25.11.2020

«Man will mich mundtot machen»

Felix Zwicky will das neue Alterswohnheim in Lutzenberg verhindern. Die Gemeinde schaltet einen Anwalt ein.

Von Astrid Zysset
aktualisiert am 03.11.2022
«Man will mich mundtot machen. Und das lasse ich mir nicht bieten!», sagt Felix Zwicky. Der Lutzenberger sieht sich im Clinch mit der Gemeinde. Und das nicht etwa im Verborgenen, sondern vor den Augen der gesamten Bevölkerung.Ursprung des Zwists: Die Gemeinde will ein neues Alterswohnheim realisieren, Zwicky will dies verhindern. Eine Renovation wäre in seinen Augen besser. An den vergangenen beiden öffentlichen Informationsveranstaltungen der Gemeinde wurde Zwickys Lebenspartnerin Sylvia Kocherhans ausgebuht und Zwicky selbst das Mikrofon aus der Hand genommen. Beide hatten sich für die Sanierung des Seniorenwohnheims Brenden ausgesprochen – solange sie eben nicht durch die anwesenden Bürgerinnen und Bürger wie auch die Gemeinderäte gestoppt wurden. «Das widerspricht meinem Verständnis einer Demokratie, in welcher sich jeder frei äussern darf», sagt Zwicky und schüttelt fassungslos den Kopf.Flyer an alle Haushalte verteiltDoch klein beigeben will er nicht. Nach den Veranstaltungen liess er Flyer drucken und in alle Haushalte der Vorderländer Gemeinde verteilen. In diesen ist wiederum zu lesen, dass eine Sanierung des Heims vonnöten wäre. Welche Reaktion hatte er sich damit erhofft? «Ich hoffe nach wie vor auf ein Nein zum Voranschlag. Aber gerechnet hatte ich ehrlich gesagt mit allem; mit Anfeindungen bis hin vielleicht zu einem Telefonat der Gemeinde, in welchem sie sich für ihr Verhalten entschuldigt», sagt Zwicky.Kampf gegen die PrivatisierungDoch weit gefehlt. Was folgte, war ein Schreiben eines von der Gemeinde bevollmächtigten Anwalts. Dieser wies Felix Zwicky darauf hin, dass im Falle einer Verleumdung oder übler Nachrede eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren droht. Denn: Der Lutzenberger schrieb in seinem Flyer, dass jeder, welcher den Voranschlag 2021 – in welchem keine Sanierungsmassnahmen für das Seniorenwohnheim vorgesehen sind – an der Urne gutheisst, sich strafbar machen würde.Er stützt sich dabei auf Informationen des Personals, welches im August vergangenen Jahres die Zustände in dem Heim anprangerte und sie als prekär umschrieb. Darum verfasste Zwicky in seinem Flyer den Satz: «Der Gemeinderat könnte vor Gericht wegen grober Unterlassung und Verletzung seiner Obhuts- und Fürsorgepflicht zur Verantwortung gezogen werden.» An der vergangenen öffentlichen Orientierung beschwichtigte Gemeindepräsidentin Maria Heine Zellweger den Lutzenberger noch, indem sie ausführte, dass Renovationsarbeiten zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend seien, da eben ein Neubau geplant ist. Zwicky pocht jedoch weiter auf eine Sanierung. Der Neubau ist ihm ein Dorn im Auge. Geplant sind am jetzigen Standort die Erstellung eines Pflegeheims mit 19 Plätzen sowie drei Wohnblöcke mit Alterswohnungen. Eines dieser Gebäude würde acht Meter neben Felix Zwickys Einfamilienhaus erstellt werden und ihm somit die Seesicht verbauen. Dass er auch zum Eigennutz gegen das Bauvorhaben kämpft, gibt der Lutzenberger zu. Aber er findet es auch verantwortungslos, dass soziale Institutionen wie ein Alterswohnheim privatisiert werden, wie er weiter ausführt. In Lutzenberg würde das St. Galler Immobilienunternehmen Fortimo AG als Investorin und Betreiberin auftreten. Zwicky sähe es lieber, wenn eine Lösung gemeinsam mit einer anderen Gemeinde wie Walzenhausen angestrebt würde. Entsprechende Pläne zu einer möglichen Zusammenarbeit gab es schon. Diese wurden jedoch verworfen.Felix Zwicky hat noch viel vorFelix Zwicky will «alle Register ziehen», wie er sagt, um das Neubauprojekt zu verhindern. Als direkter Anstösser ist er einspracheberechtigt. Doch er will auch die politischen Möglichkeiten nutzen. Einerseits will er versuchen, die Sommerlinde wie auch das jetzige Seniorenwohnheim unter Schutz stellen zu lassen. Er sähe es gerne, wenn aus dem Heim unter der Mitwirkung der Bevölkerung beispielsweise eine Art Alters-WG entstehen könnte. Andererseits hat er vor, ein Komitee zu gründen. Hintergrund: Kommendes Frühjahr wird in Lutzenberg über den Baurechtsvertrag zwischen der Gemeinde und der Fortimo AG abgestimmt. Zwicky will Verbündete suchen, einen Abstimmungskampf lancieren und eine Zustimmung zum Vertrag somit an der Urne verhindern. Ein entsprechender Flyer, den er vor dem Abstimmungstermin verteilen will, liegt in groben Zügen bereits vor. Der Tonfall darin: Wiederum geharnischt. Aber Zwicky will sich auch nicht zurückhalten. «Ich behalte mir das Recht vor, noch deutlicher zu werden, falls ich das als nötig erachte.» Allerdings zieht er in Erwägung, sich juristisch beraten zu lassen, um keine rechtlichen Konsequenzen zu riskieren.Maria Heine Zellweger will sich auf Anfrage nicht zur juristischen Stellungnahme äussern, welche der Gemeinderat Felix Zwicky durch den Anwalt zukommen liess. Die Gemeindepräsidentin äussert sich nur dahingehend, dass mit dem Flyer eine Grenze überschritten worden sei, die man nicht tolerieren könne. Und: Es sei das erste Mal gewesen, dass sich der Lutzenberger Gemeinderat zu solch drastischen Massnahmen genötigt sah.

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