05.12.2019

Medienprojekt #refujournalists: «Ich träume von einer Demokratie»

Weil er die Regierung kritisierte, musste Tilak Kodagoda aus Sri Lanka fliehen. Trotz Widrigkeiten setzt er sich weiter für Gerechtigkeit ein.

Von Simone Kaiser
aktualisiert am 03.11.2022
Simone KaiserTilak Kodagoda ist mit sieben Geschwistern in einem Dorf in Sri Lanka aufgewachsen. Seine Familie gehört zur Bevölkerungsmehrheit der Singhalesen. Bereits als Jugendlicher ist er in die linke Oppositionspartei eingetreten.Wie sah Ihr Berufsleben in Sri Lanka aus ?Nach meinem Studium habe ich 17 Jahre lang als Journalist bei einer Wochenzeitung gearbeitet. Dort habe ich oft die Regierung kritisiert. Ich warf ihr Korruption und die Unterdrückung der tamilischen Minderheit vor. Meine Botschaft lautete, dass alle Menschen gleichwertig sind. 2009 hat man mir am Telefon gesagt, dass ich nur noch drei Tage zu leben habe. Daraufhin tauchte ich sofort unter. Freunde von mir haben bei verschiedenen Botschaften um Asyl für mich gebeten. Von der Schweizer Botschaft bekam ich ein Visum. Ich konnte mit dem Flugzeug in die Schweiz fliehen und wenig später reiste meine Frau mit den beiden 11-jährigen Kindern nach.Wie haben Sie die Ankunft in der Schweiz erlebt?Wir lebten acht Monate lang im Asylheim in Oberbüren. Das war eine schwierige Zeit, denn wir hatten nichts zu tun und keine Perspektive. Schliesslich kamen wir nach Oberriet. Um eine Arbeit zu finden, habe ich mehr als 50 Bewerbungen verschickt. Dann haben meine Frau und ich eine Beschäftigung als Produktionsmitarbeiter gefunden.Sie sind auch künstlerisch tätig. Wie kam es dazu?Während ich arbeitslos war, habe ich begonnen zu malen und Skulpturen zu formen. Ich habe das nicht gelernt, sondern einfach damit angefangen. Ich verarbeite bloss meine Geschichte. Immer wenn ich etwas fertigstelle, bin ich darüber erstaunt, was ich geschaffen habe. Es macht mich sehr stolz, dass ich in der Schweiz an zwei Ausstellungen meine Werke zeigen durfte (Anmerkung: 2012 in Oberriet und 2017 in Diepolds-au). Trotzdem fühle ich mich nicht als Künstler.Sondern?Mein Beruf ist Journalist und politischer Aktivist. Gerade von der Schweizer Demokratie bin ich sehr überzeugt. So denke ich zum Beispiel, dass der Föderalismus die beste Lösung für ethnische Konflikte ist.Was motiviert Sie, beim Medienprojekt #refujournalists mitzumachen?Ich würde auch hier in der Schweiz lieber als Journalist arbeiten, aber wegen der Sprache geht das nicht. Das Projekt #refujournalists ist mir wichtig, weil ich seit der Flucht meinen Beruf nicht ausüben konnte. Dieses Projekt hat mich dazu ermutigt, wieder zu schreiben.Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?Mittlerweile haben wir das unbeschränkte Niederlassungsrecht erhalten. Trotzdem wollen meine Frau und ich nach Sri Lanka zurückkehren. Die Kinder vermutlich nicht. Sie haben hier ihre Ausbildung gemacht und konnten sich gut integrieren. Mein Traum ist es, mitzuhelfen, das politische System zu verändern und eine saubere Demokratie und Gerechtigkeit für alle Menschen einzuführen. Ich weiss, das ist nicht einfach. Dass unsere Familie dann getrennt sein wird, stimmt mich sehr traurig. Trotzdem will ich es machen.Persönlich:Der regimekritische Journalist Tilak Kodagoda musste 2009 aus Sri Lanka fliehen. Als seine Lebensaufgabe betrachtet der 50- Jährige weiterhin den Kampf für eine gerechtere Gesellschaft. Deshalb kehrte er im Sommer dieses Jahres in seine Heimat zurück.Am 16. November fanden in Sri Lanka Präsidentschaftswahlen statt. Wahlsieger wurde der Ex-Militärchef Gotabaya Rajapaksa. Viele befürchten eine Rückkehr der brutalen Politik gegen die Bevölkerungsminderheiten. 

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.