19.02.2022

Milchverarbeiter profitieren vom Boom

Der Export von Schweizer Käse hat 2021 einen Rekordwert erreicht. Im Appenzellerland setzen die Käser auf regionale Stärke.

Von Mea Mc Ghee
aktualisiert am 02.11.2022
Raclette oder Fondue stehen in der kalten Jahreszeit hierzulande auf manchem Menüplan. Und auch andere Käsesorten erfreuen sich grosser Beliebtheit. Nicht nur in der Schweiz: Wie die kürzlich von Switzerland Cheese Marketing AG publizierten Zahlen zeigen, hat der Käseexport im vergangenen Jahr zugenommen. 2021 ging die Rekordmenge von über 82000 Tonnen Schweizer Käse ins Ausland. Das sind rund 40 Prozent der gesamten Produktionsmenge des Landes.5057 Tonnen «Appenzeller» exportiertMit dem Appenzeller Käse gehört ein Produkt aus dem Appenzellerland zu den meistexportierten Käsesorten der Schweiz. Etwas über 5057 Tonnen des Halbhartkäses mit dem bestgehüteten Geheimnis um die Käsesulz gingen im Jahr 2021 ins Ausland. Gegenüber 2020 betrug die Exportsteigerung 3,4 Prozent oder 164,8 Tonnen. Wichtigstes Exportland für den Appenzeller Käse ist Deutschland mit 3724 Tonnen. Dies bedeutet unter allen Schweizer Käsesorten den Spitzenplatz im nördlichen Nachbarland.«Das Geschmacksprofil mit der Würzigkeit mundet den Deutschen», begründet Christoph Holenstein, Direktor der Sortenorganisation. Zudem würden die gleichen TV-Werbekampagnen gefahren wie in der Schweiz. Nach Frankreich wurden letztes Jahr 671 Tonnen «Appenzeller» exportiert und in die Beneluxstaaten deren 209. Auch in Übersee wird Appenzeller Käse konsumiert: 31 Tonnen gingen in die USA, deren 21 nach Kanada. Zwischen 50 und 60 Prozent des Appenzeller Käses wurden exportiert. Bis zur Präsentation des Geschäftsberichtes gibt es keine Zahlen zur Produktionsmenge oder zum Umsatz in der Schweiz. Eines verrät Christoph Holenstein aber dennoch: «Appenzeller Käse erzielte 2021 das zweitbeste Ergebnis der Geschichte nach 2020.»Die Pandemie hatte einen grossen Einfluss auf den Geschäftsgang. Alleine im März 2020 wurden in der Schweiz gemäss Holenstein 150 Tonnen mehr Appenzeller Käse gekauft als in einem gewöhnlichen Monat. Insgesamt wurden 2020 in 43 Käsereien 9308 Tonnen Appenzeller Käse hergestellt. Den Erfolg begründet Holenstein nicht zuletzt mit den neuen Produkten, die lanciert wurden. Er nennt den Rahmkäse, der wesentlich zum Wachstum beigetragen habe. Einen Boom sieht Holenstein auch in der Produktion von Biokäse. Hier betrage das Wachstum der letzten fünf Jahre 60 Prozent.Immer wichtiger werde die Nachhaltigkeit, sagt Christoph Holenstein. «Die Konsumenten erwarten, dass die Milch mit dem Einsatz eines möglichst grossen Anteils einheimischer Ressourcen produziert wird.» So würden immer mehr der rund 750 Milchlieferanten auf Futter aus einheimischer Produktion setzen. Grösster Milchverarbeitungsbetrieb im Appenzellerland ist die Berg-Käserei Gais, die seit Januar 2021 als AG figuriert. Seit Herbst 2018 produziert Andreas Hinterberger mit seinem Team in den neuen, modernen Räumlichkeiten in der Forren. Im vergangenen Jahr wurden 17,5 Millionen Liter Bergmilch verarbeitet, 15 Prozent mehr als 2020.Zwei Drittel der Produktion gehen ins AuslandAndreas Hinterberger macht im Konsumverhalten einen Trend aus, zu weniger Fleisch und mehr Käse. Er sagt: «Schweizer Käse geniesst im In- und Ausland grosses Vertrauen als natürliches Produkt ohne Zusatzstoffe.» Knapp 60 Bauernbetriebe aus dem Appenzellerland liefern den Rohstoff in die Berg-Käserei. Verkäst wird die Milch unter anderem zu den Eigenmarken Säntis Bergkäse und Gaiser Bergkäse. Auch Raclettekäse gehört zum Sortiment. Dieser macht einen grossen Teil der Exportprodukte aus. Etwa zwei Drittel der Produktion aus Gais gehen ins Ausland. Hauptabsatzgebiete sind Deutschland, Frankreich und Belgien. «Die Schweizer Käsebranche erbringt eine enorme Marktleistung», sagt Andreas Hinterberger. Angesichts des deutlich höheren Milchpreises gegenüber dem Ausland und des starken Frankens seien gute Argumente für ein Produkt nötig.Für eine seiner Spezialitäten, den Rustico Nostrano, hat An-dreas Hinterberger in den neuen Produktionsräumlichkeiten extra einen Gewölbekeller eingebaut. Hier geniessen bis zu 2400 Laibe eine natürliche Schimmelreifung. Das herkömmliche Reifelager fasst bis zu 60 000 Käselaibe. Die Berg-Käserei arbeitet mit allen Grossverteilern des Landes zusammen. Dazu betreibt Andreas Hinterberger am Produktionsstandort einen Direktverkauf. Obwohl der Käseladen nicht an einer Durchfahrtsroute liege, zähle man nebst Kundschaft aus Gais auch auf viele Auswärtige.Direktvermarktung ist wichtigWährend der Appenzeller Käse auch ennet der Landesgrenzen einen hohen Bekanntheitsgrad geniesst, gibt es andere Käsespezialitäten aus dem Appenzellerland, die vor allem in der Schweiz einen Markt finden. Die Urnäscher Milchspezialitäten AG etwa verkauft einen grossen Teil ihrer Produkte im eigenen Chäslädeli am Dorfrand von Urnäsch. Melanie Bischof, Leiterin Verkauf und Marketing, sagt: «Wir spüren das Bedürfnis der Kundschaft nach Produkten aus der Region. Dass wir ein Appenzeller Produkt anbieten, ist ein grosser Pluspunkt.» Während der Pandemie hätten mehr Leute das Chäslädeli besucht und damit das Wegbleiben der ausländischen Gäste kompensiert. Die Urnäscher Milchspezialitäten AG profitiere von Feriengästen des Reka-Dorfes und von Touristen, die auf dem Weg zur Schwägalp im Ladengeschäft einkaufen. Zugelegt haben jüngst die Verkaufszahlen des Onlineshops, auch wenn es noch Luft nach oben gebe, so Melanie Bischof.Im Jahr 2007 gründeten 35 Familien die Käserei, um ihre Bergmilch zu verarbeiten und zu vermarkten. Die beteiligten Bauern haben im Unternehmen eine Doppelfunktion als Eigentümer und Milchlieferant. Das Team der Urnäscher Käserei zählt acht Vollzeitbeschäftigte und bis zu fünf Teilzeitangestellte.Das Team um Käsermeister Paul Koller, der seit 2018 Produktionsleiter ist, verarbeitet jährlich rund 2,7 Millionen Liter Milch. Daraus entstehen 270 000 Kilogramm Käse. Täglich werden bis zu 2000 Laibe von Hand geschmiert. Die bekannteste Sorte ist der Urnäscher Hornkuhkäse, der über Käsehändler zu einem kleinen Teil exportiert wird. Hauptsächlich nach Deutschland, so Melanie Bischof. Auch in die USA werde der Halbhartkäse geliefert. In den Wintermonaten verzeichnet das Unternehmen auch einen guten Absatz an Raclettekäse sowie Fondue. Mit dem Edelweiss gibt es auch einen bei Kunden beliebten Weichkäse im Sortiment. Innovativ zeigen sich die Urnäscher mit Neukreationen wie dem Berggouda und dem Ginkäse.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.