Remo ZollingerAls Schiedsrichter Reuteler das Spiel abpfiff, brachen die Gästespieler und ihr bemerkenswert zahlreicher Anhang nicht in euphorische Jubelstürme aus. Es war vielmehr eine grosse Erleichterung, die sich breitmachte. Die Unterrheintaler wussten: Mit so viel Qualität in der Mannschaft abzusteigen, wäre einer Bankrotterklärung gleichgekommen.Der Ligaerhalt erst in der letzten Runde war nicht einmal das Minimalziel, er wurde es erst im Lauf der Rückrunde. Aber immerhin: St. Margrethen hat gerade rechtzeitig noch die Kurve gekriegt. Und das mit einer Souveränität, die vor zwei Wochen noch undenkbar gewesen war.Starke erste Hälften, zweimal sechs ToreNach dem 1:4-Debakel gegen Mels hätte wohl niemand mehr auf St. Margrethen gewettet. Die Mannschaft des neuen Trainers Leandro Simonelli reagierte aber stark. Erst gewann sie in Diepoldsau 6:0, dann in Vaduz 6:3. Die beiden Spiele sicherten St. Margrethen aber nicht nur den Ligaerhalt, sie werfen auch eine Frage auf: Was wäre möglich gewesen, wäre St. Margrethen die ganze Saison lang so aufgetreten wie in den letzten beiden Spielen, als dem Team das Wasser bis zum Hals stand?Neu war in den Saisonspielen 21 und 22 vor allem, wie entschlossen, zielstrebig und diszipliniert St. Margrethen jeweils ins Spiel stieg. In Diepoldsau stand es rasch 5:0, auch in Vaduz hiess es zur Pause 4:0. Um den Ligaerhalt zittern musste St. Margrethen zu keinem Zeitpunkt des Spiels, obwohl die Gäste nach der Pause ein Tief einzogen, das sich in zwei raschen Gegentoren niederschlug. Das Wort Spannung wurde jedoch nur in Konjunktivsätzen bemüht, zumal D’Amico kurz danach mit dem 5:2 den Deckel drauf setzte und Vaduz’ angestrebte Aufholjagd zur Makulatur machte.«Ich dachte, der Trainer nimmt mich gleich raus»St. Margrethen war sofort anzusehen, dass es nichts anbrennen lassen wollte. 3. Minute: D’Amico steckt durch auf Istrefi, der zieht am Goalie vorbei, 1:0. 7. Minute: Ljatifi steht nach einem Eckball richtig, trifft den Ball mit Links optimal, 2:0. 14. Minute: Handspiel von Popescu im Sechzehner, Penalty. Aber kein 3:0. Shoshi chippt den Ball über die Latte. «Ich dachte, der Trainer nimmt mich deswegen gleich raus», wird St. Margrethens Leitwolf in der Pause sagen. Erst nach dieser kehrt er dann nicht mehr aufs Feld zurück. Der vergebene Penalty ist ein Betriebsunfall. 17. Minute: D’Amico erkämpft sich links aussen den Ball, passt mit viel Übersicht zu Ljatifi, 3:0. Dann läuft lange gar nichts, bis zur 41. Minute. Abazi spielt Ljatifi frei, 4:0, Hattrick. Dann ist Pause, und St. Margrethen gerettet.Djokic und Philipp Ospelt bringen mit ihren Toren zum 1:4 und 2:4 nochmals einen minimalen Hauch Spannung zurück auf den Rheinpark-Nebenplatz, auf dem gespielt wird, weil Saudi-Arabien den Stadionrasen zur WM-Vorbereitung gemietet hat. St. Margrethen fängt sich rasch, macht fünf Minuten später alles klar. D’Amico trifft zum 5:2 (58.), wenige Sekunden nachdem Vaduz an der Mittellinie einen Freistoss ausführen durfte. Der Rest ist Zugabe. Vaduz gibt sich nicht auf, spielt anständig weiter. Ospelt verkürzt nochmals auf 3:5 (73.), doch Sinani stellt den Drei-Tore-Vorsprung nach herrlicher Vorarbeit Ibrahimis wieder her (86.). Beim 6:3 bleibt es, der Schlusspfiff beendet die Saison.