21.09.2020

Moosanger bedeutsamer machen

Was nach Zerstörung aussieht, ist der Beginn einer erheblichen Aufwertung des Moosanger-Naturschutzgebiets.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Wer das Gebiet von Osten her betritt, sieht grosse Betonelemente in den Boden eingelassen. Rechts vom See wurden viele Sträucher und Bäume entfernt. Die Massnahmen sind Teil eines Projekts, das einen grossen Teil des im Laufe der Zeit verwachsenen Flachmoors zurückbringen und es ermöglichen soll, das weitläufige Gebiet bestmöglich zu pflegen.Flachmoor teils zuge- wachsen und zu trockenDas Naturschutzgebiet Moosanger besteht aus dem künstlich geschaffenen See sowie dem weitläufigen Flachmoor mit Gehölzen. Das Flachmoor ist teilweise sehr nass und ist nur unter günstigen Bedingungen befahrbar. Für die Pflege der einst artenreichen Riedwiesen ist das schlecht, weil immer mehr Schilf und Gehölze wachsen. Seit 1995 ist über ein Drittel des einstigen Flachmoors mit Bäumen zugewachsen. Zudem sind Teile des Flachmoors zu trocken, so dass sich Neophyten ausgebreitet haben. Vor allem der Goldrutenbestand war sehr hoch.Ein nun entstehendes Regulierwerk aus Beton am östlichen Ende des Sees wird es erlauben, den Wasserstand im Ried für die Pflege im Herbst zu senken und im Sommer höher zu halten. Nach Abschluss der Bauarbeiten wird der Beton nicht mehr sichtbar sein.Ein «Maximun an Arten- vielfalt ist angestrebt»Bei einer Begehung am Montag Abend sagte der kantonale Amphibienbeauftragte Jonas Barandun, angestrebt sei ein «Maximum an Artenvielfalt im Naturschutzgebiet». In Gegenwart von Regierungsrat Beat Tinner als Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements nahmen die Widnauer Gemeindepräsidentin Christa Köppel, Bauamtsleiter Eric Pasche sowie Judith Spirig und Kurt Köppel als Ortsgemeindevertreter an dem Anlass teil. Christa Köppel machte klar, dass neben gutem Willen und viel Power eine fachliche Begleitung nötig sei. In Widnau hat der Ornithologische Verein die einstige Lehmgrube im Moosanger zum national bedeutsamen Naturschutzgebiet entwickelt und während Jahrzehnten einen immensen Einsatz erbracht. Trotzdem sind im Laufe der Zeit verschiedene geschützte Arten ausgestorben.Nun wird versucht, etwa die Hälfte der verschwundenen Flachmoorfläche wiederherzustellen und das Gebiet so zu gestalten, dass seine Pflege sich mit vertretbarem Aufwand maschinell gewährleisten lässt. Die einst artenreiche, entsprechend wertvolle Riedwiese soll weitgehend zurückgebracht werden. Weil die ganze ursprüngliche Flachmoorfläche nicht wiederherstellbar ist, werden im Sinne eines Kompromisses eingewachsene Flächen teilweise gerodet und so planiert, dass sich darauf wieder Riedvegetation entwickeln kann. Auch werden neue Amphibiengewässer angelegt bzw. umgestaltet, damit die Ziele des Amphibienschutzes erreicht werden können.Reguläre Pflege nach neuem Konzept ab 2024Die erste Sanierungsetappe dauert voraussichtlich bis Ende Februar. Im nächsten Sommer wird die Pflege des Schutzgebiets neu geregelt, für den Herbst 2021 sind weitere Forstarbeiten vorgesehen. Mit einer regulären Pflege lässt sich voraussichtlich 2024 beginnen. Für jenes Jahr ist eine erste Erfolgskontrolle geplant, die zeigen soll, wie die Massnahmen wirken.Als klare Schutzziele gelten die Erhaltung und Förderung von Kammmolch und Teichmolch, die Wiederbesiedlung durch die Gelbbauchunke und die Erhaltung eines artenreichen Flachmoors mit geringem Neophytenbestand.Regierungsrat Beat Tinner, vor der Wahl Gemeindammann in Wartau, gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass möglichst viele Gemeinden dem Widnauer Beispiel folgen. Es sei wichtig, dass auch die anderen Kommunen den Weg der Biodiversität beschreiten, an hierfür geeigneten Flächen mangle es nicht. Aufwertung kostet die Gemeinde wenigDer Moosanger ist in zweifacher Hinsicht von nationaler Bedeutung - als Amphibienlaichgebiet und als Flachmoor. Ein Naturschutzgebiet ist das einst industriell genutzte Lehmabbaugebiet seit 1979. Obschon auf Diepoldsauer Territorium gelegen, gehört der Moosanger den Widnauern. Sieben der insgesamt neun Hektaren sind im Eigentum von politisch Widnau, die restlichen zwei Hektaren gehören der Widnauer Ortsgemeinde.Im Kanton St.Gallen bestehen rund 60 national bedeutsame Amphibienlaichgebiete, Flachmoore gibt es sogar etwas mehr. Im Rheintal ist der Moosanger als einer von mehreren Eckpunkten zu sehen – neben den anderen grossen Naturschutzgebieten Bannriet (Altstätten), Spitzmäder, Hilpert, Wiechenstein (Gemeinde Oberriet) und Höchstern (Balgach). Wichtig ist nicht nur die ökologisch bestmögliche Gestaltung der bestehenden Schutzgebiete, sondern auch ein möglichst gutes Angebot an Lebensräumen und Vernetzungsstrukturen in der Umgebung. Das ist um so wichtiger, als die Umgebung sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert hat. Wandert heute ein Frosch aus dem Moosanger zum Schutzgebiet Höchstern, hat er eine minimale Überlebenschance. Die Landschaft ist zu trocken geworden, und es gibt kaum noch Verstecke.Im Kanton St.Gallen trägt die sogenannte Biodiversitätsstrategie massgeblich dazu bei, die biologische Vielfalt im Kanton langfristig zu sichern und zu fördern. Regierungsrat Beat Tinner, der sich am Montag in Widnau scherzhaft als Biodiversitätspapst bezeichnete, sprach von über 800 sanierungsbedürftigen Gebieten und einem Investitionsvolumen von kantonsweit 40 bis 50 Mio. Franken.Das aktuelle Widnauer Moosanger-Projekt ist daher für die Eigentümer günstig. Der Bund bezahlt 65 Prozent der insgesamt 214000 Franken Kosten, der Kanton 28 Prozent. Nur je 3000 Franken haben die politische Gemeinde Widnau und die Ortsgemeinde zu bezahlen, weitere 6000 Franken steuert politisch Diepoldsau bei.

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