14.02.2020

Mehr als der «Mister 100 %»

Spielt Betim Fazliji, gewinnt der FC St. Gallen. Auch, weil der 20-jährige Rebsteiner fast überall einsetzbar ist.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Das Überraschungsteam dieser Super-League-Saison heisst FC St. Gallen. Von allen Seiten wird es mit Lob überhäuft, die Berichterstattung über die im nationalen Vergleich oft unscheinbaren Grün-Weissen hat sprunghaft zugenommen. Besonders, seit der FCSG mit drei Siegen in Folge in die Rückrunde gestartet ist und an der Tabellenspitze den Berner Young Boys und dem FC Basel Paroli bietet.Nicht nur das Team, auch die einzelnen Akteure stehen im Fokus. Unter ihnen ist, neben Stars wie Jordi Quintillà oder Cedric Itten, auch ein Rheintaler. Betim Fazliji ist 20-jährig und hat die beste Bilanz aller Spieler der Liga. Kommt er zum Einsatz, gewinnt sein Team.13-mal schenkte ihm Trainer Peter Zeidler das Vertrauen – es resultierten 13 Siege.«Es geht nichts kaputt, wenn die Serie mal reisst»Der erarbeitete Ruf des «Mister 100 %» freut Fazliji. «Sicher ist das schön, es zeigt ja, wie viele Spiele wir gewonnen haben. Von mir aus darf es gern bis in den Sommer so weitergehen», sagt er und lacht. Dann relativiert der fröhliche 20-Jährige aber: Er gewinne ja nicht allein, sondern mit der Mannschaft. Und es gehe «nichts kaputt, wenn die Serie mal reisst.»Fazliji hat im Juni 2019 nach zwei U21-Jahren seinen ersten Profivertrag unterschrieben. In den Sommer-Testspielen spielte er häufig. Auch in den letzten, als nicht mehr jeder Spieler eine Halbzeit lang zum Einsatz kam. Das war ein gutes Zeichen. Ein weiteres gutes Zeichen war, dass der FCSG ihn nicht verliehen hat, damit er mit mehr Spielpraxis reifer zurückkommt. Trainer Zeidler traute ihm zu, der Mannschaft auch ohne Erfahrung aus der «Knochenmühle» Challenge League sofort helfen zu können.713 Einsatzminuten hat der Rebsteiner in seiner ersten Saison als Profi nun schon gesammelt. Sein Debüt war ein Sprung ins kalte Wasser – auswärts in Basel spielte Fazliji Ende Juli erstmals in der Super League. St. Gallen gewann 2:1. «Ich habe nach der Vorbereitung mit Einsatzzeit gerechnet», sagt Fazliji. Dass es so viel werden würde, dachte er aber nicht.«Egal wo er spielt, er spielt fantastisch»Erklärbar ist das damit, dass Betim Fazliji auf vielen Positionen spielen kann. Diese Saison war er mal zentraler Mittelfeldspieler vor der Abwehr, mal Innenverteidiger, zuletzt gegen Servette linker Aussenverteidiger. Fazliji ist mehr als der «Mister 100 %», er ist der vielleicht vielseitigste Spieler im Kader. Er ist zweikampfstark, zeigt am Ball Übersicht und legt einen erfrischenden jugendlichen Willen an den Tag.«Egal auf welcher Position, er spielt einfach immer fantastisch», sagte sein Teamkollege Lukas Görtler nach dem Sieg gegen Servette am letzten Sonntag gegenüber «fcsg.tv». Fazliji habe ein Extralob verdient für seine Art, wie er jede Lücke schliesse.Die nächste Möglichkeit dazu könnte sich morgen Sonntag bieten. St. Gallen spielt in Luzern und der Spanier Victor Ruiz ist nach seiner roten Karte vom Servette-Spiel gesperrt.Die Position des «linken Achters» habe er gegen Thun schon gespielt, sagt Fazliji.Betim Fazliji lernte früh, ein Allrounder zu seinDas passt ins Bild, das ein Rückblick auf seine Laufbahn zeigt. Schon als Junior beim FC Rebstein lernte Betim Fazliji, auf mehreren Positionen zu spielen. «Ich konnte ihn überall einsetzen», sagt Martin Eggenberger, sein Trainer bei den D-Junioren. Eggenberger, heute Trainer von Rebsteins erster Mannschaft, sagt, technisch habe er Fazliji nicht viel beibringen können. Das Talent sei unverkennbar gewesen. Wovon er aber vielleicht profitiert habe, sei gewesen, auch mit Schwächeren zusammenzuspielen.«Das war nie ein Problem. Er hat damals schon auf dem Platz alle motiviert und Einsatz vorgelebt», sagt Eggenberger. Fazliji habe es nur nicht leiden können, wenn ein Mitspieler nicht Vollgas gegeben habe.Auch sein erster Trainer Richie Aloi erinnert sich gut an den talentierten Buben. Aloi trainierte Fazliji in den F- und E-Junioren und ist heute Trainer von Widnaus A-Junioren. Er sagt: «Natürlich war er fussballerisch der Beste von allen. Aber bei ihm hat’s auch im Kopf gestimmt. Er war immer ruhig und anständig.» Neben dem Talent sei sein Charakter der grösste Pluspunkt, sagt Aloi.Als langjähriger Juniorentrainer weiss er: Talente gibt’s viele. Solche, die den Durchbruch wirklich schaffen, aber nur wenige.Das nächste Ziel ist, dass mehr Pässe ankommenBetim Fazliji ist das gelungen, für ihn ist ein Bubentraum in Erfüllung gegangen. Er wechselte aus Rebsteins Juniorenabteilung zu den Rheintal-Bodensee-Auswahlen, einige Jahre später zum FC St. Gallen. Nach den Lehrjahren in der U17, der U18 und der U21 ist er bei den Grossen angekommen. Nach dem Spiel gegen Servette skandierte die ganze Fankurve seinen Namen.Einen besseren Einstieg ins Profigeschäft als diese Saison hätte es für ihn nicht geben können: Der Mannschaft läuft es nicht nur sportlich, auch das Klima in der Kabine stimmt. «Jeder fühlt sich wohl», sagt Fazliji. An die ferne Zukunft denkt er darum nicht. Er sagt nur: «Kommen in einem Spiel 15 von 20 Pässen beim Mitspieler an, will ich, dass im nächsten Spiel 17 oder 18 von 20 ankommen.»Spielt St. Gallen nicht gerade selber, ist Betim Fazliji oft auf der Rebsteiner Birkenau anzutreffen. Er besucht die Spiele des «Eins», aber auch die der zweiten Mannschaft des FCR. In dieser spielt sein Bruder Kushtrim Fazliji – ein Mann, der dafür bekannt ist, häufig Freistösse aus 16 bis 25 Metern zu versenken, als wären es Penaltys.Vor zwei Wochen gelang auch Betim Fazliji sein erstes Tor. Es leitete in Basel die Wende ein – St. Gallen gewann einmal mehr, wenn Fazliji spielte.

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