02.06.2022

Motionärinnen und Motionäre scheitern mit (fast) allen Anliegen

Eine Schulerweiterung auf der Rössliwiese wird nicht geprüft, ebenso wenig eine rasche Verbesserung des Kita-Angebotes: Der Balgacher Gemeinderat erklärt eine Motion als ungültig, die andere als teilweise zulässig.

Von gk/seh
aktualisiert am 02.11.2022
Der Politischen Gemeinde Balg­ach wurden Ende März gleich zwei Volksmotionen eingereicht. Die eine betrifft die «Dorfentwicklung Schulstandort Rössliwiese», die andere eine «Morgengruppe in der Kita Balgach». Zwischenzeitlich wurden die Motionen auf ihre Rechtmässigkeit geprüft, wie der Gemeinderat in einer Mitteilung schreibt. Die Volksmotion «Dorfentwicklung Schulstandort Rössliwiese» verlangt eine Schuler­weiterung auf der Rössliwiese statt beim Breite-Schulhaus. Die Motionärinnen und Motionäre fordern die Schul- und die politische Gemeinde deshalb dazu auf, einen Vorschlag für einen Schulstandort auf der Rössliwiese auszuarbeiten. Mit der zweiten Volksmotion «Morgengruppe in der Kita Balg­ach» fordern die Motionärinnen und Motionäre die politische Gemeinde auf, einen Vorschlag auszuarbeiten, der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Balgach verbessert. Die Kita Balgach soll das Angebot optimieren, indem sie die langen Wartezeiten nach einer Anmeldung reduziert und keine Mindestbetreuungszeit für eine Anmeldung führt (Stand heute: mindestens zwei volle Tage). Die Halbtagesbetreuung soll wieder eingeführt werden, ebenso eine Morgengruppe.52 respektive 51 Stimmen kamen zusammenDie Auswertung der eingereichten Unterschriftenbogen hat ergeben, dass die Volksmotion «Dorfentwicklung Schulstandort Rössliwiese» von 51 Stimmberechtigten und die Volksmotion «Morgengruppe in der Kita Balgach» von 52 Stimmberechtigten der Politischen Gemeinde Balgach gültig unterzeichnet wurden. Damit wurde das nötige Quorum von 50 Stimmen für das Zustandekommen der Volksmotionen erreicht. Die Anträge wurden in der Gemeinderatssitzung vom 16. Mai behandelt. Die Prüfung der Motion «Dorfentwicklung Schu­lstandort Rössliwiese» habe ergeben, dass sie nicht zulässig sei. Der Gemeinderat schreibt: «Der Bau von Schulhäusern respektive die Planung der Schulstandorte obliegen der Schul­gemeinde. Damit ist die Zuständigkeit der Bürgerschaft der Politischen Gemeinde Balgach nicht gegeben.» Obschon sich das Grundstück «Rössliwiese» im Eigentum der Politischen Gemeinde Balgach befinde, werde damit keine Zuständigkeit begründet. Keine Abstimmung an GemeindeversammlungEine Volksmotion, die nicht in die Zuständigkeit der Bürgerschaft der Politischen Gemeinde Balgach fällt, ist gemäss Communiqué rechtswidrig und somit unzulässig. Die Volksmotion «Dorfentwicklung Schulstandort Rössliwiese» wurde vom Gemeinderat deshalb als ungültig erklärt. Gemäss Art. 46  des Gemeindegesetzes wird über rechtswidrige Anträge an der Bürgerversammlung nicht abgestimmt. Balgach sind in der Kita die Hände gebundenDie Prüfung der Volksmotion «Morgengruppe in der Kita Balg­ach» habe ergeben, dass die Volksmotion zumindest teilweise zulässig sei. Die Kita Balgach wird vom Verein Soziale Dienste Mittelrheintal geführt. Die Zuständigkeit für Anliegen im Zusammenhang mit der Kita liegt damit abschliessend bei den Sozialen Diensten. Träger des Vereins sind die Politischen Gemeinden Balgach, Berneck, Diepoldsau und Widnau. «Die Organisation der Kitas muss für sämtliche Mitgliedsgemeinden abgestimmt und gleich geregelt sein», heisst es in der Mitteilung weiter. Deshalb sei die Zuständigkeit der Balgacher Bürgerinnen und Bürger bei den Anträgen «Reduzierung der Wartezeiten für eine Anmeldung» und «Keine Mindestbetreuungszeit für eine Anmeldung» nicht gegeben. Die Volksmotion sei in Bezug auf diese beiden Punkte unzulässig und als ungültig erklärt worden. Über die beiden Anträge wird an der nächsten Bürgerversammlung nicht abgestimmt.Unabhängiges Angebot hätte eine ChanceDie Zuständigkeit für den Antrag «Eine Morgengruppe ermöglichen» liege grundsätzlich auch bei den Sozialen Diensten Mittelrheintal. Auf Nachfrage sei der Gemeinde Balgach aber mitgeteilt worden, dass der Vorstand aktuell nicht beabsichtige, das geforderte Angebot zu schaffen. Die Sozialen Dienste Mittelrheintal würden eine Kindertagesbetreuung anbieten, die auf die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet sei. Davon zu unterscheiden sei der halbtageweise Kinderhütedienst, den die Volksmotion anstrebe. «Der politischen Gemeinde steht es jedoch frei, ein solches oder ähnliches Angebot unabhängig (analog Schülerhort) zu schaffen oder Dritten dafür einen Auftrag zu erteilen», schreibt der Gemeinderat. Damit würde der Antrag «Eine Morgengruppe ermöglichen» in den Zu­ständigkeitsbereich der Bürgerschaft der Politischen Gemeinde Balgach fallen. Dieser wurde vom Gemeinderat als zulässig erklärt. Gemäss Art. 31 der Gemeindeordnung beantragt der Rat bei zulässigen Anträgen der nächstmöglichen Bürgerversammlung (Frühling 2023) Gutheissung, Gutheissung mit geändertem Wortlaut oder Nichteintreten. Heisst die Bürgerschaft der Politischen Gemeinde Balgach den Antrag gut, arbeitet der Gemeinderat in­-nert zwölf Monaten die Vorlage aus. Der Balgacher Gemeinderat habe mit den Vertreterinnen der Motionärinnen und Motionäre, Kantonsrätin Karin Hasler und Stefanie Galehr, bereits Kontakt aufgenommen, die Entscheide begründet und das weitere Vorgehen besprochen. Zweittext:«Das Problem hat sich verschärft»Das Motionskomitee schreibt zum Entscheid des Gemeinderats, es hätte sich wenigstens die Aussage gewünscht, dass die geltende Zone (für öffentliche Bauten) am geforderten Schulstandort für einen Schulstandort spreche und dass ein Bau grundsätzlich möglich wäre. Das Komitee bedauert, dass die Gemeinde sich nicht für Dorfentwicklung und Familienpolitik ausgesprochen habe, denn «ein guter Schulstandort könnte und sollte im Sinn der Dorfentwicklung ein Anliegen der politischen Gemeinde sein». Auch vorschulische Angebote, für die die Gemeinde zustän­dig ist, brauchten mehr Platz in Balgach; der Schulstandort «könnte zielführende Synergien erzeugen». Obschon die Gemeinde die Motion für unzulässig erkläre, liesse sich ein Prozess aufgleisen, der vor allem die Eltern, die Beteiligten des Horts, des Mittagstisches, der Spielgruppe, der frühen Förderung, der Mütter- und Väterberatung, der Logopädie usw. einbezöge. Die Balgacher SP-Kantonsrätin Karin Hasler findet:  «Sässen wir alle an einem runden Tisch, könnten miteinander Lösungswege erarbeitet werden.» Stattdessen höre man immer nur Gründe, warum etwas nicht möglich sei. Andernorts sei man «viel weiter».«Für die Eltern hat sich die Lage verschärft»Froh ist das Komitee, dass die Motion für eine bessere Kinderbetreuung in Balgach wenigstens teilweise gutgeheissen wurde und somit ein Vorschlag für eine Morgengruppe Kinderbetreuung (0 bis 5 Jahre) zu erwarten sei. Schade sei hingegen, dass die Kinderbetreuung nicht in der bestehenden Kita der Sozialen Dienste Mittelrheintal (SDM) stattfinden werde. Als Teil der SDM-Trägerschaft finanzierten die Steuerzahlenden von Balgach die Kinderbetreuungsleistungen zusammen mit den Elternbeiträgen. Mitbestimmen könne aber nur die Gemeindepräsidentin im Vorstand der SDM, wo man «‹Anliegen› diskutiert». Das Motionskomitee nimmt zur Kenntnis, dass die SDM die Bedingungen für die Eltern (also die Vereinbarkeit von Beruf und Familie) nicht verbessern wolle. Indem das Betreuungsminimum von 1,5 auf 2 Tage erhöht worden sei, komme das Angebot für einige Eltern nicht (mehr) in Frage. Die Wartezeiten würden durch eine geringere Nachfrage verkürzt. «Das Problem löst sich also nur für die SDM, für die Eltern hat sich die Lage verschärft», hält das Motionskomitee fest.Mehr Einsatz von Gewerbe und Wirtschaft gewünschtAuch das Gewerbe beklage sich zunehmend «über den Missstand bei der Kinderbetreuungsquote», denn es fehlten die Fachkräfte, schreibt das Motionskomitee. Der Druck steige. «Es wäre wünschenswert, wenn sich Gewerbe und Wirtschaft mehr einsetzen» würden. Das traurige Resultat bleibe, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiterhin schlecht sei, weil eine Umsetzung der Motion «wie immer sehr lange dauern wird». Die nationale Kita-Initiative werde dieses Thema nochmals auf den Tisch bringen. (gb/pd)

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