08.04.2020

«Mit em Baseballschläger i d’Fresse»

Im Rheintal kursiert eine Audiobotschaft, die zur «Ausrottung» von Menschen aus dem Balkan aufruft.

Von Andreas Rüdisüli
aktualisiert am 03.11.2022
Andreas RüdisüliDie Sprachnachricht, die in den letzten Wochen vor allem per WhatsApp verbreitet wurde, beginnt harmlos. Ein Mann erzählt, wie er in der Pandemiezeit für seine Mutter in Rebstein einkaufen geht, «bi üs im Dorflädeli». Dabei fallen ihm allerlei Fremde auf, «Neger, Inder» und vor allem Menschen aus den Balkanländern. Ab hier wird es heftig. Der anonyme Mann schimpft in breitem Rheintaler Dialekt über das Aussehen, die Kleider, die Sprache und die Autos der Bosnier, Kosovaren und Serben in unserem Land. Sogar die Sprache nerve ihn, sagt er, und lässt eine Imitation folgen; es ist unverständliches Kauderwelsch. Mit derben Worten lässt sich der Rebsteiner darüber aus, wie er die Unliebsamen aus dem Laden werfen möchte, aber nicht, ohne ihnen vorher «mit em Baseballschläger d’ Fresse poliert» zu haben. Nachricht schockiert viele EmpfängerTiefpunkt der Tirade ist das Fazit, das der Mann zieht. «Einfach Leute zum Ausrotten» seien das. Mindestens aber müsse man alle «rauswerfen» – und zwar nicht nur aus der Schweiz, sondern gleich auch aus allen unseren Nachbarländern. Zum Schluss wünscht er sich eine «jugofreie Zone». Die Nachricht hat viele Menschen, die sie erhalten haben, erschreckt. Auch Karin Hasler, die Präsidentin der Rheintaler Sozialdemokraten, war entsetzt und machte unsere Zeitung auf die Tirade aufmerksam. «Das ist ein Aufruf zum Genozid», findet die SP-Politikerin. «Man muss keinen Migrationshintergrund haben, um schockiert zu sein. Ich könnte es nicht mit mir vereinbaren, nichts zu unternehmen.» Karin Hasler wollte darum letzte Woche auf dem Polizeiposten in Widnau Anzeige gegen Unbekannt erstatten. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass die Kantonspolizei St. Gallen bereits von der Audiobotschaft wisse. Eine Anzeige sei darum nicht mehr nötig. Der Urheber meldete sich bei der PolizeiDie Pressestelle der Kapo bestätigt das: «Wir kennen den Inhalt der Nachricht. Es handelt sich dabei um ein Offizialdelikt. Die Kantonspolizei St. Gallen verfolgt dies von Amtes wegen», schreibt Mediensprecher Florian Schneider auf Anfrage. Die Beamten hätten nicht lange ermitteln müssen. Wenige Tage nach Auftauchen der Sprachnachricht habe sich der Urhe-ber von sich aus bei der Kantonspolizei gemeldet, schreibt Schneider weiter. Die Polizei wird nun den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen rapportieren. Diese klärt dann, welche Äusserungen den Tatbestand der Rassendiskriminierung erfüllen. Im späteren Verlauf des Verfahrens legen die Staatsanwälte dann das Strafmass fest. Ob sich jeder strafbar macht, der die Nachricht weiterleitet, konnte Mediensprecher Schneider nicht sagen. Dies zu klären, sei Sache der Staatsanwaltschaft. Karin Hasler hofft, dass die Sprachnachricht eine öffentliche Debatte über Rassismus im Rheintal auslöst. Denn auch in Zeiten des Ausnahmezustandes, findet sie, dürfen unsere Kernwerte nicht aufgeweicht werden – im Gegenteil, Solidarität sei gefragt. Ihr Wunsch: «Irrationale Ängste dürfen nicht zu mehr Fremdenhass und zu mehr Angst vor anderen Menschen führen.»

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