30.11.2020

Mit Baulampen und doppelten Zäunen

Kleintierhalter aus Wolfhalden, Oberegg und Walzenhausen erklären, wie sie sich auf die weitere Anwesenheit des Wolfes vorbereiten.

Von Smilla Bühler
aktualisiert am 03.11.2022
Der Wolf geht um: Zuletzt wurden im Appenzellerland und im Rheintal mehrere, kurz aufeinanderfolgende Sichtungen gemeldet. Laut der Gruppe Wolf Schweiz handelt es sich um Jungtiere, die letztes Jahr geboren wurden und herumwandern.Und wo der Wolf sich rumtreibt, folgen bald die ersten Risse. Seit Ende Oktober wurden in der Region mehrere Schafe und eine Ziege vom Wolf getötet. Der erste Fund im November ereignete sich auf einer Weide des Walzenhausers Jürg Kellenberger. An einem Sonntagabend tauchten zwei seiner drei Ziegen überraschend auf dem Hof auf, der in der Nähe des Sportplatzes Franzenweid in Walzenhausen liegt. Kellenberger sagt: «Das erstaunte mich: So sehen wir die Tiere normalerweise eher selten, wenn sie weiden. Zudem waren die Ziegen eingezäunt.»Kellenbergers Sohn machte sich auf die Suche nach der dritten Ziege, die er leblos im hinteren Bereich der Weide auffand. Ein Bein sei abgetrennt mehrere Meter neben dem zerfleischten Körper der Ziege gelegen. Der kantonale Wildhüter bestätigte Kellenbergers Verdacht: Die Ziege war einem Wolf zum Opfer gefallen.Halter von Kleintieren wurden per SMS informiertNach dem Riss erhielten die Kleintierhalter der angrenzenden Gebiete per SMS eine Warnung und die Empfehlung zu erhöhtem Herdenschutz. «Ich kann nicht einfach eine Betonmauer um meine Weiden ziehen», sagt Kellenberger. Seine Schafe und Ziegen hat er mittlerweile in den Stall geholt. Das sei am sichersten, ein weiterer Riss wäre besonders für seine Enkelkinder schrecklich. «Meine Enkel fragen fast täglich, ob die Ziege nicht wiederkomme. Sie haben Angst, dass uns eine weitere genommen wird.»Das Gefühl kennt Sepp Bürki aus Oberegg gut. Auch bei ihm schlug der Wolf zu und tötete ein Schaf. Bürkis Herde weidete an einem Samstagmorgen in unmittelbarer Nähe zum Bauernhaus des Landwirts. Um 9.30 Uhr erhielt Bürki einen Anruf seines Nachbarn, der sagte, die Herde sei nicht mehr zu sehen. Alarmiert machte sich Bürki auf die Suche nach seinen Schafen, die scheinbar angsterfüllt das Weite gesucht hatten. Bürki sagt: «Ich fand das getötete Schaf etwa 100 Meter ausserhalb des Zaunes. Der Wolf muss darüber gesprungen sein und das Tier dann mitgeschleift haben.» Der Zaun ist einen Meter hoch und mit über 3000 Volt Strom versorgt. Auf Empfehlung des Kantons hat Bürki seine Tiere mittlerweile eingestallt, wo sie Hofauslauf haben: «Die Weide ist jetzt sowieso abgegrast.»Der Landwirt hat über die Anschaffung neuer Zäune nachgedacht, sich aber dagegen entschieden – noch. Im Frühling sehe die Situation bereits anders aus, dann müsse er sich nochmals Gedanken über weiteren Herdenschutz machen, etwa über die Anschaffung von Herdenschutzhunden, so Bürki. «Der Wolf bedeutet für uns Kleintierhalter immer Mehraufwand: mehr Strom, mehr Zäune, mehr Überwachung.»Blinkende Lampen sollen Wölfe abschreckenBürki beobachtet die Situation weiter. Für ihn werde es kritisch, wenn auch eine Gefahr für seine Mutterkühe und Kälber bestehe. Sollten sich die Risse häufen und immer mehr Wölfe die Region durchstreifen, ist er für die Regulation des Raubtiers. Ähnlich sieht es Othmar jr. Buschor. Der Schafzüchter aus Wolfhalden erfuhr Mitte November spätabends vom Ziegenriss in Walzenhausen. Mit Taschenlampen bewaffnet, zügelte er die trächtigen Schafe und diejenigen mit Lämmern sofort in den Stall. Den Rest verlegte er näher an die Wohnhäuser und zäunte sie doppelt ein. Buschor sagt: «Für mich ist das Züchten und Halten der Schafe mehr als ein Hobby. Es ist eine Leidenschaft: Jedes Tier hat einen Namen und bedeutet mir viel.»Er beschaffte Baulampen und hängte sie in regelmässigen Abständen am Zaun auf. «Vielleicht schreckt das Blinken der Lampen die Wölfe ab», so Buschor. Es sei eine stressige Zeit. Das doppelte Einzäunen bedeute Mehraufwand, und bereits jetzt brauchen die Tiere Futter, das für später gedacht wäre.Buschor denkt langfristig. Die Tiere wären für die Wintermonate sowieso bald eingestallt worden. Aber wie sieht die Situation im kommenden Frühjahr aus? Buschor: «Im Hochsommer liegen die Schafe tagsüber im Schatten und fressen erst in der Nacht oder frühmorgens vor der Hitze. Da kann ich sie schlecht über Nacht einstallen.»Buschor hat bereits Erfahrung mit dem Umgang von Raubtieren. In den Sommermonaten weiden bis zu 700 seiner Tiere auf einer Alp im Engadin. Dort stellt nicht der Wolf, sondern der immer wiederkehrende Bär eine Gefahr dar. Schutz bringen dort Herdenschutzhunde. Ob diese auch irgendwann hier nötig seien, weiss Buschor noch nicht. Im Falle von weiteren Rissen stimmt er Sepp Bürki zu, dass eine Regulation nötig sei. In der Zwischenzeit wird Buschor die aktuellen Vorfälle genau verfolgen. So, wie wahrscheinlich alle Kleintierhalter der Region.

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