22.03.2020

Mehr High Tech für Altenpflege

Das Haus Viva ist an einem Grossprojekt beteiligt. Es geht um Robotertechnik und mehr Zeit für die Betreuung.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Als Einstieg zwei beliebige Ideen, wie das Personal im Altersheim entlastet werden könnte und dadurch mehr Zeit für die Betreuung hätte.Erstes Beispiel: Man stelle sich einen intelligenten Rollator vor, der weiss, wo sein Besitzer hinzubringen ist – sei es in den Speisesaal oder vom Städtli zurück ins Haus Viva.Zweites Beispiel: Wer im Rahmen medizinischer Rehabilitation den Körper fordern soll, könnte mit sogenannt smarten («schlauen») Fitnessgeräten selbstständig an seiner Genesung arbeiten.Innovation fördern und die Branche stärkenDas Bestreben ist es, das Personal mit einem neuen Assistenzsystem bestmöglich zu entlasten und zugleich ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das für alle Beteiligten (beispielsweise den Hersteller und das Altersheim als Kunden) stimmt.Die betriebswirtschaftliche Fakultät der Fachhochschule Graubünden in Chur, die ab dem nächsten Herbst einen Bachelor-Studiengang in Mobiler Robotik anbietet, leitet das Projekt.Der Hauptumsetzungspartner ist die Firma F&P Robotics in Glattbrugg, das Institut für die Entwicklung mechatronischer Systeme am NTB Buchs ist der technische Partner, das Haus Viva ist Anwendungspartner. Zudem sind die Universität St. Gallen mit ihrer Forschungsstelle für Informationsrecht und die Uni Zürich mit ihrer Abteilung Datenschutzrecht beteiligt.Der Bund unterstützt das Projekt. Von den 1,2 Mio. Franken veranschlagten Projektkosten trägt er die Hälfte.Das beteiligte Unternehmen bringt mindestens gleich viele Mittel auf und trägt dadurch seine Kosten bei dem Projekt selbst. Das Ziel ist es, ein oder zwei Geräte oder Assistenzsysteme zu entwickeln, die vom Umsetzungspartner F&P im deutschsprachigen Raum Altersinstitutionen angeboten wird – als Gesamtpaket, inklusive Schulung und Installation. Das Projekt trägt somit dazu bei, Schweizer Innovationen schnell auf den Markt zu bringen und so die Branche zu stärken.Viele Ideen, wo High Tech zur Entlastung beiträgtFür das Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Altstätter Haus Viva hat die Firma F&P Robotics eine Fachangestellte Gesundheit sowie eine Psychologin eingestellt.Der in Rorschach lebende Projektverantwortliche Andreas Ziltener, Professor für Entrepreneurial Management an der Fachhochschule Graubünden, bescheinigt dem Umsetzungspartner, selbst viel investiert zu haben, um in einen neuen Markt, den Gesundheitsbereich, vorzustossen. Bekannt ist der mit Elektronik vollgestopfte Lio, ein mobiler Pflegeroboter mit funktionalem Arm, der Menschen aktiv unterstützt und an verschiedenen Orten eingesetzt wird.Am Anfang des Projekts stand die Beschäftigung mit der Pflege. «Wir sind einer Fachangestellten Gesundheit hineno gloffe», sagt Andreas Ziltener, «und haben geschaut, wo eine Unterstützung sinnvoll wäre.» Zudem habe man den Tagesablauf der Bewohnerinnen und Bewohner miterlebt. Auf diese Weise wurden 120 Herausforderungen erkannt, ehe die Priorisierung erfolgte. Sodann ging es um die Sammlung von Ideen für die Unterstützung in der Pflege. Das führte zu Fragen wie dieser: Wie liesse sich der im Laufe des Tages zurückgelegte, enorme Weg der Pflegenden deutlich verkürzen?Für die nächsten Monate beabsichtigt man im Labor verschiedene Einsatzfelder für Assistenzsysteme und Geräte zu testen: Ein Unterhaltungssystem könnte Gruppen verschiedene Unterhaltungsprogramme anbieten. Ein Erinnerungssystem ist zur Erinnerung von Betagten und Pflegepersonal an Termine und regelmässige Tätigkeiten gedacht. Eine intelligente «Menükarte» könnte über das Speiseangebot aufklären, visualisierte Zusatzinfos zu Lebensmitteln und regionalen sowie saisonalen Spezialitäten liefern, Bestellungen aufnehmen und diese digital an die Küche senden. Mit einem Alarmierungssystem würden verschiedene Alarme selektiert und priorisiert, so dass die Pflege qualifizierte Informationen erhält. Diese vier Ideen werden in einer simulierten Umgebung bei F&P in Glattbrugg getestet. Dort sind bereits Prototypen vorhanden, die sich nach entsprechender Softwareprogrammierung verwenden lassen.Zwei weitere Ideen werden im Service Innovation Lab der Fachhochschule in Chur näher geprüft. Es geht um einen smarten Rollator sowie einen intelligenten Pflegewagen. Beim smarten Rollator handelt es sich um ein teilautonomes System, das Orte und Wege zu diesen Orten kennt und den begleiteten Menschen gezielt führen kann. Unter dem intelligenten Pflegewagen muss man sich einen sprachgestützten, mobilen Wagen vorstellen, der Material des täglichen Pflegebedarfs transportiert, wobei der Wagen der Pflegeperson autonom folgt.Prototypen aus Karton sind BastelarbeitenZunächst werden Prototypen aus Karton und Papier gebaut, die im Altersheim Viva vorgestellt und diskutiert werden. Findet eine Idee Anklang, wird der Prototyp weiterentwickelt und für weitere Tests bei Bedarf mit entsprechender Technik versehen. Die 1:1-Kartonprototypen, die man sich als Bastelarbeiten vorstellen darf, dienen vor allem zur Klärung von Wünschbarkeit und technischer Machbarkeit. Anschliessend werden die ersten Mensch-Maschinen-Interaktionen mit Studentinnen und Studenten getestet.Vier der Ideen (Unterhaltungssystem, Erinnerungssystem, Menükarte, Alarmierungssystem) werden in einer simulierten Umgebung beim Hauptumsetzungspartner in Glattbrugg getestet. Dort sind verwendbare technische Apparaturen bereits vorhanden, so dass sich – je nach Idee – die jeweilige Anwendungssoftware testen lässt.Mit den zwei anderen Ideen (Smarter Rollator, intelligenter Pflegewagen) beschäftigt man sich im Service Innovation Lab der Fachhochschule in Chur, wo von der NTB gebaute Prototypen (z. B. Rollator mit Motor und Radar) getestet werden.Wahrscheinlich in Altstätten (und sonst möglichst nahe) wird eine Industriehalle gemietet, in der später grössere Simulationen 1:1 stattfinden können.Die Absicht ist es, eine ganze Etage des Altstätter Hauses Viva als Simulationsmodell zu errichten.

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