28.01.2019

Mit 17 ans Steuer: Zu früh?

Bald dürfen Jugendliche bereits mit 17 ihren Lernfahrausweis beantragen. Diese und weitere neue Verordnungen der ehemaligen Verkehrsministerin Doris Leuthard werfen bei Fahrlehrern Fragen auf.

Von Chris Eggenberger
aktualisiert am 03.11.2022
Chris EggenbergerMit ihren letzten Amtshandlungen im Dezember übersprang die damalige Verkehrsministerin Doris Leuthard Parlament und Volk – der Bundesrat führte diverse neue Verordnungen im Lernfahrbereich ein. Doch nicht nur das Umgehen einer Abstimmung, sondern vor allem der Inhalt der Verordnungen gibt immer noch zu reden.«Eine Änderung in der Fahrausbildung war nicht nötig, denn die Schweiz hat eines der europaweit besten Systeme», sagt Fahrlehrer Ralph Zoller aus Au. Die neuen Vorlagen seien überstürzt und gefährden alle Teilnehmer im Strassenverkehr. Der langjährige Fahrlehrer Walter Zünd aus Kriessern meint, manche der Änderungen bereiten ihm Bauchschmerzen.Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU), die die Änderungen unterstützt, gebe der Lernausweis ab 17 Jahren den Jugendlichen mehr Zeit, auf der Strasse zu üben. Ralph Zoller ist nicht überzeugt. Nicht jeder Fahrschüler könne privat mit Eltern oder anderen üben; was auch verständlich sei. Denn falls bei Übungsfahrten Unfälle passieren, können auch die Eltern gegebenenfalls ihren Führerausweis verlieren. Dieses Risiko wollen viele nicht eingehen; vor allem mit einem jungen Neu­lenker. Walter Zünd meint aus­serdem: «Beim Fahren mit Eltern gewöhnen sich Schüler mehr fehlerhafte Dinge an, die später schwer wegzubekommen sind.»Zum grossen Problem wird das neue Gesetz für Fahrschüler, die ihre Prüfung so schnell wie möglich absolvieren wollen; zum Beispiel weil sie im Beruf verlangt wird. Denn egal ob ein Schüler den Lernfahrausweis direkt mit 17 oder erst mit 19 Jahren bestellt, die Lernphase dauert mindestens ein ganzes Jahr. Erst danach können Schüler vom Fahrlehrer zur praktischen Prüfung angemeldet werden.Sparen bei der VerkehrssicherheitStark kritisiert Ralph Zoller auch die Kürzung der Weiterbildungskurse auf einen Tag. Diese Kur­- se seien für Neulenker wichtig, um Fähigkeiten wie umweltbewusstes Fahren, Einschätzen von Schleudergefahr und das Analysieren von Unfallsituationen zu erlernen. Auch für Zünd ist diese Änderung unverständlich. Es sei eine reine Kostenreduzierung zu Lasten der Sicherheit im Strassenverkehr. Da die Regel ab sofort für jeden gilt, der ab Anfang nächsten Jahres seinen Führerschein auf Probe zum Endgültigen umwandeln kann, also alle, die ihre Prüfung nach 2017 bestanden haben, mussten zahllose bereits gebuchte und bezahlte Zweitageskurse wieder revidiert werden. Laut Fahrlehrern ein völlig unnötiges Chaos.Kontrovers ist auch die Abschaffung des Automateneintrages. Automatenfahrer dürfen damit ab 1. Februar auch Fahrzeuge mit Schaltgetriebe lenken, obwohl sie dies nie gelernt haben. Diverse Tests zeigen deutlich: Wer auf einem Automaten fahren gelernt hat, ist in einem Schaltwagen völlig überfordert.Die Fahrschule Zoller wird seinen Fahrschülern deshalb weiterhin empfehlen, im schaltgetriebenen Auto zu lernen. Die Änderung sei mit Blick auf die steigende Anzahl Automaten auf der Strasse zwar richtig, komme aber klar zu früh. Den Sinn hinter der Lockerung von Alterstests und Sehregulierungen (siehe Kasten) zu sehen, sei schwierig, sind sich Zoller und Zünd einig. Damit werde die Sicherheit keinesfalls verbessert.Den Jugendlichen einen Gefallen getan?Ob Leuthard den Jugendlichen mit dieser Blitzeinführung der neuen Regeln einen Gefallen getan hat, ist fraglich. Viel eher habe die Alt-Bundesrätin dem momentan nach jungen Mitgliedern werbenden TCS noch einen Gefallen geschuldet, spekuliert Daniel Menzi, Geschäftsführer des Fahrlehrerverbands im Interview mit der «Sonntagszeitung».

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