Altstätten 14.12.2023

Missbrauchsopfer erzählt: «Es gibt Momente, die mich triggern»

Sexueller Missbrauch: Wie Naomi Eigenmann ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will.

Von Marcel Baumgartner
aktualisiert am 14.12.2023

Als Kind wurde die heute 27-jährige Naomi Eigenmann aus Altstätten über Jahre hinweg sexuell missbraucht. Seit Kurzem verarbeitet sie das Ganze in einem eigenen Podcast «Unlock your Soul» und bietet unter anderem auch jenen eine Begleitung an, die Ähnliches erlebt haben.

Den Entschluss, öffentlich über ihr Schicksal zu sprechen, hat sie erst vor wenigen Monaten gefasst. Nicht zuletzt deshalb habe sie auch an den «Miss Universe Switzerland»-Wahlen teilgenommen. Sie wollte diese Plattform nutzen, um dem Tabuthema eine Stimme zu geben, um Reichweite zu erhalten. Im Podcast mit «Die Ostschweiz» erzählt Naomi Eigenmann über ihren Weg und weshalb sie sich nun traut, darüber zu sprechen.

Vor ein paar Monaten nahm Naomi Eigenmann an den "Miss Universe Switzerland"-Wahlen teil.
Vor ein paar Monaten nahm Naomi Eigenmann an den "Miss Universe Switzerland"-Wahlen teil.
Bild: pd

Sexueller Missbrauch ist kein öffentliches Thema

«Ich habe mich vergangenes Jahr stark mit Persönlichkeitsentwicklung befasst», erklärt Naomi Eigenmann. In diesem Zusammenhang habe sie fest­gestellt, dass sie das Erlebte doch noch nicht so verarbeitet hat, wie angenommen. Der entscheidende Moment, das Thema Missbrauch nach aussen zu tragen, kam ihr während eines Gesprächs mit einer Freundin.

Ich merkte, dass sehr viele Menschen von sexuellem Missbrauch oder häuslicher Gewalt betroffen sind. Es kommt beides so oft vor, aber es wird nicht wirklich darüber gesprochen.

Aus diesem Grund entschied sie sich, mit ihrer Geschichte an 
die Öffentlichkeit zu gehen. Sie möchte den betroffenen Menschen helfen und ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind.

Vom «engen» Freund der Familie missbraucht

Die Rheintalerin wuchs bei einer Pflegefamilie auf. Im Alter von acht Jahren verändert sich ihr Leben für immer. Schuld daran war ein «enger Freund» der Familie. «Er fasste mich an Orten an, an denen man ein Kind nicht anfasst», erzählt 
sie. Während mehreren Jahren kommt es zu solchen Missbräuchen. Dass dies nicht normal war, erkannte sie aber erst später:

Als Kind hat man keine ­Ahnung, was da mit einem passiert. Erst als ich meinen ersten richtigen Freund hatte, wurde mir klar, dass da etwas vorge­fallen ist, was nicht hätte passieren dürfen.

Heute sind die Bilder an die Erlebnisse verschwommen. Die Erinnerungen bleiben dennoch bestehen. «Es gibt immer wieder Momente, in denen es zu Flashbacks kommt, Momente, die mich überfordern, weil mich irgendetwas triggert.» Heute kann sie offen darüber sprechen. Auch über die häusliche Gewalt, der sie als Kind ausgeliefert war.

Was würde sie dem Täter heute sagen?

Ihr Pflegevater trank an den ­Wochenenden regelmässig und griff sie und ihre Mutter an. Deshalb hatten sie damals oft die Polizei im Haus. Eine ähnliche Erfahrung machte sie in einer Beziehung, in der ihr Ex-Freund sie schwer misshandelte. Er drückte sie auf den Boden, würgte sie und sie musste anschliessend mit Verdacht auf einen Schlüsselbeinbruch in den Notfall gebracht werden.

Im Podcast mit «Die Ostschweiz» erzählt die 27-Jährige auch, was sie dem Mann, der sie als Kind sexuell missbraucht hat sagen würde, sollte sie ihm irgendwann wieder einmal begegnen: «Ich würde dir gerne mitteilen, welche Gefühle ich 
in diesen Momenten durchlebt habe. Ich möchte dir verdeutlichen, welches Leid du verursacht hast und wie sehr deine Handlungen mich geprägt haben.» Naomi Eigenmann hofft inständig, dass er nach dieser Tat niemals wieder jemand anderem dasselbe antat wie ihr.

Bei der Verarbeitung habe ihr geholfen, ihre Gefühle und Gedanken in einem Tagebuch aufzuschreiben. «So hat man weniger Ballast im Kopf.» Das sei besonders für Menschen empfehlenswert, die Schwierigkeiten haben, offen mit anderen über ihre Probleme zu sprechen. Sie erklärt:

Viele Betroffene sind anfangs vorsichtig in ihrer Wortwahl und teilen nicht gleich alles mit, was sie denken.

«Aber auf  Papier können sie alles ausdrücken.» Und das anschliessende Verbrennen helfe, die Gedanken «loszulassen».


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