27.10.2022

«Mich interessiert alles, immer, irgendwie»

Am Tag der offenen Tür in Heerbrugg und Widnau werden Werke der verstorbenen Künstlerin JOHannaS gezeigt.

Von Maya Schmid-Egert
aktualisiert am 02.11.2022
«Passen die knalligen Kussmünder besser ins Bistro am Markt oder in den Brot & Co.?», brütet Carmen Egert über der Frage, welche Exponate wo gezeigt werden. Die Vizepräsidentin von Pro Heerbrugg schlüpft für den Tag der offenen Tür in die Rolle einer Kuratorin. Es sei eine Qual der Wahl: «JOHannaS schuf Hunderte von Werken.» Doch die Ideengeberin der Ausstellung, die Carmen Egert auch ist, richtet diese gerne aus: «Im Rheintal kannte man die extravagante Künstlerin mit den pinken Haaren, die mehrmals auch im Stellwerk ausstellte.» Das auffällige Äussere schuf wahrscheinlich nicht nur für die Coiffeuse den ersten Zugang: «So einen gewagten Stil sieht man bei einer älteren Frau selten. Das fiel natürlich auf.»«Ein bunter Mensch – äusserlich wie innerlich»JOHannaS nahm dazu in einem Interview mit Helvetic Care so Stellung: «Meine Haare gehö­ren zu meiner Kunstmarke.» Was diese ausmachte, erklärte Kunst7-Galeristin Sonja Kuriger  in einem Videoporträt: «Sie ist ein bunter Mensch, nicht nur äusserlich, auch innerlich – und damit für mich eine der viel­seitigsten Künstlerinnen.» Und eine TVO-Moderatorin sagte 2018 einen Beitrag über die Limmex-Gewinnerin (Auszeichnung für aussergewöhnliche Menschen über 65 Jahre) mit einem Augenzwinkern an: «Betrachtet man ihre Bilder, würde man nicht vermuten, dass eine 78-Jährige dahinter steckt.» Die zeitgenössische, experimentelle Kunst mit poppigen Farben hatte es JOHannaS angetan. Unkonventionell und neugierig setzte sie Materialien wie Plexiglas oder Schaumstoff ein. «Mich interessiert alles, immer, irgendwie», sagte die damals 79-Jährige in der österreichischen Barbara-Karlich-Show, in der sie als Talkgast zum Thema «Lebenslust statt Altersfrust» eingeladen war.Kein Wunder, faszinierte sie jenes Computerprogramm, mit dem sie kleinste Fotos einlesen und dann zu einem grossen Bild komponieren konnte. «Photopainting Mosaic», nannte JOHannaS dies – und man könnte folgern: Wieder setzte sie den ihr eigenen, überraschenden Farbtupfer, diesmal in der Wahl der Technik (und zu sehen bei den Schmollmündern).Dass die Kunstmarke JOHannaS in der Branche funktionierte, liest sich an ihren zahlreichen Ausstellungen in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Italien, Luxemburg sowie den USA, China und Korea. Im früheren Leben vom Schicksal schwer getroffenDoch was wie eine gephoto­shopte Biografie wirkt, war im Grunde das zweite, vielleicht erfülltere Leben der JOHan­naS. Im ersten hiess sie Johan­na Schneider und wurde vom Schicksal zweimal schwer getroffen: Als 16-Jährige, die nach dem Tod der Mutter von Kärnten zu ihrer Cousine Rosi Pöltinger ins Rheintal ziehen musste. Und als 39-jährige Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern, die ihren Gatten Werner durch einen Unfall verloren hatte.Die Schneiders lebten damals in einem Haus am Brändlihang in Au. Sohn Christian Schneider lebt heute mit seiner Familie dort. Tochter Corinne Wörnhard zog es mit ihrer Familie nach Montlingen. Wer sich noch an den Rheinpark der 1970er-Jahre erinnern kann, weiss, dass es damals einen Möbel Pfis­ter gab. Johanna Schneider war dort Wohnberaterin, später Direktionssekretärin bei Hiag, Menzi und Greiter, bildete sich zur Produkt-Managerin weiter, arbeitete bei Leica, wo sie bis zur Pensionierung die Posi­tion der Logistik-Direktorin inne­hatte. Am 21. Dezember 2021 starb JOHannaS an Krebs. An der Beerdigung in Heerbrugg wurde Udo Jürgens, den sie verehrte, gespielt. «Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an», hiess einer seiner grössten Hits. JOHannaS lebte dies wie keine andere. Ihre Bilder bleiben ewig jung.Ausstellende Geschäfte: Amavita, Beat Sport (in Widnau) und Brot & Co., Kühnis Hörwelt & Optik, Manor, Mc Optik, Moflar, NCM Boutique, Nodelspiel, Textil & Raum, Nüesch Photo, Mall am Markt (in Heerbrugg). Restaurants: Bistro am Markt, Max, Zarriellos (in Heerbrugg), Forum (in Widnau).

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