22.02.2021

Mit Demut und grosser Gelassenheit am Werk

Johann Kühnis hat das vierzigste Jahr als Pfarrer von Oberegg angetreten. Letzte Woche wurde der gebürtige Kobelwäldler 85 Jahre alt.

Von Rolf Rechsteiner
aktualisiert am 03.11.2022
Der älteste aktive Pfarrer des Bistums St. Gallen, der Oberegger Pfarrer Johann Kühnis, feierte am 19. Februar seinen 85. Geburtstag. Die Pandemie zwang ihn, Glückwünsche telefonisch entgegenzunehmen. Lieber hätte er seine Verwandten zu einem Treffen eingeladen. «Solange Kopf und Beine mitmachen und es dem Wunsch des Bischofs entspricht, werde ich Pfarrer von Oberegg bleiben.» Getreu diesem Versprechen leistet Johann Kühnis seit dem 13. Dezember 1981 seinen Dienst in Oberegg. Er leitet auch regelmässig Gottesdienste in Heiden und Rehetobel, denn 1998 hat die pfarreiübergreifende Zusammenarbeit Einzug gehalten. Mit der Errichtung der Seelsorgeeinheit über dem Bodensee im Jahr 2015 habe sich für ihn nur wenig verändert, hält er fest. Mit zusätzlichen Sitzungen habe man ihn zu seiner Freude nicht arg belastet. In der aktuellen Situation sei er davon suspendiert. Er nehme Beschlüsse zur Kenntnis und erfülle den Auftrag, wie er ausfalle, sagt er mit grosser Gelassenheit. Das vergangene Jahr mit all seinen Beschränkungen – Versammlungsverbote und eine Herzkrise – hätten ihn Demut gelehrt. Verzagt sei er trotzdem nicht, denn «es werden wieder bessere Tage kommen.»«Du bist ein Kirchenmann mit eigenen Überzeugungen, oft unkonventionell, doch dem Menschen zugewandt. Mutig gehst du deinen Weg und auf die Menschen zu. Du lebst mit und unter ihnen», schreibt die Oberegger Kirchenpräsidentin Annamarie Greiner-Wolten im Pfarrblatt. «Doch auch ein Hirte braucht ein Rückzugsgebiet. In deinem Wald kannst du Kraft tanken.» Tatsächlich betreibt Kühnis nach wie vor die Holzerei als liebstes Hobby. Aber das Alter zwingt ihn zur Arbeit auf Sparflamme. Sein Bruder stellt ihm gesägtes Rundholz bereit, das er dann mit der Spaltmaschine zerkleinert. Dabei hängt er seinen Gedanken nach. Sein angeschlagenes Herz gibt ihm den Takt vor.Die Frage drängt sich auf, was ihn an den Pandemiebestimmungen am meisten stört. Der gebürtige Kobelwäldler zögert nicht: «Die Beschränkung auf 50 Personen für Gottesdienste hat vor allem an Weihnachten sehr weh getan. Und volle Kirchen wird es weder an Ostern noch Pfingsten geben. Hochzeiten werden verschoben, Begräbnisse dürfen nicht unter Anteilnahme der ganzen Gemeinde stattfinden und der Kirchenchor muss schweigen.»Doch sei das kein Grund zum Jammern, betont Kühnis. Die Einladung zu den Gottesdiensten bestehe weiterhin. Auf Anmeldungen könne man in Oberegg verzichten, weil die Angst vor Ansteckungen die Zahl der Teilnehmenden dezimiere.Natürlich fehlen dem Pfarrer die zwanglosen Begegnungen im Dorf. Der Jasstisch ist kein Begegnungsort mehr und das Mittagessen kann er auch nicht mehr im Restaurant einnehmen. Allerdings müsse er nicht zum Take-away, freut er sich. Der Anbieter habe zwei kleine Töchter, die ihm sein Menü ins Haus liefern. In einem Konfiglas hält er für sie ein Trinkgeld bereit.«Ich bin coronabedingt viel zu Hause», sagt Kühnis. Für ihn sei das nicht schlimm, im Alter sei man frei von Erwartungen. «Die Jungen sind schlimmer dran. Zukunftsängste und wirtschaftliche Not bringen viele in Bedrängnis.» Er aber habe während seines Spitalaufenthalts hinnehmen müssen, dass seine Zeit begrenzt ist. «Einschlafen wäre in der Krise eine Option gewesen; der Tag wird kommen». Doch vorerst bleibt der Kirchenmann auf seinem Posten.Rolf Rechsteiner

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