27.02.2018

Nach 44 Jahren ist bald Schluss

René Breu, Leiter der Sozialen Dienste Oberes Rheintal (SDO), geht im September nach 44 Dienstjahren in den vorzeitigen Ruhestand. Der designierte Nachfolger ist Pascal Stahel.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin SchmidSeit 1990 war René Breu verantwortlich für umfassende und ­verschiedenartige Bereiche des Sozialdienstes. Dies spürt man, wenn man sich die nicht weniger als 28 Jahresberichte der Sozialen Dienste Oberes Rheintal (SDO) anschaut. Hatte er in den letzten Jahren im Vorwort stets Bezug zu einem Fachbereich gewählt, handelt das diesjährige Vorwort aus gegebenem Anlass von seinem Abschied. Breu habe lange gebraucht, um die richtigen Worte zu finden: «Viele Erinnerungen sind vor dem inneren Auge nochmals abgelaufen.»Dass ihm nach 34 Jahren in der Führung der SDO und insgesamt 44 Jahren in der Organisation ein emotionales Jahr bevorsteht, verwundert nicht. Ebenso wenig, dass er bis zum letzten Arbeitstag engagiert und konzentriert weiterarbeitet. Dies zeigt einerseits seine Leidenschaft für die Tätigkeit und andererseits seine Wesensart. Seit jeher sind ihm nicht nur seine Mandanten, sondern auch die Mitarbeiter wichtig. «Es braucht die Unterstützung aller Mitarbeitenden, damit die täglichen Herausforderungen gemeistert werden können», sagt Breu. Nach all den Jahren an der Front möchte er nichts von einer berufsbedingten Abgestumpftheit wissen.Zeit als höchstes GutAls Leiter der SDO war er massgeblich an Veränderungen beteiligt oder leitete diese selber ein. Über die Jahre sammelte er viele Erfahrungen, die ihn vor allem eines lehrten: Berufsbeistände brauchen Zeit. Einerseits setzen sie sich mit 60 bis 80 Mandanten auseinander, andererseits fallen durch die steigenden Beistandschaften zeitaufwendigere Administrationsaufgaben an. Anders als in anderen Branchen dreht sich der Arbeitsalltag um Menschen. Meistens geht es um Schicksalsschläge und Notsituationen. Um diesen gerecht zu werden, brauche es Feingefühl, Menschlichkeit und Geduld, respektive Zeit. Nebst den gesetzlichen Sozialberatungen wie die Erziehungsbeistandschaft Minderjähriger oder das Alimenteninkasso, gewinnt die freiwillige Beratung an Stellenwert. Freiwilligkeit sei ein Trugschluss, so Breu, denn: «Freiwillig kommt keiner zu uns.» Die meisten Klienten haben multiple Probleme und die SDO bietet Hilfe und Unterstützung. Freiwilligkeit bedeutet in diesem Zusammenhang: nicht durch Gericht oder Kesb angeordnete Massnahmen, sondern Erziehungsberatung, Schuldenberatung oder Vermittlung bei Besuchsrechtsproblemen. Die Zahl von freiwilligen Sozialberatungen hat sich über die Jahre beinahe verdoppelt – entsprechend gestiegen ist auch der Aufwand.Jeder Zehnte hat SteuerschuldenPascal Stahel, designierter Geschäftsführer, ortet bei den freiwilligen Beratungen grosses Potenzial. Exemplarisch dafür stehe die Zunahme der zugestellten Zahlungsbefehle der Betreibungsämter. «Rund vier von zehn Personen leben in einem Haushalt mit mindestens einer Verschuldung», sagt Stahel. Hier können die SDO vorzeitig eingreifen und die betroffenen Personen abholen, bevor die Schuldenlast erdrückend wird und der Staat eingreifen muss. Stahel sieht keinen Handlungsbedarf, die Strukturen der SDO grundlegend zu verändern, vor allem auf Seite der gesetzlichen Beratungen sei der Spielraum ohnehin gering. Umso wichtiger sei es, das breite Dienstleistungsangebot mit der bestehenden hohen Qualität zu sichern. «Als Chef hat man eine Vorbildfunktion und muss die Werte leben und hochhalten», ist sich Breu sicher. Daher könne er getrost die Leitung an Stahel weiterreichen, da dieser nicht nur durch seine Fachkompetenz und seine Berufsethik, sondern vor allem durch seine Sozialkompetenz besticht. Dem kann Alexander Breu, Verwaltungsratspräsident des SDO-Zweckverbands nur zustimmen. «Wir lassen René Breu nur mit Bedauern ziehen», sagt der Marbacher Gemeindepräsident und ergänzt: «Aber wir wissen, was wir an Stahel haben.»Festlichkeiten zum AbschiedVonseiten der Politik sei einiges in Planung für den Abschied. «Es wird bestimmt emotional», sagt der scheidende Leiter und fügt an: «Emotionen sind von zentraler Bedeutung und sie zuzulassen und zu zeigen ein Zeichen von Stärke.» Schliesslich könne keiner dieser schwierigen Arbeit nachgehen, ohne dabei die Emotionen und Gefühle in Ohnmachtssituationen oder bei Herausforderungen zu thematisieren und einzugestehen. Nur wer Emotionen zeige, lernt damit umzugehen. Breu selbst habe viele Höhen und Tiefen durchlebt und sei meistens gestärkt aus den schwierigen Momenten herausgekommen. Die anstehenden Veränderungen handhabt er wie alles in seinem Leben: Besser agieren statt reagieren. «Ich habe mir einen Plan für die Zeit danach zurechtgelegt», sagt Breu. Dadurch könne er sich in der verbleibenden Zeit auf seine Arbeit richten und muss sich nicht ums Nachher kümmern.

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