von hinten gepackt und ausgerufen, «sag endlich, warum du das machst». Laut Anklage würgte er die Frau. Er soll sie zu Boden gedrückt und ihr zeitweise Mund und Nase zugehalten haben. Er liess erst von ihr ab, als sie sich nicht mehr regte. Ihr Verlobter sei völlig aufgelöst in ihre Wohnung zurückgekehrt, erzählte die Lebenspartnerin. Er habe geweint und gesagt, er müsse nochmals zur Nachbarin und ihr helfen. Unterdessen hatte jemand aus der Nachbarschaft die Polizei alarmiert. Die Beamten fanden den Beschuldigten neben dem Opfer kniend.Der Staatsanwalt forderte für den Mann wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes eine Freiheitsstrafe von neun Jahren. Es gehe nicht darum, was das Opfer getan habe oder nicht. Nichts, was der Beschuldigte der Nachbarin vorwerfe, rechtfertige die Attacke auf das Leben der Frau. Vor dem Würgeangriff habe er sich Lederhandschuhe angezogen und ihr gesagt, sie werde nun sterben. Dies beweise, dass er mit Tötungsabsicht an der Türe geklingelt habe. Die Rechtsvertreterin des Opfers beantragte für ihre Mandantin eine Genugtuung von 20000 Franken. Sie leide unter Angststörungen und sei noch heute in psychiatrischer Behandlung.Verteidigung fordert FreispruchDie Verteidigerin forderte einen Freispruch vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung. Die erblindete Lebenspartnerin ihres Mandanten und die Nachbarin seien einst gute Freundinnen gewesen. Eines Tages sei der Kontakt abrupt abgebrochen. Grund sei Neid gewesen wegen der Beziehung, welche ihr Mandant und die erblindete Frau eingegangen seien. Darauf habe die Nachbarin angefangen, der ehemaligen Freundin übel mitzuspielen. Sie habe ihr beispielsweise Hundekot in den Briefkasten getan. Der Beschuldigte habe aus verständlichem Affekt gehandelt. Es sei bestritten, dass er die Frau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt habe. Vielmehr sei es zu einem gegenseitigen Gerangel am Boden gekommen. Die Handschuhe habe der Beschuldigte nur getragen, weil er vorher mit dem Hund spazieren gegangen sei.Das Gericht fällte Schuldsprüche wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes. Es verurteilte den Vorarl- berger zu einer Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren und einer Busse von 200 Franken. Zudem wird er für neun Jahre aus der Schweiz verwiesen. Dem Opfer muss er 15000 Franken bezahlen. (cis)