28.02.2018

Mit sechzig nicht abserviert werden

Jahrzehnte einem Unternehmen treu sein und schliesslich «abserviert» zu werden, ist hart. Es ist aber zum Glück eher die Ausnahme – und nicht ohne Weiteres möglich. Das Thema beschäftigte den AGV am Montag.

Von gb
aktualisiert am 03.11.2022
Gut hundert Interessierte besuchten den Anlass im ri.nova-Impulszentrum. Mit Thomas Geiser hatte der Arbeitgeberverband (AGV) Rheintal einen prominenten Redner zu Gast. Geiser ist emeritierter Professor für ­Privat- und Handelsrecht und emeritierter Direktor des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen. Am Bundesgericht wirkt er als nebenamtlicher Richter.Bundesgericht stärkt KündigungsschutzThomas Geiser sprach über den Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, wobei er sich auf die aktuelle Rechtsprechung bezog und auf feststellbare Tendenzen einging. Mehrere Kernsätze dürften ältere Arbeitnehmer beruhigen. «Ältere können nicht mehr so leicht auf die Strasse ­gestellt werden», lautete so ein Satz, oder: «Das Schweizerische Bundesgericht stärkt den Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer.»Zwar bedürfte es nach wie vor keiner besonderen Gründe, um ein Arbeitsverhältnis aufzulösen, sagte Geiser. Doch das Gebot schonender Rechtsausübung bedeute, dass die Arbeitgeberin «kein falsches und verdecktes Spiel treiben» dürfe und im Zusammenhang mit einer Kündigung kein krass vertragswidriges Verhalten möglich sei.Zudem führten ein fortgeschrittenes Alter und eine lange Dienstzeit zu einer erhöhten arbeitgeberischen Fürsorgepflicht. Gemeint sind der Anspruch des Arbeitnehmers auf rechtzeitige Information, das Recht auf Anhörung und die unter Umständen bestehende Pflicht des Arbeitgebers, im Interesse des Arbeitnehmers nach einer anderen Lösung zu suchen.Konkrete Fälle zeigten GrenzenGeiser berichtete von der Versetzung eines Arbeitnehmers von der Bäckerei in die Fischabteilung. Dies bedeutete im konkreten Fall die Rückversetzung in jene Abteilung, in der der Angestellte schon früher gearbeitet hatte und die er gesundheitlich nicht vertrug. Der Arbeitnehmer trat den ihm zugewiesenen neuen Arbeitsplatz deshalb nicht an, was seine Kündigung zur Folge hatte. Diese wurde gerichtlich als missbräuchlich bewertet.In einem anderen Fall kam es zu Gesprächen mit einem 60-jährigen Mitarbeiter, der seit zehn Jahren für das Unternehmen tätig war. Die Möglichkeit einer Kündigung war nie ein Thema, bis der Mann kurzfristig eröffnet bekam, dass ihm gekündigt werde. Auch bei dieser Kündigung stellte das Gericht eine Missachtung der Fürsorgepflicht fest, weshalb sie ebenfalls als missbräuchlich bewertet wurde.Ein drittes Beispiel betrifft einen 70-jährigen Lehrer. Wegen Erreichens der Altersgrenze wurde ihm durch die Schule gekündigt. Ihr Wunsch war eine Verjüngung des Lehrkörpers. In diesem Fall bekam der Arbeitnehmer nicht Recht. Die Kündigung wurde als rechtmässig beurteilt, die Schule hatte ein «legitimes sozialpolitisches Ziel» verfolgt, lautete die Begründung. (gb)

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