Bob In dieser Woche finden in Winterberg (Deutschland) Europacuprennen im Zweier- und Viererbob statt. Aber der Anschieber Marco Tanner geht bei unserem Anruf nicht im Bundesland Nordrhein-Westfalen, sondern an seinem Wohnort Lüchingen ans Telefon. Dabei ist er weder verletzt noch waren seine Leistungen in Altenberg letzte Woche schlecht – im Gegenteil. Aber weil das Team Kuonen, für das Tanner startet, in Altenberg nach Punkten das schlechteste Schweizer Team war, wurde es durch eine andere Equipe ersetzt. Marco Tanner sagt: «Das ‹schlechteste› Team – in Anführungszeichen.»Verantwortlich für diese unbefriedigende Situation ist ein Nuller im Viererbob: Pilot Michael Kuonen stürzte mit seinem Team im Training. Das von drei Ausfällen geplagte Team hatte deshalb zwar keinen weiteren Verletzten zu beklagen, aber das Heck des Bobs ging kaputt: «Die Reparatur dauert zwei Tage, deshalb konnten wir das Rennen nicht bestreiten», sagt Tanner. Das Forfait hatte zur Folge, dass das Team Kuonen weniger Punkte erzielte als die drei anderen Schweizer Bobs. Kuonen und die Anschieber Marco Tanner sowie Marco Dörig müssen sich wohl oder übel zu Hause auf die kommende Rennwoche in Königssee vorbereiten.Nach sturzbedingtem Startverzicht ausgewechseltDabei spielte es keine Rolle, dass Kuonen/Tanner in beiden Zweierbobrennen mit jeweils dem siebten Platz die zweitbeste Schweizer Equipe bildeten. Und auch nicht, dass das Team Kuonen im Zweierbob-Europacup mit dem vierten Zwischenrang in der Gesamtwertung ein Wörtchen mitzureden gehabt hätte. Dem Verband war auch egal, dass Kuonen und Anschieber Tanner im Zweierbob am Start Zeiten aufstellten, an denen sich die anderen Topteams die Zähne ausbissen.«Das ist ein unverständlicher Entscheid», hadert Marco Tanner, «wir haben in der Vorbereitung und den vorherigen Rennen gezeigt, dass wir von den Schweizer Teams im Europacup das mit dem grössten Potenzial sind. Es ist, gerade im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2020, kurzsichtig vom Verband, dass wir für einen kleinen Fehler so hart büssen müssen.»Man könnte sagen: Ist ja nicht schlimm. Das Team erhält eine zusätzliche Trainingswoche, und nächste Woche in Königssee stehen Tanner & Co. gut erholt wieder am Start.Aber so einfach ist es nicht: Abgesehen von der nun hinfälligen Europacup-Gesamtwertung zeitigt das Forfait in Altenberg Folgen, die für das Team Kuonen die ganze Saison in Frage stellen: «Das punktebeste Schweizer Team nach den vier Europacup-Wochen kann im Januar im Weltcup starten – diesen fixen Startplatz können wir nun fast nicht mehr erreichen.» In Winterberg finden zwei Rennen mit dem grossen und eines mit dem kleinen Schlitten statt, also gibt’s drei weitere Nuller für das Team Kuonen. Und in der Startliste wird das erste von einem Walliser pilotierte Bobteam so weit zurückfallen, dass es spät starten muss – die Bobbahn wird mit jedem Schlitten langsamer.Nächste Woche mit der Wut im Bauch am Start«Das sind keine guten Voraussetzungen für die Rennen in Königssee», sagt Tanner, «aber wir möchten unbedingt zeigen, dass es ein Fehler war, uns nach Hause zu schicken.»Am Mittwoch trainierten Pilot Michael Kuonen und die Anschieber Marco Tanner sowie Marco Dörig – die vom Sechs-Mann-Team zu Saisonbeginn übrig geblieben sind – auf der Starterbahn in Andermatt. Dabei war ein dritter Anschieber dabei. Seinen Namen verrät Tanner nicht, aber er sagt: «Er ist ein erfahrener Anschieber.» Nicht so wie in Lillehammer, als Michael Kuonens Kollege Cyril Pizzera einspringen musste (und das Team trotzdem auf den dritten Platz fuhr). Pizzera könnte ohnehin nicht mehr mittun, er hat sich inzwischen den Fuss gebrochen.Es scheint, als kommen alle mit der Verletzungshexe in Kontakt, die sich dem Team Kuonen anschliessen – alle, ausser Marco Tanner.Anschieber stark, Pilot noch in der LernphaseDenn der frühere Dreispringer vom KTV Altstätten ist topfit: «Die harte Vorbereitung trägt Früchte.» Der Leistungsausweis des Anschiebers ist die Startzeit, und hier waren Kuonen/Tanner (Bestzeit 5,28 s) am ersten Renntag fünf und mehr Hundertstelsekunden schneller als die anderen Topteams, am zweiten Renntag war nur ein deutsches Duo noch schneller. Die Zeiten korrespondieren mit Tanners Leistungstests; in Sachen Kraft und Explosivität ist ihm eine Steigerung von 5 bis 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr bescheinigt worden.Aber so schnell Tanner auf den ersten 30 Metern auch ist, auf die Fahrt seines Piloten hat er keinen Einfluss. «Wir hatten in Altenberg mehr erhofft als zwei siebte Plätze im Zweierbob», sagt Tanner, «aber wir wissen, dass unser Pilot noch lernen muss.» Michael Kuonen sitzt erst seit einem Jahr an den Steuerseilen. In Altenberg, gemäss Tanner die schwierigste Bahn Europas, tat sich Kuonen mit der Omega-Kurve im oberen Teil schwer. Weil er jeweils die Schrägwand touchierte, ging der Schwung des schnellen Starts verloren.