26.07.2021

Meinung: Jubla-Leiter müssen keine Roboter sein

Menschen, die ehrenamtliche Arbeit verrichten, verdienen Anerkennung. Junge Menschen sowieso, denn statt für andere zu wirken, könnten sie die Zeit zum Stillen eigener Entdeckungslust verwenden.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Auch ehrenamtliche Arbeit will allerdings bestmöglich geleistet sein. Wer sich für andere einsetzt, muss das natürlich genauso gewissenhaft tun wie er zum Beispiel seinen Job verrichtet, eine Prüfung in Angriff nimmt oder sein neues Smartphone auswählt.Freiwilligenarbeit entbindet nicht von der Pflicht, sorgfältig vorzugehen und allfällige Risiken einzuschätzen. Auch die bestgemeinte Hilfsbereitschaft ist kein Freibrief für Larifari. Weise ich einem Skifahrer, der versehentlich auf einer gesperrten Piste unterwegs ist, zuvorkommend den Weg, nützt es ihm nichts, wenn sein Ausflug auf einem Schneebrett endet.Erstens ist das allen klar und zweitens würde sicher niemand beispielsweise einem Jungwachtleiter unterstellen, er gebe nicht sein Allerbestes.Womit der Blick nochmals aufs abgebrochene Widnauer Jubla-Lager gerichtet ist. Nachdem ein paar Leitern im Lager unwohl geworden war und Corona-Schnelltests positive Ergebnisse erbracht haben, lässt sich über das vorzeitig beendete Lager salopp und völlig wertungsfrei dieses Fazit ziehen: Dumm gelaufen.Dass die anschliessende Quarantäne inmitten der Ferienzeit nicht allen Familien gelegen kam, liegt auf der Hand. Folgerichtig haben sich manchen (übrigens selbstkritischen) Eltern im Nachhinein ein, zwei Fragen aufgedrängt.Niemand hat aber die Ambition der ehrenamtlich tätigen jungen Menschen in Frage gestellt. Ihr Bestreben, das Lager bestmöglich vorzubereiten und durchzuführen, ist von niemandem in Zweifel gezogen worden.Letztlich haben die Lagerverantwortlichen vielleicht (!)einen falschen Entscheid gefällt, wie es im Wirtschaftsleben tagtäglich geschieht. Obschon der bei der Lagervorbereitung gewählte Weg (mit Selbsttest und Selbstdeklaration) auf der Webseite von Jubla Schweiz als Möglichkeit ausdrücklich auch erwähnt ist, hätte die Jubla Widnau vermutlich besser mehr Kontrolle ausgeübt statt auf Eigenverantwortung gesetzt. Die Verantwortlichen waren davon ausgegangen, dass nur negativ getestete Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Lager kämen. Allerdings ist einzuräumen, dass auch lauter negative Tests keine hundertprozentige Sicherheit geboten hätten.Weder die Berichterstattung noch der Ärger, den ein Teil der Eltern zwangsläufig hat, schmälert auch nur im geringsten die Anerkennung für Einsatzbereitschaft sowie die erbrachte Leistung der Jubla-Verantwortlichen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.Auch wer sein Bestes gibt, kann eine Gefahr unterschätzen und einen Weg einschlagen, der sich später als unglücklich erweist. Selbst wer nach bestem Wissen und Gewissen handelt, ist vor einem Rückschlag oder einer unerwünschten Überraschung nicht gefeit.Kritische Fragen sollten auch möglich sein, wenn beste Absichten im Spiel waren. Niemand verlangt von jungen Menschen, dass sie roboterhaft als unfehlbare Wesen durchs Leben wandeln. Sicher ist es nicht das Schweigen, das uns weiterbringt. 

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