19.02.2020

Mehrverkehr ist messbar

«Egal, wie die Evaluation ausfällt, wir kämpfen weiter gegen die Mautbefreiung», sagt Kurt Fischer, Lustenau.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Seit 15. Dezember gilt auf der Autobahn A 14 zwischen Altach und Hörbranz freie Fahrt. Anrainer und Transitreisende müssen auf dieser Strecke keine Maut bezahlen. Der Widerstand ge-gen den Beschluss der Österreicher Regierung ist ungebrochen. Am Montag wandten sich die Bürgermeister und Gemeindepräsidenten der fünf Grenzgemeinden beidseits des Rheins mit einem Brief an Leonore Gewessler (österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie). Sie fordern die Politikerin auf, die Mautbefreiung zurückzunehmen. Bregenz vom Verkehr zu entlasten, dürfe nicht zu einer untragbaren Verschärfung in den belasteten Siedlungsgebieten führen, sagt Kurt Fischer, Bürgermeister von Lustenau.Bis zu 12 Prozent mehr Verkehr am ZollFährt man zu Stosszeiten in Au oder Hohenems über die Grenze, lässt sich der Stau nicht umgehen. Ein Augenschein am Autobahnanschluss Hohenems zeigt lange Autoschlangen und einen verstopften Kreisel. Ist der Eindruck, dass der Verkehr seit der Mautbefreiung zugenommen hat, belegbar? Das Land Vorarlberg erhebt bis Februar 2021 das Verkehrsaufkommen. Das Ergebnis der Evaluation wartet auch der Kanton St. Gallen ab, bevor er etwaige Massnahmen trifft. Vorarlberg beobachtet die Verkehrsflüsse an 20 Messstellen zwischen Hörbranz und St. Anton im Montafon. Ziel ist, etwaige Verlagerungen zu erkennen und einen fundierten Überblick zu gewinnen, bevor das Schlussergebnis feststeht, heisst es in einer Mitteilung. Anfang Januar war keine erhebliche Veränderung in Zusammenhang mit der Mautbefreiung erkennbar. Der Mehrverkehr sei bedingt durch das schöne Wetter und den starken Tourismusverkehr.In Diepoldsau hat das kantonale Tiefbauamt je einen Verkehrszähler auf der Schrägseilbrücke und am Zoll Diepoldsau angebracht. Der Verkehr hat im Januar und Februar im Vergleich zu den Vorjahren am Zoll um 6 bis 12 Prozent zugenommen, auf der Brücke sind es 3 bis 6 Prozent. Nach Meinung des Landes Vorarlberg passieren mehr Autofahrer die Grenze, weil sie einkaufen möchten. Den Grund sieht das Bundesland nicht in der Vignettenbefreiung. Ausserdem führe die Sperrung der Brücke Kriessern – Mäder zu einer leichten Verlagerung.«Noch repräsentativer wird die Auswertung Mitte Jahr sein», sagt Roland Wälter Gemeindepräsident von Diepolds-au. Er sei überzeugt, dass in den Sommerferien der Süd-Nord- Verkehr respektive in umgekehrter Richtung deutlich zunehmen werde.Aus Kriessern könne er leider keine Zahlen liefern, sagt Rolf Huber, Gemeindepräsident von Oberriet. Er warte auch auf die Messergebnisse aus Vorarlberg. Der Verkehr werde sicher in den nächsten Jahren auch ohne die Mautbereifung zunehmen. Welche Zunahme auf sie zurückzuführen sein wird, könne er nicht abschätzen.«Eine Einschätzung aufgrund subjektiver Wahrnehmung ist nicht möglich», sagt Gottfried Brändle, Bürgermeister von Altach. Messergebnisse für seine Gemeinde liegen ihm nicht vor.«Genaue Zahlen können wir nicht nennen, aber gefühlt hat sowohl der Reise- als auch der Tagesverkehr zugenommen», sagt Dieter Egger, Bürgermeister von Hohenems. Ob das auf die Mautbefreiung oder andere Umstände zurückzuführen sei, könne er seriös nicht beurteilen.«Die Mautbefreiung ist vom Grundsatz her falsch»Dieter Egger fragt nicht, ob der Mehrverkehr auf die Vignettenbefreiung oder andere Umstände zurückzuführen ist. «Die Mautbefreiung ist vom Grundsatz her falsch», sagt er. Sie stelle Ungleichgewichte und Ungleichheiten her. Die Entlastung von Bregenz gehe zulasten der Knoten Hohenems/Diepoldsau sowie Au/Lustenau. Seit der Eröffnung der zweiten Röhre des Pfändertunnels im Juni 2012 nehme der Verkehr im Rheintal zu und sei teils wesentlich stärker als in Bregenz. «Es fehlt die sachliche Grundlage der Mautbefreiung im Raum Bregenz.»«Unsere Situation ist nicht mit anderen Regionen Österreichs vergleichbar. Wir haben keine Anbindung an die Schweizer Autobahn», sagt Kurt Fischer. Als zum 1. Februar die Vignette 2020 Pflicht wurde, habe er von mehreren Leuten gehört, dass sie auf die Vignette verzichteten. Sie nehmen in Kauf, über Götzis und Rankweil ins Oberland zu fahren.Kurt Fischer kritisiert die Bundesregierung für getroffene Massnahmen, die die Situation im Rheintal verschlimmern. «Evaluieren ist für mich ein Reizwort», sagt er. «Man macht etwas Unvernünftiges und muss es im Nachhinein evaluieren.» Egal, was die Zahlen nach Februar 2021 aussagen werden, die Bürgermeister und Gemeindepräsidenten beidseits des Rheins kämpfen weiter.

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