Der Anblick, wie sich Downhiller den Berg hinab ins Tal stürzen, ist gleichermassen faszinierend und beeindruckend. Wenn Sportler aber dieselbe unwegsame Route nur auf dem Einrad absolvieren, wird aus der Begeisterung Ungläubigkeit. «Immer wieder begegnen wir auf unseren Touren Wanderern, die uns erstaunt nachschauen», sagt Doris Engler aus Altstätten und ergänzt: «An Biker hat man sich gewöhnt, nicht so an uns.» Die 22 Jährige fand vor gut zehn Jahren über Umwegen zu dieser Randsportart. Alles begann mit dem Kinderzirkus Lollypop. 2007 durfte sie mitwirken und einige Kunststücke vorführen. Trat sie zuerst als Jongleurin oder Fakir auf, übte das Einrad zusehends eine Faszination aus. Inspiriert von Markus Büchel, packte sie der Ehrgeiz, diese Sportart auch zu lernen.
Lucienne Bolis aus Buchs wurde bereits 2006 vom Einrad-Virus gepackt. Auf einem Campingplatz in Italien fuhr ein Mädchen mit dem Einrad. «Das wollte ich unbedingt auch ausprobieren», sagt die 18 Jährige. Gesagt, getan und bereits nach den Ferien konnte sie selbstständig fahren. «Ich war derart begeistert davon, dass mir meine Eltern nach den Ferien ein eigenes Einrad gekauft haben.»
Es sei schade, dass noch nicht mehr Leute die Faszination dieser Sportart entdeckt hätten, schliesslich können fast alle innerhalb weniger Wochen schöne Fortschritte erzielen. «Wer während zwei Wochen täglich eine Stunde trainiert, lernt selbstständig aufzusteigen und sowohl geradeaus als auch Kurven zu fahren», sagt Doris Engler. Gemäss Lucienne Bolis sei es wichtig, durchzuhalten und nicht gleich aufzugeben. Habe man die ersten Hürden genommen, fährt es sich fast von alleine. Nebst dem Biss, weiterzumachen, sind ein gutes Gleichgewichtsgefühl und eine hohe Konzentrationsfähigkeit wichtig, um den Sport auszuführen. Besonders beim Downhill braucht es viel Muskelkraft, schliesslich bremst man das Einrad durch Krafteinwirkung auf das Pedal gegen die Drehrichtung des Rades. Entscheidend sei mutig zu sein und Spass zu haben. Vor allem dann, wenn man die Strassen verlässt und sich querfeldein seinen Weg bahnt.
Beide sehen im sogenannten Muni-Fahren den grössten Spassfaktor. Muni bedeutet Mountain-Unicycling und meint das Fahren mit dem Einrad in unwegsamen Gelände. Weiter gibt es in der Kategorie Rennen die Sprint-, die Langstrecken- und die Spezial-Disziplinen. Ist bei den ersten beiden Disziplinen vornehmlich die Zeit entscheidend, geht es bei Letzterer z. B. um Hoch- und Weitsprung oder besonders langsames Fahren. Bestens bekannt aus der Zirkusmanege sind die Kunststücke und Tricks, die mit dem Einrad gemacht werden können und nicht zuletzt gibt es seit geraumer Zeit Welt- und Europameisterschaften im Einradhockey. Während Doris Engler nur zum Spass fährt, kann es sich Lucienne Bolis vorstellen, eines Tages wettkampfmässig zu fahren. Aktuell freuen sie sich, einmal in der Woche gemeinsam mit dem Verein «Team Ursli - Unicycle Riders (from) Switzerland (and) Liechtenstein» unterwegs zu sein. «Wir gehen bei jedem Wetter nach draussen», sagt Lucienne Bolis und Doris Engler ergänzt: «Bei ganz schlechten Verhältnissen trainieren wir in der Halle.» Am liebsten aber fahren sie über Stock und Stein einen Berg hinab, auch wenn dies am meisten Überwindung braucht. Um Verletzungen zu vermeiden, sei es wichtig, Routen zu wählen, die seinem Können entsprechen. Helm, Handschuhe und Beinschoner schützen nur das Nötigste, wohingegen eine konzentrierte und kalkulierte Abfahrt das Risiko auf ein Minimum reduziert. «Und dennoch gehören blaue Flecken wie bei vielen Sportarten dazu», sagt Lucienne Bolis.
Obwohl es den Verein erst seit diesem Frühjahr gibt, unternehmen die Mitglieder teils schon jahrelang zusammen Einradtouren. Ausserdem sind sie die Organisatoren des Einradtreffens «Elsbet» in Triesen. Das einzigartige Liechtensteiner und Schweizer Berg-Einrad Treffen findet zwischen 17. und 21. Mai zum achten Mal statt. Jeden Tag wird dann mit dem Bus ein anderes Ziel angesteuert. «Für die Anfänger gibt es kurze Touren, mit den Besseren unternehmen wir ganze Tagesausflüge», sagt Doris Engler, die Vizepräsidentin des Vereins und ergänzt: «Es geht nicht um einen Wettkampf, sondern das Vergnügen steht im Zentrum.»