Benjamin Schmid«Wir sind getroffen», schreit Copilot Murray Ball durch das Cockpit des B-17 Bombers Flying Fortress seinem Kollegen Major Noel Strader zu. Innert weniger Sekunden steht der Motor in Flammen. Die Maschine vibriert und verliert an Geschwindigkeit. Deutsche Abfangjäger nehmen das havarierte Flugzeug unter Beschuss. Obwohl die Mannschaft bereits über Deutschland das Flugzeug verlassen will, schaffen sie es über den Bodensee bis ins Rheintal. Bei den Drei Brücken in Diepoldsau gelingt der Crew eine Bruchlandung.Dieses sowie 247 weitere Ereignisse registrierte die Armee für die ganze Schweiz von 1939 bis 1945. Der Widnauer Daniel Egger listet in seinem vor kurzem erschienenen Buch «Fremde Flugzeuge in der Schweiz 1939–1945» sämtliche Vorfälle auf knapp 300 Seiten auf. Mit über 1600 Bildern entstand ein Buch, das die Ereignisse nicht nur detailliert und kantonal geordnet wiedergibt, sondern die Menschen und ihre Schicksale dahinter aufgreift. «Das Werk liefert einen Überblick über die verschiedenen Notlandungen und Abschüsse und dient dafür, dass dieses Kapitel Fluggeschichte nicht in Vergessenheit gerät», sagt der Autor.Bereits 2014 veröffentlichte Egger ein Buch über die Luftzwischenfälle im St. Galler Rheintal im Zweiten Weltkrieg. Aufgrund vieler Rückmeldungen und Interessensbekundungen führte der Hobbyhistoriker seine Recherchen fort und untersuchte sämtliche Berichte von auf Schweizer Boden abgestürzten Flugzeugen. Zusammen mit den Experten Werner Schmitter, Rolf Zaugg und Theo Wilhelm entstand eine wertvolle Informationsquelle für Geschichtsinteressierte.Zeitzeugen sterben ausObschon es eine Fülle von Informationen zu allen Vorfällen gibt, war es nicht einfach, Zeitzeugen aufzuspüren und zu befragen, weiss Egger. Vor allem Nachkommen der in der Schweiz gelandeten und dann in Davos oder Adelboden internierten Angehörigen der US Army Air Force interessieren sich für die Recherchen des 56-Jährigen. So sei erst letztes Jahr eine Tochter eines Unglückspiloten auf Besuch und Spurensuche in der Schweiz gewesen. 2019 soll es in Zug zu Ehren der Überlebenden zu einer Gedenkveranstaltung kommen.Verloren sich die Spuren mancher Internierten, nachdem sie die Schweiz nach dem Krieg verlassen hatten, ist der Werdegang manchen Flugzeuges auch nicht mehr ersichtlich. «Die flugtauglichen Flugzeuge wurden nach England ausgeflogen», sagt Egger, «wo sie wie die kaputten Exemplare demontiert wurden, um die Metallteile zu nutzen.» Das Interesse an den «fliegenden Festungen» war in der Bevölkerung gross, so konnten einige Exemplare gegen ein Eintrittsgeld bestaunt und wie in einer Ausstellung begutachtet werden, weiss der Autor.Erinnerungen bleiben erhaltenAuch heute noch bekomme er Anrufe von Personen, die eigene Erinnerungen an diese Zeit haben, oder vom Hören-Sagen berichten können. So rief ihn letzthin ein Mann an, der als Säugling in einem Kinderwagen im Schatten von Thurgauer Obstbäumen schlummerte und vom Druck eines notlandenden Bombers aus dem Kinderwagen gestossen wurde. Oder eine Tochter kontaktierte ihn, deren Mutter sich in Davos in einen amerikanischen Offizier verliebte und nach jahrelangem Kampf gegen ihr Elternhaus diesen heiratete und in die USA auswanderte. Noch heute würden die beiden alljährlich in Davos ihre erste Begegnung feiern. «Ich wollte kein Kriegsbuch, sondern ein bebildertes Buch, das die Geschichten der über 1600 Besatzungsmitglieder wiedergibt», sagt Daniel Egger.