11.02.2020

«Mit Verboten erreichen wir nichts»

Damit der Wald von allen genutzt werden kann, müssen die verschiedenen Interessen abgewogen werden.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Was man darf und was man nicht soll, lautete das Motto des Informationsanlasses vom Montagabend in der «Krone» in Marbach. Eingeladen hatte Benno B. A. Stadler, Präsident des Vereins Lebensraum Rheintal. Von verschiedenen Seiten sei man mit der Bitte an ihn herangetreten, die Probleme mit Freizeitaktivitäten in der Natur zu beleuchten und zu diskutieren. Dazu wurden Experten von verschiedenen Interessensgruppen an ein Podium und um eine Stellungnahme gebeten. Die Veranstaltung stiess auf grosses Interesse in der Bevölkerung. Die Sitzplätze waren im Nu vergeben, sodass etliche Gäste stehen mussten. Kein Wunder, denn statt 70 Personen kamen über 150.Mehrheit der Waldnutzer verhält sich korrektDer Verein Lebensraum Rheintal vereinigt Naturschützer, Förster, Jäger, Bienenzüchter und Fischer von St. Margrethen bis Lienz unter einem Dach. Entsprechend ausgewogen wurden die Gesprächspartner ausgesucht.Mit Silvan Eugster und Philipp Näf waren der Wildhüter und der Regionalförster Rheintal- Werdenberg vor Ort. Martin Grob vertrat die Kantonspolizei und Ueli Nef die Jagd- und Fischereiverwaltung von Appenzell Innerrhoden. Ergänzt wurde die Diskussionsrunde mit René Zünd, Leiter Arbeitsgruppe Biken im Wald, und Simon Zürcher, Revierförster Altstätten- Eichberg. Die Moderation übernahm Benno B. A. Stadler.Trotz unterschiedlicher Interessen waren sich die Diskussionsteilnehmer in einem Punkt einig: Statt Schuldzuweisungen braucht es Verständnis, statt Anfeindungen Toleranz und Rücksichtnahme und anstelle von Verboten ist gesunder Menschenverstand vonnöten. Aus- serdem sahen es alle Gesprächsteilnehmer als erwiesen an, dass sich die Mehrheit der Waldnutzer korrekt verhält und sich nur eine Minderheit nicht an Regeln und Normen hält.«Es geht nicht um die Schuldfrage», sagte Ueli Nef. Fehlbares Verhalten gebe es nicht nur unter den Bikern, sondern auch bei den Geocachern, Wildcampern, Jägern und Förstern. Wichtig sei Verständnis für die andere Seite aufzubringen und nicht nur seine Argumentation durchboxen zu wollen. Martin Grob appellierte an einen gesunden Umgang mit der Natur: «Wir sind nur Gäste in der Natur. Daher müssen wir uns alle darum kümmern, sie unversehrt zu belassen.» Trotzdem sei die Natur keine rechtsfreie Zone, in der jeder handeln könne, wie es ihm beliebe.Silvan Eugster sieht, wie der Druck auf die Lebensräume zunimmt. Viele Menschen seien egoistisch und wollen ihre Bedürfnisse ohne Rücksicht auf andere durchsetzen. Daher müssen die Wildtiere und ihre Lebensräume geschützt werden. «Mit Verboten und Vorschriften erreichen wir nichts, sondern nur, indem wir unsere Freizeitaktivitäten so anpassen, dass die Störung für die Natur gering bleibt.» Auch René Zünd glaubt nicht daran, dass Verbote die gewünschte Wirkung erzielen: «Es braucht Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme, aber auch Zugeständnisse von allen Seiten.» Viele seien sich einig, dass für das Biken im Wald eine Lösung gefunden werden muss. Nur wolle niemand die Lösung in seiner Nähe oder in seinem Wald.Regionalförster Philipp Näf unterstrich die vielen verschiedenen Funktionen, die ein Wald zu erfüllen hat und sprach sich dafür aus, statt von der Kanzel zu predigen, verschiedene Anspruchsgruppen einzubinden. Revierförster Simon Zürcher sieht die Zeit für einen gegenseitigen Austausch gekommen, warnt aber zugleich davor, das Querwaldein-Fahren zu tolerieren. «Die Mehrheit der Waldnutzer begegnet sich auf Augenhöhe, dennoch kann jeder noch mehr Rücksicht auf die Natur nehmen.»Unter den Teilnehmern herrschte Einigkeit darüber, dass in breiten Bevölkerungsschichten das Bedürfnis nach legalen Biketrails vorhanden ist, es jedoch mehr brauche als nur Sympathiebekundungen.Interessensvertreterfür die BikerAuch wenn der Anlass harmonisch und konsensorientiert ablief, ging es nicht ganz ohne Schuldzuweisungen. Die Schuldfrage richtete sich jedoch nicht an die jeweils andere Seite, sondern an die eigenen Interessenvertreter. René Zünd beanstandete, dass sich trotz des grossen Interesses nur wenige Biker in den Vordergrund drängen, um an vorderster Front mitzumischen. «Die Biker müssen sich formieren und brauchen einen Interessenvertreter.» Zünd selbst sieht sich mehr als Vermittler denn als Präsidenten eines möglichen Vereins «Biken im Wald».Aus dem Publikum tönte es ähnlich. Es brauche mehr Engagement seitens der Biker. Sei es, um das Fehlverhalten einiger Biker aufzudecken und unter Gleichgesinnten an die Vernunft zu appellieren, sei es, um gemeinsam bei Prozessen mitzuwirken und Lösungen auszuarbeiten.Während René Zünd klare Regeln fordert und sich zugleich eine Änderung des Bundesgesetzes wünscht, wies Ueli Nef darauf hin, dass ein scheinbar veraltetes Gesetz nicht zu dessen Ungültigkeit führe. Er bekräftigte, dass Verbote nur dann nützlich sind, wenn der Vollzug funktioniert. Dies sei aktuell aber nicht der Fall. Es fehle an finanziellen und personellen Mitteln.Bei der Diskussion entpuppte sich ein Punkt als besonders gravierend: Um beispielsweise einen Single-Trail für Mountainbiker vom St. Anton ins Rheintal zu erstellen, braucht es das Einverständnis etlicher Waldbesitzer. Doch die machen sich rar. Einerseits waren nur wenige bei der Podiumsdiskussion vor Ort, andererseits hätten sich noch nicht viele Waldbesitzer bereiterklärt, den Bikern Wald für einen Trail zur Verfügung zu stellen.Aber auch hier gilt: Mit Ablehnung kommt man nicht weiter. Beim Erstellen eines Single-Trails gibt es kein «überwiegend öffentliches Interesse», weshalb es zwingend die Einwilligung der Grundbesitzer brauche, so Ueli Nef.Trotz Differenzen blieb der Ton der Diskussion freundlich. Alle Anwesenden waren sich bewusst, dass nur eine von allen getragene Lösung dienlich ist. Nur eine auf Fakten basierende und von Toleranz geprägte Argumentation kann alle beteiligten Interessenvertreter überzeugen. «Es ist Zeit, einander Verständnis entgegenzubringen und gemeinsam am selben Strick zu ziehen», resümierte Benno B. A. Stadler. Der gemeinsame Austausch werde fortgeführt, ohne konkrete Daten dafür festzulegen.

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